Liszt-Festival 2012
»Die Pilgerjahre« Franz Liszts
Hochrangige Konzerte beim Liszt-Festival in Raiding
Den sogenannten Pilgerjahren widmete sich das
Liszt-Festival in Raiding. Vom 18. bis 22. Oktober 2012 bot das neben dem
Geburtshaus des Komponisten errichtete Konzerthaus hochrangige Interpretationen
der Werke Franz Liszts.
Im Zentrum des Eröffnungskonzerts am 18. Oktober
stand allerdings ein Zeitgenosse. Die selten zu hörende Fassung des deutschen
Requiems von Johannes Brahms für Chor, Soli und Klavier brachte der »Chorus
sine nomine« zu Gehör. Brahms selbst hatte diese Fassung erarbeitet, um
Aufführungen auch in bescheidenerem Rahmen zu ermöglichen, wenn er sich auch
etwas abschätzig über diese Fassung äußerte. Johannes und Eduard Kutrowatz, die
Intendanten des Liszt-Festivals, übernahmen die vierhändige Begleitung am
Klavier. Da man die mächtige Orchesterfassung gewohnt ist, klang das
Klaviervorspiel anfänglich noch ungewohnt. Doch überzeugten Johannes und Eduard
Kutrowatz schnell durch einfühlsames Spiel und schufen die Basis für ein
herausragendes Chorereignis. Mit großer Exaktheit hatte Johannes Hiemetsberger,
der 1991 das Vokalensemble »Chorus sine nomine« gegründet hatte, die Chorpartie
einstudiert. Er hatte die wunderbaren Crescendi ebenso herausgearbeitet wie das
langsame Verklingen. Ebenso glücklich war die Auswahl der beiden Solisten. Die
spanische Sopranistin Elena Copons sorgte mit klaren Spitzentönen für ein
feines Klangbild. Der warme Bariton eines Adrian Eröd traf exakt den
flehentlichen Ton des »Herr, lehre doch mich«. Eingeleitet wurde das
Brahms-Requiem übrigens von zwei Liszt-Werken: »Libera me« aus dem Requiem für
Männerchor und »Oh Meer im Abendstrahl« für Sopran, Bariton und Klavier.
Einen ganz ungewöhnlichen Abend durfte man am
zweiten Tag erleben. Hier ging es um Liszts Verhältnis zu Richard Wagner und
Weimar. Dazu bietet das musikalische Repertoire Liszts durchaus passende Werke.
An vorderster Stelle sind die kleinen Arbeiten »Am Grabe Richard Wagners« und
»R.W. – Venezia« zu nennen. Dies wurde ergänzt mit »Die Zelle in Nonnenwerth«
und die Ungarische Rhapsodie Nr. 12 in Fassung für Violine und Klavier. Dies
war die musikalische Besetzung des Abends: Friedemann Eichhorn mit der Violine
und Rolf-Dieter Arens am Klavier. Dazwischen gab es aber auch noch anderes zu
hören. Nike Wagner las aus dem Briefwechsel zwischen ihrem Ururgroßvater Franz
Liszt und ihrem Urgroßvater Richard Wagner. Pointiert stellte sie die
gelegentlichen finanziellen Nöte des Opernkomponisten dar und seine mehr oder
minder deutliche Bettelei und die Bewunderung und Förderung durch den
Klaviervirtuosen. Sie machte deutlich, dass das Verhältnis nicht immer
unproblematisch war. Im zweiten Teil ging Nike Wagner auf das Verhältnis der
Familie Wagner zum zweiten wichtigen Komponisten der Familie ein. Genauer
gesagt machte sie deutlich, dass man in der Villa Wahnfried Franz Liszt eher
ignorierte. Eher die Außenseiter der Familie würden sich an diesen Ahnherren
erinnern. Mit trockenem Humor berichtete sie manche Anekdote aus der
Familiengeschichte.
Boris Bloch verzaubert mit den Années de Pélerinage
Ein gewaltiges Programm hatte sich der aus Odessa
stammende bekannte Pianist Boris Bloch vorgenommen. Er spielte an einem Abend
die drei Bände der »Années de Pélerinage«, die dem Konzertzyklus den Namen
gaben. Die Benennung der drei Bände als erstes, zweites und drittes Jahr
täuscht darüber hinweg, dass es sich in Wirklichkeit um kein homogenes Werk
handelt, das tatsächlich in kurzer Zeit entstanden wäre. Der erste Teil wurde
1837 durch einen Schweiz-Aufenthalt inspiriert, aber erst 1855 veröffentlicht –
und dafür auch stark bearbeitet. Er beschreibt Landschaften der Schweiz. Der
zweite Teil entstand durch Eindrücke einer Italienreise mit Marie d’Agoult 1837
bis 1839. Hier bilden italienische Kunst und Literatur die Themen, etwa das
Gemälde »Sposalitzio« von Raffael, die Statue »Il Penseroso« von Michelangelo
oder Sonette von Petrarca und Dante. Könnte man die beiden ersten Teile als
romantische Inspirationen bezeichnen, entstand der dritte Teil wesentlich
später und wurde erst 1883 veröffentlicht. Darin drückte Liszt religiöse
Gefühle aus.
Boris Bloch hatte für das Konzert die schöne
Idee gehabt, dass zu Beginn eines jeden Stückes das schön gezeichnete
Titelblatt der Erstausgabe eingeblendet werden sollte. Das hätte dem Hörer die
Orientierung schon etwas erleichtert und als kleiner Konzertführer fungiert.
Leider hat das aber technisch nicht funktioniert. So konnte man die Blätter nur
in den Pausen betrachten. Das tat dem musikalischen Genuss aber keinen Abbruch.
Dieses Konzert sprengte schon durch seine Länge
übliche Klavierabende. Immerhin drei Stunden Musik bot Boris Bloch, der
auswendig spielte, einem jubelnden Publikum. Man muss schon alleine die
physische Kondition des Pianisten bewundern. Dazu kommt die technische
Behändigkeit für dieses technisch anspruchsvolle Werk. Man könnte schwärmen von
den schweizerischen Landschaftseindrücken, die Bloch auf dem Klavier zauberte.
Zu ekstatischen Steigerungen schwang er sich im Italienband empor. Man konnte
das Fingerspiel nur bewundern. Doch überzeugt Bloch nicht nur mit technischer
Perfektion sondern noch vielmehr durch die poetische Einfühlsamkeit, mit der er
die Gefühlswelt der Sonette und die tiefe Traurigkeit der Trauermusiken des
dritten Teils vermittelte. Technische Anforderungen wie die oft plötzlichen
Stimmungswechsel scheinen für Bloch kein Problem darzustellen. Er verzauberte
das Publikum mit einzigartigen Klangmalereien.
Stammgast beim Liszt-Festival ist die »Wiener
Akademie«. Martin Haselböck leitete das Konzert mit den ersten sechs
ungarischen Rhapsodien. Bei einem Liederabend interpretierten Angelika
Kirchschlager und Eduard Kutrowatz am Klavier Lieder von Brahms und Liszt.
Klaus
J. Loderer
Besuchte Vorstellungen: 18., 19., 20. Oktober 2012
Liszt-Zentrum Raiding
Liszt-Zentrum Raiding
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