Der Rosenkavalier – Salzburger Festspiele – 2014
Über den Dächern von Wien
Richard Strauss’ Oper »Der Rosenkavalier« in Salzburg vor üppiger Wien-Kulisse
Es sind die üppigen Wien-Panoramen, die als riesige
Hintergrundbilder die neue Inszenierung von Richard Strauss’ Oper »Der
Rosenkavalier« bei den Salzburger Festspielen dominieren. Die Fotos saugen den
Blick förmlich ein und schaffen eine Bildopulenz, vor der sich die
Bühnenhandlung dann erst einmal behaupten muss. Da ist der traumhafte
Penthouseblick auf die Kuppel des Michaelertrakts der Hofburg – genau so müsste
eine Upperclass Marie Theres von heute in Wien wohnen. Und natürlich würde der
neureiche Faninal das Kunsthistorische Museum für das Hauptevent der Familie
mieten – so der zweite Akt (Museen scheinen die diesjährige Modekulisse der
Salzburger Festspiele zu sein, »Il Trovatore« spielt gleich ganz in einer
Gemäldegalerie). Schwarz-weiß abgeklärt sind diese Fotos mit ihren Motiven der
Ringstaßenpracht.
Rosenkavalier in Salzburg: Lever bei der Marschallin im ersten
Akt
Fotos: Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus
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Mit dem passenden Foto kann man sogar den ganzen Prater auf
die Bühne zaubern wie im dritten Akt – und wird der Hintergrund dann sogar
farbig: grün duften die Bäume und rot leuchten die Lampions. Nur spärliche
weitere Requisiten sind auf der Bühne verteilt, im ersten Akt eine prächtige
Flügeltür, die die Raumflucht der Fürstin andeutet, Bett und Sitzgruppen und ein
großer Spiegel, schon modernere Jugendstilmöbel für das Haus Faninal und gleich
ein ganzes Beisel zum Walfisch. Diese Möblierung lässt sich seitlich
verschieben. Zusammen mit wechselnden Hintergrundfotos entstehen so schnell
neue Raumeindrücke. Hätte man am Ende des ersten Akts das ganze Möbelzeugs
rausgefahren, wäre ein unglaublich eindrucksvolles Bild mit der einsamen
Marschallin entstanden, die in die kahle Allee eines Barockgartens blickt. Das
hat man leider verschenkt. Doch im dritten Akt gelingt das dann endlich. Welch
ein Bild: Eine Parkbank im morgendlich einsamen Prater für das Terzett.
Herrlich! Dass der (in dieser Inszenierung erwachsene) Leibmohr dann mit dem
weißen Rolls-Royce-Cabriolet vorfährt, das passt zum historischen Ambiente. Und
schließlich geht es ja um »Standespersonen«. Irgendwie soll die Inszenierung
etwa um 1900, also zur Entstehungszeit der Oper spielen. Die Kostüme von Yan
Tax deuten dies an, ohne historisch exakt zu sein.
Rosenkavalier in Salzburg: das Terzett im dritten Akt mit
Mojca Erdmann (Sophie),
Sophie Koch (Octavian) und Krassimira Stoyanova
(Feldmarschallin)
Fotos: Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus
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Harry Kupfers Regie belebt die Bühne Hans
Schavernochs gekonnt und routiniert. Der Regiealtmeister gruppiert die Personen
geschickt und gefällig, arbeitet sich artig durch die Regieanweisungen. Da
werden die Statisten sinnvoll eingearbeitet und es ergeben sich stimmige
Arrangements. Natürlich weiß Kupfer, dass der Rosenkavalier letztlich nur
funktioniert, wenn man ein gewisses Zeremoniell betreibt. Und Kupfer weiß auch
mit den Personengruppen umzugehen. Das bleibt konventionell ohne bieder zu
wirken. Dabei bietet Kupfer einige schöne Ideen auf. Zum Frühstück legt die
Fürstin eine Schallplatte auf das Gramophon – womit der musikalische
Stilwechsel zum Rokokoschnörkel einleuchtend wird. Mit viel Liebe zu den
Kleinigkeiten sind die Personen im Lever gestaltet. Neben Modistin, Hund- und
Teppichhändler bietet ein Patisseur der Fürstin Konfekt an. Sie wählt schon
aus, doch letztlich kann sie an diesem Morgen nicht einmal süßes Naschwerk
beruhigen.
