Così fan tutte – Straßburg – 2005

Perfides Intrigenspiel unter südlicher Sonne 

Mozarts »Così fan tutte« an der Opéra national du Rhin in Straßburg

Der schottische Regisseur David McVicar ist für spannende Inszenierungen in stimmungsvollem Ambiente bekannt. Das Publikum der Opéra national du Rhin in Straßburg, wo er vergangene Spielzeit mit Monteverdis »Krönung der Poppea« seinen Einstand gab, wurde von der Neuinszenierung von Mozarts »Così fan tutte« nicht enttäuscht. Dietfried Bernet leitete das Orchestre symphonique du Mulhouse tonschön und transparent.

Das späte 19. Jahrhundert bildet den zeitlichen Hintergrund für Bühnenbild (Yannis Thavoris) und Kostüme (Tanya McCallin) der Straßburger Inszenierung. Von Venedig wird die Handlung auf eine Mittelmeerinsel verlegt, auf der zwei junge wohlhabende Engländerinnen ihre Sommerfrische verbringen - vielleicht sind sie ihren Verlobten in eine der dortigen englischen Kolonien nachgereist, solche fanden sich in dieser Zeit im Mittelmeer: Zypern, Malta, Gibraltar. David McVicar spinnt gerne Geschichten in Räumen, die realistische Assoziationen erwecken und doch noch viel Platz für die Fantasie lassen. Blasierte Offiziere, Dandies, versnobte Damen und ein derbes wie kokettes Dienstmädchen, wie man sie plakativ aus englischen Literaturverfilmungen (und natürlich noch besser aus den literarischen Vorlagen) kennt, bevölkern diese Inszenierung, in der dauerhafte Hochnäsigkeit zu einer unsäglichen Verwicklung führt. McVicar entwickelt die Geschichte in der Art einer englischen Gesellschaftskomödie, wohl beachtend, dass hier wie bei Mozart die Komödie immer zur Tragödie zu kippen droht. Lorenzo da Pontes perfide Geschichte steht dabei den Stücken eines Marivaux nicht nach. Konsequent zur »englischen« Geschichte verfallen die Sänger an einer Stelle im natürlich italienisch gesungenen Text durchaus passend in englischen Akzent.

Yannis Thavoris schuf dafür eine Bühne, die von Szene zu Szene mit einfachen Mitteln aber effektvollen Mitteln neue Räume bildet. Hohe vertäfelte Wände bilden ein südländisches Interieur mit hohen, von Läden verschatteten Fenstertüren. Faltet sich die Wand auf, wird der Ausblick auf eine hohe Küste sichtbar. Der Raum scheint sich in die Unendlichkeit von Meer und Himmel zu weiten. Als besonderes Schmankerl stehen zwei Felsklippen im »Wasser«, die augentäuscherisch sich sogar noch in diesem zu spiegeln scheinen.

Den Rahmen der ersten Szene bildet allerdings einer jener typischen englischen Clubs, in diesem Fall wohl ein (kolonialer?) Offiziersclub. Holzvertäfelungen und Billardtisch verweisen auf den Ort. Dort verleitet der Dandy Don Alonso (Jason Howard), der verkündet, dass alle Frauen untreu seien, Guglielmo (Franco Pomponi) und Ferrando (Alfred Boe), die gerade noch mit der Treue ihrer prahlten zu einer Wette: er werde beweisen, dass auch diese untreu seien. Voller Entrüstung wollen sie Don Alonso zuerst fordern, lassen sich dann aber (ganz englisch) auf eine Wette ein. Als die Männer sich anschließend auf einen angeblichen Feldzug verabschieden, ahnen die Frauen nichts von der drohenden Intrige. Viele Tränen fließen da. Alleingelassen versucht das derbe Hausmädchen Despina (Marie McLaughlin) seine Herrinnen davon zu überzeugen, dass sich schon andere Verehrer finden werden. Die Damen weisen diese Idee zwar strikt zurück, Despina wird mit dieser Einstellung aber schnell zu einer willigen Bundesgenossin des Intriganten Don Alonso, der Guglielmo und Ferrando in fremdartiger Verkleidung ins Haus bringt. In arabischer Verkleidung sollen sie ihre Verlobten verführen. Den geradezu perfiden Angriffen, darunter ein vorgespielter Selbstmordversuch, erliegt zuerst Dorabella (mit schönem Mezzosopran Deanne Meek) und schließlich die gestrenge Fiordiligi (mit perfekten Koloraturen Henriette Bonde-Hansen). Befriedigt kann am Ende Don Alonso verkünden: »Così fan tutte« (So machen's alle). Zum »Showdown« lässt Don Alonso Guglielmo und Ferrando in echter Gestalt zurückkehren und führt ihnen die Indizien der Untreue ihrer Verlobten vor, die inzwischen (in einer vorgetäuschten Hochzeit mit der als Notar verkleideten Despina) ihre Verehrer haben.

Das von Mozart vorgegebene »Happy End« kann nach diesem »Experiment am lebenden Herzen« (Micaela von Marcard) nicht wirklich stattfinden. Ein glückliches Zusammenleben der vier Hauptpersonen kann man sich nicht vorstellen, weshalb die Regietradition der letzten Jahre eher ihre Gebrochenheit betont. Regisseur McVicar lässt in Straßburg das Ende ungewiss.

Klaus J. Loderer


Besuchte Vorstellung: 15. Dezember 2005
Oper Straßburg

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