Der Prophet – Karlsruhe – 2015

Jugendkrawalle 

Meyerbeers Oper „Der Prophet“ am Staatstheater Karlsruhe 

Wohin religiöser Fanatismus führen kann, hat Giacomo Meyerbeer in mehreren Opern thematisiert. In „Der Prophet“ greift er die Geschichte der Wiedertäufer auf.

Der Regisseur Tobias Kratzer gehört zu den wenigen Regisseuren, denen es gelingt, Opern glaubhaft und sogar in den Details stimmig in die Gegenwart zu verlegen. Das hat er nun wieder am Staatstheater Karlsruhe unter Beweis gestellt. Bühnenbildner Rainer Sellmaier hat ihm für „Der Prophet“ ein drehbares Gebäude errichtet, das unten zwei Garagen, oben die Bar der Hauptfiguren Fidès und Sohn Jean nebst deren Schlafzimmer enthält. Der rückseitige Basketballplatz verweist auf die Vorstadt einer französischen Großstadt. Kratzer nutzt die Jugendkrawalle dieser Banlieue als Folie einer religiös fanatisierten Unterschicht. Was in der Oper der Graf Oberthal ist, ist hier der Polizist mit seinem Schläger. Dass für die drei Wiedertäufer auf das Bild der eigentlich friedfertigen Mormonen zurückgegriffen wird, die eifrig Bibeln unter den Jugendlichen austeilen, mag irritieren – man muss es wohl abstrahierend als Sinnbild für das Umschlagen von religiösem oder weltverbesserndem Eifer in Gewalt sehen. Der Besucher wird dies schon mit den entsprechenden aktuellen Bildern verknüpfen. Daraus entwickelte Tobias Kratzer eine spannende Geschichte, in der gut gelungen Themen wie mediale Inszenierung und Verzerrung, falsche Propheten, mediale Lenkung der Massen und Machtmissbrauch eingearbeitet sind. Es sind die grauen Eminenzen der Wiedertäufer, die dies inszenieren. Der eigentliche Prophet Jean wird von ihnen eher getrieben, als dass er bestimmt. Am Ende findet er keine andere Lösung als den Untergang. Im spannenden Showdown sprengt er sich in die Luft.

Musikalisch darf man dem Staatstheater für diese Aufführung gratulieren. Wunderbar ließ sich Johannes Willig mit der badischen Staatskapelle auf dieses schwierige Partitur ein. Man könnte an den Sängern einige verpatzte Töne bekritteln, doch darf man nicht vergessen, daß die Partien von Jean und Fidès gerade zu mörderisch sind. Hier glänzten Ewa Wolak und Erik Renten. Auch sehr gut Agnieszka Tomaszenwska als Berthe. Und auch die Wiedertäufer waren mit Avtandil Kaspeli, James Edgar Knight und Lucia Lucas sehr gut besetzt. Deren wehmütiger Choral zieht sich als Leitmotiv durch die ganze Oper.

In die gesamte Handlung der Oper ist eine ungewöhnliche Gruppe jugendlicher Migranten eingearbeitet. Die Gruppe TruCru lungert am Anfang nur in einem Getränkelager herum und bildet so Lokalkolorit. Im dritten Akt hat sie dann ihren großen Auftritt als Ersatzballett und die Jugendlichen dürfen dann so richtig zeigen, was sie tänzerisch können.

Klaus J. Loderer

Besuchte Vorstellung: 27. Dezember 2015

Staatstheater Karlsruhe

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