Allerdings gehen viele Details letztlich auf der
riesigen Bühne unter. Die versuchte Slapstickszene mit dem verletzten Ochs auf
der fahrbaren Krankenliege bleibt eher blass. Sehr geschickt sind allerdings
die vermeintlichen Halluzinationen des Ochs im Beisel dargestellt. Und dann
baut Kupfer zu den beiden Liebesbeziehungen im Rosenkavalier noch eine weiteres
sanftes Band ein: der Leibmohr scheint seine Fürstin doch sehr zu verehren:
zärtlich legt er im ersten Akt eine Rose auf den Servierwagen mit der
Schokolade, nicht ahnend, dass sich seine angebetete Herrin hinter der Tür
gerade mit ihrem jugendlichen Liebhaber Octavian verlustiert. Doch so wird die
Marschallin, wenn sie auf Octavian verzichtet hat, der sich ja inzwischen in
die gleichaltrige Sophie verguckt hat, vielleicht nicht einsam bleiben. Ein
geschickter Szenenwechsel im Finale der Oper bringt uns wieder vor die Tür zum
Schlafzimmer der Fürstin, dorthin bringt der Leibmohr das unter der Parkbank
vergessene Taschentuch daran schnuppernd. Ob seine Herrin sein Sehnen bemerkt,
das lässt die Inszenierung offen.
Da dies besonders im ersten und im dritten Akt
offensichtlich wird, ist noch zu erwähnen, dass in Salzburg die komplette
Fassung benutzt wird (während sich landläufig die für die Uraufführung gekürzte
Fassung eingebürgert hat). In der vollständigen Fassung darf der Baron von
Lerchenau der Marschallin ausführlicher und ziemlich derb darlegen, wie er
daheim die holde Weiblichkeit flachlegt. Netterweise bedauert er die
Marschallin, da sie ja nur die verteidigende Rolle einnehmen könne – man
schmunzelt, schließlich weiß man ja als Opernbesucher, wie Frau Marschallin
letzte Nacht verbracht hat. Vor dem Ersten Weltkrieg kollidierte ein solcher
Dialog dann doch heftig mit den üblichen Moralvorstellungen. Viel ausführlicher
ist auch die Szene im Beisel im dritten Akt mit der überraschenden Ankunft des
Edlen von Faninal in die Befragung durch den Vorstadts-Unterkommissarius
schärfer und auch mit mehr Pointen gespickt, wenn sich der Baron von Lerchenau
durch allerlei Ausflüchte herauszureden versucht und seinen künftigen
Schwiegervater nicht erkennen möchte.
Das zweite dominierende Element der Aufführung
ist das unter Franz Welser-Möst bildreich aufblühende Orchester. Wie in der
Barockoper ist es hoch angesiedelt, was den Raum erfüllen lässt mit der reichen
und feinen Orchestrierung der Partitur, was aber leider den Nachteil hat, dass
die Sänger gewissermaßen zu weiteren Orchesterstimmen mit diesem verschmelzen.
Nicht alle Sänger können sich gegen diese
Orchesteropulenz absetzen. Das gelingt noch am ehesten dem in der besuchten
Vorstellung am 11. August zwar indisponierten Günther Groissböck als Baron Ochs
auf Lerchenau, der aber trotzdem mit grandiosem Bass auftrumpft, auch wenn
gelegentlich eine gewisse Heiserkeit zu vernehmen ist und dadurch die Tiefe an
diesem Abend nicht so ganz gelingen will. Dies kompensiert er allerdings mit der
Ausdruckskraft, mit der er einfühlsam die unterschiedlichen Facetten der Rolle
deutlich macht. Er ist dabei nicht einfach der derbe Trampel vom Land sondern
eine selbstbewusste Persönlichkeit.
Die drei Frauenstimmen hätte man gerne etwas
deutlicher gehört. Krassimira Stoyanova kann sich als Marschallin im großen
Festspielhaus noch behaupten. Über Sophie Koch als Octavian hätte man sich in
einem kleineren Theater gefreut, hier ging sie genauso unter wie Mojca Erdmanns
zarte Sophie. Adrian Eröd (Herr von Faninal) wirkt als ihr Vater natürlich
etwas jung, erfreut allerdings mit sicherem Gesang. Völlig unter geht der
italienische Sänger Stefan Pop, dessen Höhe wenig befriedigt. Auch die Anina
von Wiebke Lehmkuhl und der Valzacchi von Rudolf Schasching bleiben ziemlich
blass.
Und immer wieder staunt man über die Mächtigkeit
der Hintergrundbilder. Trotz der vielen Details geht diese Inszenierung nicht
in Kleinigkeiten unter. Die große Geste der Wien-Bilder verschmilzt mit der
Mächtigkeit der Musik. Man hört und schaut und staunt.
Klaus J. Loderer
Besuchte Vorstellung: 11. August 2014
Großes Festspielhaus
Salzburg
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