Fra Diavolo – Gärtnerplatztheater München – 2008

Eine Räubergeschichte in Italien

Aubers Oper »Fra Diavolo« am Staatstheater am Gärtnerplatz in München

Im 19. Jahrhundert häufig gespielt, gehört die Oper »Fra Diavolo« des französischen Komponisten Daniel François-Esprit Auber inzwischen zu den Raritäten des Opernspielplans. Das Staatstheater am Gärtnerplatz, Münchens zweites Opernhaus, hat »Fra Diavolo« dem Publikum nun wieder präsentiert.

Für den musikalischen Part zeichnet der junge ungarische Dirigent Henrik Nánási verantwortlich, der sich in kurzer Zeit am Gärtnerplatz einen guten Namen erarbeitet hat. Er leitet das Orchester mit dem für Auber notwendigen Esprit. Da die Räuberkomödie als Opèra-comique angelegt ist, also mit gesprochenen Dialogen zwischen den Musiknummern, ist es naturgemäß für den Dirigenten schwierig, eine größere Linie in das Werk zu bringen. Zerlinas Erzählung von Fra Diavolo dirigiert Nánási übrigens so langsam und pathetisch, dass man sich unvermittelt an Sentas Holländer-Erzählung erinnert fühlt. Hat sich Wagner etwa von Auber inspirieren lassen?

Allerdings ist das Libretto der Räubergeschichte von Eugène Scribe als Komödie angelegt. Auf Räubergeschichten bezieht sich schon der Vorhang, wo man eine Porträtgalerie der historischen Gaunerpersönlichkeiten zu sehen bekommt. Die Handlung versetzt uns in den kleinen Ort Terracina zwischen Rom und Neapel (freundlicherweise informiert uns darüber das Programmheft, das als Reiseführer angelegt ist), wohin der berühmte Dieb Fra Diavolo ein englisches Paar gelockt hat, das er auszunehmen gedenkt. Vorerst hat die Bande allerdings nur Juwelen und den Regenschirm des Lords ergaunert. Dem Bargeld spürt der als Marquese verkleidete Fra Diavolo nun im Gasthof nach, wo das englische Paar ein Quartier gefunden hat, indem er der Lady den Hof macht. Allerdings hat ausgerechnet in dem Gasthof auch die Bürgerwehr ihr Hauptquartier, die die Räuberbande hochnehmen will. Schon Libretto und Musik karikieren heftig Lord und Lady. Kostümbildner Götz Lanzelot Fischer hat sie in kariert überzogenes Biedermeier verpackt, was gleich die ersten Lacher im Publikum ergibt. Hans-Jörg Weinschenk als Lord Kookburn und Rita Kapfhammer als Lady Pamela geben dieses Paar als Inbegriff englischer Exzentrik.

Damit kontrastiert die Bühne von Herbert Buckmiller, deren schlichte Raumbegrenzung mit Innen- und Außenraum spielt, als Wolkenhimmel bemalt ist im Hintergrund den Ausblick auf eine Berglandschaft freigibt. Der surrealistische Aspekt wird noch durch einen Felsbrocken verstärkt, der im Hintergrund sich schwebend von rechts nach links bewegt - ein schönes Magritte-Zitat.

Regisseur (und Intendant) Ulrich Peters hat sich dafür entschieden, das Stück sich in seiner komödiantischen Überzogenheit ausleben zu lassen. Slapstick der besten Art bietet die zweite Szene, die zeigt, wie man im Schlafzimmer der Wirtstochter gleichzeitig sechs Personen bewegen kann, ohne dass diese sich bemerken. Hier fühlt man sich an Schwarz-weiß-Filmklassiker dieser Gattung erinnert.

Sinnvollerweise hat man sich am Gärtnerplatz für eine deutsche Fassung entschieden. Bei Opern mit gesprochenen Dialogen wirkt es schließlich immer besonders albern, wenn das Publikum nur noch zur Übertitelungsanlage starrt. Regisseur Ulrich Peters hat den Text neu übersetzt und moderat modernisiert. Schon von Beginn an werden die Opernbesucher übrigens auf einen schönen Regiegag eingestimmt. Mit Stimmkarten darf man dann in der Pause den Schluss der Oper wählen: soll Frau Diavolog gefangen genommen werden oder darf er mit Juwelen, Gold und englischer Lady entkommen. Tatsächlich gibt es von Scribe zwei Varianten des Schlusses. Entsprechend dem Publikumsentscheid wird dann das entsprechende Finale gespielt – Basisdemokratie in der Oper.

Klaus J. Loderer


Besuchte Vorstellung: 16. Juni 2008
Staatstheater am Gärtnerplatz München

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