Der Rosenkavalier – Stuttgart – 2016

Unter dem Reifrock 

Stefan Herheims Inszenierung von „Der Rosenkavalier“ von Richard Strauss in Stuttgart 

Im Großen Haus der Staatstheater zu Stuttgart war wieder „Der Rosenkavalier“ in der Inszenierung von Stefan Herheim aus dem Jahr 2009 zu sehen. Musikalisch unter der Leitung von Georg Fritzsch ganz passabel. Herheim hat wie üblich eine Inszenierung mit großem Detailreichtum geschaffen, ungewöhnliche Details, die sich aber alle aus dem Text erschießen. Bühnenbildnerin Rebecca Ringst hat dazu einen Innenraum geliefert, der einerseits vom Unterblick eines Reifrocks und gleichzeitig von der Tierkreiszeichen-Kuppel des Zuschauerraums inspiriert wurde. Die blauen Vorhänge der Bühne entsprechen dem blauen Kleid der Fürstin ebenso wie jenem von Sophie – die Parallelität der Zwangsverheiratung nach Jugend im Kloster wird ja schon im Text deutlich. Einsam sitzt die Fürstin zu Beginn am Frisiertisch und erblickt die Spuren des Alters im Spiegel, den sie versehentlich zerschlägt. Aus den Scherben des Spiegels wird später Pan die Silberrose basteln. Dieser von Herheim dazu erfundene Pan entsteigt im ersten Akt genauso wie eine Horde von Satyren dem Wandgemälde im Zimmer der Fürstin, gewissermaßen lebendig gewordene Mythologie. Als nettes Detail wird man dann später bemerken, daß auch der Baron Lerchen Hörner hat, also auch ein Satyr ist – das paßt ganz gut zur angeberischen Erzählung des Barons, wie er von Verführung zu Verführung schwelgt. Die Satyrn werden dann zum wilden Gefolge des Barons, das im zweiten Akt über die Zofen im Hause Faninal herfällt. Bei einem festen blauen Bühnenrahmen wandelt sich der Hintergrund mit verschiedenen Raumeindrücken ununterbrochen. Aus den fahrbaren Gerüsten werden im dritten Akt die Logen eines Wiener Beisls. Als Verdoppelung der Geschichte steht in der Fürstin Zimmer eine Miniatur des Bühnenbilds. In dieser Puppenstube stehe dann alle beteiligten Personen als Puppen, die sogar essbar sind und Octavian und Marie Therese als Frühstück dienen. Am Ende werden Octavian und Sophie steif wie diese Puppen auf der Bühne stehen und in in Versenkung hinabgefahren, während der Edle von Faninal und die Fürstin von den seitlichen königlichen Logen das Geschehen beobachten. Gesine Völlm hat dazu teils witzige Kostüme geschaffen. Die Lakaien der Fürstin sind doppelseitig, von vorn Mensch, rückseitig Schafe. Beim Lever der Fürstin tauchen alle mögliche skurile Gestalten auf. Die drei Waisen sind Katzendamen. Überhaupt spazieren immer wieder alle mögliche Tierwesen über die Bühne. Und die ganze Zeit begleitet ein kleiner Pan, der auch die Rolle des Mohren und des Arztes übernimmt, die Handlung und greift immer wieder ein.

Klaus J. Loderer

Besuchte Vorstellung: 20. Februar 2016
(Premiere 2009)
Oper Stuttgart

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