Das Land des Lächelns – Oper Dortmund – 2005
Lehárs Operette »Das Land des Lächelns« am Musiktheater Dortmund
»Das Land des Lächelns« ist neben dem Erfolgsstück »Die
lustige Witwe« das meistgespielte Werk Franz Lehárs. Wie in anderen Operetten
Lehárs aus den 20er-Jahren überdeckt auch hier das Motiv einer Liebesentsagung
die frivole Fröhlichkeit früherer Operetten. Mit opernhaftem Pathos ist das
Hauptpaar angelegt, die österreichische Gräfin Lisa und der chinesische Prinz
Sou-Chong. Völlig gegensätzlich ist das Buffo-Paar Gustav und Mi gestaltet.
Vierfach ist dann am Ende trotzdem die Liebesentsagung. Den für die
Entstehungszeit äußerst exotischen Ort des zweiten Teils der Handlung, Peking,
unterlegt Lehár mit entsprechend chinesisch anmutender Musik. War die 1923 in
Wien unter dem Titel »Die gelbe Jacke« uraufgeführte erste Fassung noch eine
verspielt heitere Komödie, betonte Lehár für die zweite Fassung, die 1929 in
Berlin ihre Uraufführung erlebte, das tragische Motiv.
Das Musiktheater Dortmund, das zu den großen und
trationsreichen Theatern des Ruhrgebiets gehört und sein Publikum im
abwechslungsreichen Spielplan regelmäßig mit Operetten erfreut, hat sich nun
dem Land des Lächelns angenommen. Eine eigene Textfassung sollte das Stück
aktualisieren. Ob der Regisseur Ralf Nürnberger Pointen und Verlauf dadurch
verbessert hat, sei einmal dahingestellt. Zum aktuellen Tagesgeschehen passte
zumindest die Frage des Grafen an den chinesischen Gesandtschaftssekretär, ob
in China an diesem Tag auch gewählt worden sei. Wahrscheinlich war an dieser
Stelle noch eine andere Pointe geplant, doch das unbestimmte Wahlergebnis ließ
eine solche wohl nicht zu. Diskret wurden dem Publikum immerhin während der
Vorstellung von der Reihe der Kellner, die gerade das Buffet im gräflichen Haus
Lichtenfels serviert hatten, auf den nunmehr leeren Tabletts die vorläufigen
Wahlergebnisse der Bundestagswahl bekannt gegeben.
Die Anfangsszene in Wien ließ vermuten, dass man eine vom
Kitsch befreite Fassung der Operette erleben sollte. Nüchtern das Bühnenbild
(Ralf Nürnberger), das große und fast leere moderne Wohnzimmer einer Villa mit
chinesischen Versatzstücken - die Chinasammlung der Gräfin Lisa, die schon
während des Vorspiels sehnsüchtig ihr Porzellan betrachtet und in einem Anfall
von Wut fast einen Teller zerdeppert. Sie wird sich noch öfters im Stück an
diesem Teller festhalten. Zeitgenössisch auch die Kostüme (Claudia Rühle), aus
dem österreichischen Feldmarschall-Leutnant wurde ein Bundeswehrgeneral,
dekorativ und leicht schrill herausgeputzt der Damenchor. Einfallsreich wurde
dieser vom Regisseur eingesetzt. Aufgewertet wurden die Nebenrollen der Tante
Hardegg (als Travestierolle Helmut Palitsch) und der Nichte Lore. Dies mag in
letzterem Fall auch am spielerischen Talent von Heike Susanne Daum liegen, die
trotz bescheidenem Dialogeinsatz als eifersüchtige Lore zeitweise die Bühne
beherrschte und die eher blass bleibende Hauptrolle Lisa (Kirsten Blanck)
mühelos zur Seite spielte. Kirsten Blanck schien nicht nur stimmlich von der
Rolle überfordert. Völlig fehlte ihr die nötige Höhe und Leichtigkeit der
Partie. Wohl deshalb wurde im neuen Text schon darauf hingewiesen, dass Lisa
verwitwet sei. Dies vermochte sie auch schauspielerisch nicht auszugleichen.
Dagegen sang Charles Kim den Prinzen Sou-Chong mit leichter, strahlender und
sicherer Höhe und spielte ihn als chinesischen Intellektuellen.
Hätte man im ersten Akt noch eine Verlegung der Handlung in
die Gegenwart vermuten können, wurde man im zweiten belehrt, dass dies wohl
nicht der Interpretationsansatz war. Hier wurde so eine Art China vorgeführt,
das nicht gerade dem heutigen China entspricht: Allerdings chinesische
Versatzstücke statt Chinaromantik. Einige Dinge wurden distanziert überzogen
präsentiert: so belebten Wächter mit riesigen Köpfen und seltsamen Fratzen
immer wieder die Szenerie, die übrigens identisch jene des ersten Akts blieb.
Träumt Lisa etwa die ganze Geschichte nur? Die Zeremonie der Überreichung der
gelben Jacke blieb für das Publikum unsichtbar. Überhaupt gab es gar keine gelbe
Jacke. Vielleicht befand sie sich in einer Kiste, die Sou-Chong in der
anschließenden Szene mit sich herumtrug. Und was die vermeintliche
Kitschlosigkeit angeht: mit Apfelblüten und Sternenhimmeln wurde man doch noch
ausgiebig bedient.
Alles zusammen ergab aber trotzdem nicht unbedingt ein
stimmiges Bild. Die Darstellung dekadenter High Society (erster Akt) gehört
seit Ruth Berghaus zu den leichten Übungen auf der Opernbühne. Viele neue Ideen
und eine geschickte Personenführung belebten diesen Akt. Mit dem zweiten Akt
hörte es aber auch schon mit den überzeugenden Bildern auf. Auch die Regie- und
Kostümeinfälle in den komischen Szenen zwischen Mi, Gustav und dem Obereunuchen
konnten Heike Susanne Daum, Björn Arvidsson und Helmut Palitsch trotz ausgesprochener
Spielfreudigkeit nicht retten. Die Interpretation blieb unbestimmt. Auch das
Orchester unter Günter Wallner konnte nicht wirklich überzeugen. Schwer und
träge ohne Akzente und Transparenz dümpelte es dahin. Eher gelangweilt
gestaltete das Publikum denn auch den Schlussapplaus.
Klaus
J. Loderer
Besuchte Vorstellung: 18. September 2005
Oper Dortmund
Kommentare
Kommentar veröffentlichen