Buchbesprechung: Dieter Klein: Münchner Maßstäbe
Münchner Maßstäbe
Dieter Klein untersucht die Münchner Architektur im 19. Jahrhundert und ihre Beziehungen nach Mittel- und Osteuropa
Dass man auf dem Umschlag dieser neuen Veröffentlichung
zur Architektur Münchens im späten 19. Jahrhundert das Palais New York
erblickt, das teilweise überlagert ist von einer Ansicht des Bernheimerhauses
in München, ist kein Zufall, hatte das Münchner Gebäude doch großen Einfluss
auf die Gestaltung des zeitlich unmittelbar darauf entstandenen Budapester
Prachtbaus. So geht es in dem Band eben nicht nur um München, sondern auch um
den Einfluss der Münchner Architektur. So spricht der Band sogar von »Münchner
Architektur in Europa«. Diese vollmundige Äußerung ist sicherlich berechtigt.
Hatten die Ausbildungsstätten für Architektur in München doch große
Anziehungskraft auf Architekturstudenten aus dem Ausland. Und auch die neue
Architektur Münchens wurde von ausländischen Architekten bei Besuchen intensiv
studiert und war zudem durch Abbildungen in Büchern und
Architekturzeitschriften präsent. So ist es nicht erstaunlich, dass München
besonders auf Österreich-Ungarn großen Einfluss ausübte. Es ist verdienstvoll,
dass der Architekturhistoriker Dieter Klein diese Zusammenhänge, die bisher
eher im Bereich der Malerei betrachtet wurden, in der neuen Publikation
herausgestellt hat. Schon in seiner Dissertation über den Architekten Martin
Düfler blickte Klein über München hinaus und erkannte den Einfluss Dülfers auf
Mitteleuropa. Seither hat er seine Studien über die »Wechselbeziehungen der
Münchner Architektur zu mitteleuropäischen Städten« intensiviert und in einem
gleichnamigen Forschungsprojekt systematisch verfolgt.
Natürlich steht München am Anfang des Bandes.
Klein gibt eine spannende Übersicht zur Architekturentwicklung im 19.
Jahrhundert. Dabei verfolgt er detailliert die Stilentwicklung, wann und wie
welche stilistische Neuerung in München auftaucht. Für München ist als speziell
bayerische Stilform der Rundbogenstil zu nennen. Besonders wichtig für das
späte 19. Jahrhundert sind dann die Varianten des Historismus und des Jugendstils.
Klein stellt dabei eine Vielzahl von Architekten vor und geht auf die
Stadtentwicklung und Bauvorschriften ein. Klein analysiert die
Architektenausbildung an der Akademie der bildenden Künste, der Technischen
Hochschule und der Baugewerkeschule. Immer wieder finden wir aber schon hier
Architekten aus Ungarn, die in München tätig waren (wie Rezsö Hikisch, Gustav
Pulitzer, Franz Popp, Max Neumann und Ferenc Nyilas).
Den Hauptteil des Bandes macht dann die
Untersuchung der Auswirkungen der Münchner Architektur auf Mitteleuropa aus.
Die Untersuchung ist regional gegliedert. Besonders ausführlich werden die
Länder der ehemaligen Habsburgermonarchie behandelt. Wir wollen uns hier auf
Ungarn konzentrieren, denn auch hier wirkten sich Münchner Architekturtendenzen
aus. Klein verweist etwa auf den Einfluss des Maximilianstils auf die Pester
Redoute. Nicht zufällig hat deren Architekt Friedrich Feszl in München
studiert. Klein untersucht die Werke einer ganzen Reihe von Budapester
Architekten, die in München studierten und weist zahlreiche Einflüsse Münchens
nach. Viele Architekten arbeiteten während oder nach dem Studium noch in einem
Münchner Architekturbüro, was die Einflüsse zumeist verstärkte. Bei Alajos
Hauszmann und dem Palais New York lag die Kenntnis des neuen Bernheimerhauses,
dessen Fassade stark sein Palais New in Budapest beeinflusste übrigens nicht in
einer eventuellen Studienzeit in München (Hauszmann hatte nämlich in Berlin
studiert), sondern darin, dass Hauszmann beim Antiquitätenhändler Bernheimer
Möbel für das königliche Schloss in Budapest, an dessen Neubau Hauszmann auch
beteiligt war, erwarb und dadurch auch das neue Geschäftshaus Bernheimers
kennenlernte. Auch dieses Detail finden wir bei Klein.
Der Band ist übrigens der ausführliche Begleitband
zu einer Ausstellung, die anlässlich des Münchner Stadtjubiläums zur
850-Jahrfeier im vergangenen Jahr u.a. im Haus des deutschen Ostens zu sehen
war. »Brücken bauen« lautete damals das Motto. Dieter Klein hat mit seiner
neuen Publikation die architektonische Brücke von München nach Mitteleuropa
wieder bekannt gemacht.
Klaus J. Loderer
Dieter Klein:
Münchner Maßstäbe
Der Siegeszug der Münchner Architektur im 19. Jahrhundert
Unter Mitarb. von Robert Hölzl und Markus Landerer
Volk Verlag München 2008
ISBN 978-3-937200-50-7
128 S., zahlr. Ill. 12,90 Euro.
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