Eine Nacht in Venedig – Erfurt – 2007
Venedig als Flipperautomatenspiel
Budapester Regisseur inszeniert »Eine Nacht in Venedig« im Theater Erfurt
Eine Bühne als riesiges Flipperautomatenspiel.
Kero, als Direktor des Budapester Operettentheaters auch unter dem bürgerlichen
Namen Miklós Gábor Kerényi bekannt, hat zusammen mit seiner Ausstatterin
Erzsébet Túri am Theater Erfurt dieses Experiment gewagt. Die Venedig-Kulisse
ist nur Staffage eines Glücksspiels. Brücken und Rampen zeigen die Bahnen des
Spiels an. Fehlen noch die Kugeln. Ganz einfach: Solisten, Chor und Statisten
bekommen glänzende Ballons um die Hüften – fertig ist das Kugelspiel.
Spielmeister Guido stößt die große Feder an der rechten Bühnenseite an, schon
rasen alle Kugeln über das Spielfeld, eine umtriebige Handlung setzt ein.
Legitimiert wird dieses Vorgehen mit einem kleinen Eingriff in die Handlung.
Guido ist nicht nur Herzog von Urbino, sondern hier ein reicher Amerikaner, der
sich den Adelstitel gekauft hat, und nun nach Venedig kommt, um dort ein
Spielkasino zu bauen. Da eine Handlung mit einem Großinvestor, dem sich
Stadtväter (hier Senatoren) anbieten, durchaus aktuelle Bezüge besitzt, wurden
die Zwischentexte gelegentlich aktualisiert und um zeitgenössische Pointen
angereichert.
Wie man es von einer Kero-Inszenierung erwartet,
ist das Ensemble zweieinhalb Stunden in Dauereinsatz. Zum Budapester
Produktionsteam gehört auch Jenö Löcsei, der für die Choreographien
verantwortlich zeigt. Im Gegensatz zum Ensemble des Budapester
Operettentheaters, das auf seine aufwändigen Choreographien getrimmt ist, war
es für das Erfurter Ensemble sichtbar ungewohnt, neben dem singen auch noch
schier ununterbrochen tanzen zu müssen. Dies tat der Gesamtwirkung keinen
Abbruch. Das Erfurter Publikum genoss zumindest in der Vorstellung am 8.
Dezember die Produktion sichtlich und hielt ob der quirligen Handlung den Atem
an.
Was Herzog Guido also mit der ersten Kugel
anstößt ist eine Verwechslungskomödie ersten Ranges um den Makkaronikoch
Pappacoda (Peter Umstadt), der das Stubenmädchen Ciboletta (Matrina Haeger)
liebt, die im Dienste von Barbara Delacqua (Alice Rath) steht, die ihren Mann
just an dem Tag betrügen möchte, an dem das Ehepaar zu einem Fest bei Herzog
Guido (Richard Carlucci) eingeladen ist, der bei dieser Gelegenheit die schöne
Barbara vernaschen möchte. Da Delacqua dies ahnt, schickt er seine Frau nach
Murano und geht mit der Zofe Ciboletta zum Fest (weil er scharf auf den Posten
des Kasinodirektors ist), nicht ahnend dass seine Frau ihre Freundin Annina
(Marisca Mulder) nach Murano schickt. Aber auch diese kommt dort nicht an, da
Guidos Hofbarbier Caramello (leider in der Höhe kläglich: Erik Fenton) die
schöne Barbara, also Annina, entführt. An dieser Stelle erklingt natürlich
»Komm in die Gondel«. Guido guckt nicht schlecht, als er plötzlich zwei
Barbaras bei Tisch hat. Die Verwicklungen werden noch komplizierter bis es zu
einem überraschenden Ende kommt. Den »Jackpot« bekommen jedenfalls nicht die
Senatoren. Langeweile kommt bei dieser Inszenierung von Johann Strauß' »Eine
Nacht in Venedig« jedenfalls nicht auf. Musikalisch sorgt Walter E. Gugerbauer
mit dem Philharmonischen Orchester Erfurt dafür.
Klaus J. Loderer
Besuchte Vorstellung: 8. Dezember 2007
Theater Erfurt
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