Romeo und Julia als Oper: Giulietta e Romeo – Staatstheater Braunschweig – 2017

Ein Flugzeug in der Bücherwand 

Riccardo Zandonais Oper „Giulietta e Romeo“ spielt am Staatstheater Braunschweig im Ersten Weltkrieg 


Als ich am früheren Tag der deutschen Einheit am Staatstheater zu Braunschweig eintraf und mir an der Kasse ein Billet für die nicht so richtig gut besuchte Vorstellung von Riccardo Zandonais Oper „Giulietta e Romeo“ – also Romeo und Julia – erwarb, war die Dame an der Kasse ganz besorgt, denn da ich jetzt die Einführung nicht mehr ganz hören könne, würde ich ja gar nicht verstehen, worum es in der Oper ginge. Die Oper spiele im Ersten Weltkrieg – das war durch die Operngängerbuschtrommeln schon durch die Republik geschallt.

Ob man eine selten gespielte Oper unbedingt auch noch durch eine Verlegung der Handlung verfremden muß, ist eine eigene Frage. Aber Romeo und Julia ist ja nun ein bekannter Stoff. Da verkraftet man es, daß es nicht unbedingt in Verona spielt. Ich erhielt dann netterweise durch einen Bekannten, den ich im Foyer traf, noch die Information, daß die Inszenierung so angelegt sei, daß der Besucher gar nicht wisse, ob Romeo das nur träume oder ob die ganze Liebesgeschichte tatsächlich stattfinde. Das kläre sich erst in der Schlußszene auf. Aha.

Mit Öffnen des Vorhangs tat sich da ein eindrucksvolles Kriegsspektakel auf. Soldateska tummelte sich mit viel Rauch und Getöse im Schützengraben. Das sah toll aus. Allerdings darf man anmerken, dass sich die Soldaten bei einem drohenden Angriff vielleicht nicht unbedingt vor den Geschützrohren tummeln. Das war irgendwie verkehrt herum. Regisseur Philipp Kochheim (übrigens der Operndirektor des Staatstheaters Braunschweig) ist sicherlich pazifistisch angehaucht, also seien ihm mangelnde Kenntnisse in Kriegskunst verziehen.

Einen eskalierenden Streit zwischen Capuleti und Montecchi versucht dann Romeo zu schlichten, was ihm allerdings mißlingt. Er wird angeschossen und von der Krankenschwester Julia versorgt. In den Ruinen hat man ein Stelldichein. Die Drehbühne ermöglicht verschiedene Raumwirkungen (Bühne Thomas Gruber). Es erscheint ein Bücherregal, durch das ein Flugzeug durchgebrochen ist, das auf einem riesigen Bücherstapel gelandet ist. Auf diesem haben Romeo und Julia dann im zweiten Akt ihre Liebesszene. Man träumt sich den Flug in ein neues Leben herbei, prompt startet der Propeller. Der herumkrittelnde Besucher fragt natürlich gleich, wie durch das kleine Loch die Flügel des Flugzeugs durchgekommen sein sollen. Der Regietheatererprobte wird erläutern, daß Romeo das ja eventuell nur träume und Träume nicht logisch sein müssen. Oder es deutet die sich im Laufe des Stücks steigernde Surrealität an. Diese kumuliert dann im dritten Akt in der von Mathilde Grebot mit sehr skurrilen Kostümen ausgestatteten Volksszene, in der ein Straßensänger vom Tod der Julia berichtet. In einem von Zandonai musikalisch wild gestalteten Ritt (worin das Regieteam eine Assoziation mit Krieg erkannt haben will) reitet Romeo stürmisch nach Verona, wo er die mit einem Schlaftrunk todesähnlich betäubte Julia findet – natürlich auf dem Flugzeug. Er nimmt dann selbst Gift. Als Julia erwacht, wechselt die Szene noch einmal. Eine Wand fährt herein. Romeo liegt im quietschend hereingerollten Krankenbett und stirbt, während Krankenschwester Julia dies ebenso kühl zur Kenntnis nimmt wie Stationsarzt Tebaldo. Also alles doch nur ein Fiebertraum des sterbenden Romeo.

Man mag die Regie-Idee nicht unbedingt goutieren, aber es war zumindest ein eindrückliches und kurzweiliges Spektakel mit ergreifend trauriger Liebesgeschichte, was uns Philipp Kochheim da zusammengestellt hat. Die Drehbühne ermöglichte die notwendigen schnellen Szenenwechsel. Das sah interessant aus und es wurde nicht langweilig.

Gelohnt hat sich der Besuch schon allein wegen Zandonais selten gespielter Oper, die im Ersten Weltkrieg entstanden ist – insofern besteht schon ein gewisser biographischer Zeitbezug zwischen Oper und Krieg. Uraufgeführt wurde das Werk 1922 im Teatro Costanzi (nicht Constanzi, wie auf Seite 10 im Programmheft zu lesen ist) in Rom. Das Staatstheater Braunschweig hat damit seine interessante Reihe selten gespielter Opern fortgesetzt.

Klaus J. Loderer

Besuchte Vorstellung: 17. Juni 2017

Staatstheater Braunschweig

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Skandal: Enrico Caruso und die spektakuläre Trennung von Ada Giachetti

Vor der Oper: das historische Café Rommel in Erfurt

Buchbesprechung: Paul Abraham, der tragische König der Operette – eine Biographie von Klaus Waller