Salieris Falstaff – Theater an der Wien – 2016

Heruntergekommener Ritter umgarnt zwei Frauen 

Antonio Salieris „Falstaff“ im Theater an der Wien 

von Klaus J. Loderer

Nein, nicht die Verdi-Oper, eine viel früheren Falstaff-Oper hat das Theater an der Wien kürzlich ausgegraben und sich damit verdient gemacht, das Werk des fast vergessenen Komponisten Antonio Salieri weiterzubegeben. Immerhin gibt es ja Milos Formans Mozartfilm, da kommt Salieri zwar schlecht weg, aber der Name kam wieder ins Gespräch. Und jede der spärlichen Aufführungen beweist ja, daß es sich um tolle Werke handelt. Und nun also Falstaff aus dem Jahr 1799. Das ist eine Zeit, die üblicherweise eine Lücke in den Opernspielplänen darstellt. Mozart ist da schon tot und Rossini noch zu jung.

Her Majesty is not amused: „Falstaff“ von Salieris im Theater an der Wien: Christoph Pohl als Falstaff
Foto: Herwig Prammer

Für Shakespeares Falstaff-Stoff hat sich Salieri eine muntere Musik ausgedacht, die schon in der Ouverture vor sich hin tänzelt, kein Wunder, daß Regisseur Torsten Fischer sich zum Tanz als wichtigem Element der Inszenierung inspirieren ließ. Man mag sich an eine Tanzstunde erinnert fühlen, wenn der Vorhang sich öffnet und die Damen und Herren des Chors in Ballgarderobe an den Wänden des großen Saals (ein Saal zwischen Stadthalle, Schulaula und Vereinshaus) entlang sitzen – oder eben in Vorbereitung eines festlichen Ereignisses, wie man gleich erfährt. Die Highsociety von Windsor erwartet den Besuch ihrer Majestät. Da ist man dann gleich im hier und jetzt. Es ist nicht Elizabeth I., die diese Komödie übrigens sehr amüsiert haben soll, sondern Elizabeth II., die hier hereinschneit, gefolgt von Prinzgemahl und Prince Charles, und auch Prinzessin Kate ist unschwer zu identifizieren. In diese noble Versammlung geraten dann Laurel und Hardy, also Bardolf und Falstaff, die die Party schnell aufmischen, also sich über Handtaschen und Bar hermachen. Aus der königlichen Familie schälen sich dann die Paare Ford und Slender heraus.

Das Bühnenbild ist mittels der verschiebbaren Rückwand verkleiner- und vergrößerbar. So kann dann Mrs Fords Bett auf der Bühne nach vorne rücken. Oder im großen Raum wird Platz für eine großes Bassin, das dann am Ende des ersten Akts mit einem Wasserfall gefüllt wird – wenn Sir John in die Themse befördert wird. Es ist aber kein Wasser, mit dem das Bassin gefüllt wird, sondern eine Unmasse weißer Kunststoffkugeln. Aus diesem Themse-Schwimmbad kriecht dann im zweiten Teil Falstaff hervor. Und das Schwimmbad wird eifrig genutzt, um alle mögliche Personen hineinzuwerfen.

Sehr eindrücklich inszeniert Torsten Fischer die Eifersucht des Mr. Ford. Der taucht als Mr. Bond bei Falstaff auf, um seine Frau verführen zu lassen. Diese war auch schon da, um Falstaff einzuladen – übrigens als Deutsche (der deutsche Text und das teutonoitalische Geschwafel von Falstaff sind einfach köstlich). Mr. Fords Eifersuchtsalpträume sind dann auch bildlich auf der Bühne dargestellt, was besonders deutlich wird, wenn Mrs. Ford den gesamten Herrenchor auf ihrem Bett verführt – so die Vorstellung des Mr. Ford.

Alles Zutaten zu einer unterhaltsamen Komödie, durch die dann immer wieder ihre Majestät marschiert, mal not amused, mal very amused.

Musikalisch war das auch eine erfreuliche Aufführung mit René Jacobs am Pult, der natürlich für feine Nuancenzeichnung berühmt ist und Musik des 18. Jahrhunderts auch spannend zu dirigieren in der Lage und gewillt ist. Sehr fein die Akademie für alte Musik Berlin. Und sehr spielfreudig und exakt der Arnold-Schönberg-Chor.

Christoph Pohl singt einen frischen Falstaff, der zuerst ziemlich rundlich ausgefüttert als Oliver Hardy herumtappst, dann aber zur Überraschung der Damen Ford und Slender sich aus der Polsterung herausschält und zu ihrer Überraschung plötzlich gar nicht mehr so unattraktiv aussieht. Es ergeht ihm dann trotzdem übel am Ende: In der finalen Zaubershow wird er zur zersägten Jungfrau. Wer die Fäden in der Hand hat, das ist aber Falstaffs Begleiter Bardolf, der die Partie gewissermaßen als verhinderter Flamencotänzer durchtanzt und uns und die Protagonisten als Tanzmeister durch das Stück geleitet.

Besuchte Vorstellung: 16. Oktober 2016
Theater an der Wien


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