Buchbesprechung: Christian Benedik: Die Albertina in Wien

Vom repräsentativen Habsburgerpalais zum Kunstmuseum: Die Albertina in Wien 

– Buch von Christian Benedik über die Albertina in Wien – 

von Klaus J. Loderer

Die Albertina in Wien ist vor allem als eine der bedeutendsten grafischen Sammlungen der Welt bekannt. Mit spektakulären Ausstellungen, die weit über den Bereich der Zeichnungen und Druckgrafik hinausgehen, macht die Albertina auch immer wieder auf sich aufmerksam. Aber auch das Gebäude ist bemerkenswert. Hier kontrastiert inzwischen ein moderner Eingangsbereich, der dreist in die alte Augustinerbastei einschneidet, mit dem ehrwürdigen Palais. Das »verstaubte« Grafikkabinett hat sich in den letzten Jahren zu einem modernen Ausstellungszentrum entwickelt. Der spannenden Baugeschichte widmet sich nun ein opulenter Band von Christian Benedik, der mit wunderbaren neuen und historischen Fotos bebildert ist. Diese zeigen eindrücklich die wunderbar restaurierten Innenräume des alten Palais mit ihrer hochrangigen Empire-Ausstattung. Diese Räume sind nun erstmals als »Habsburgische Prunkräume« der Öffentlichkeit zugänglich. Von den alten Ausstattungsstücken konnten 70 Objekte wieder in das Palais zurückgebracht werden. Dass man sich auf den Habsburg-Bezug der Albertina besinnt, ist übrigens durchaus bemerkenswert. Christian Benedik weist darauf hin, dass nach dem Zweiten Weltkrieg der Bezug zu den Habsburgern durch Entfernung der entsprechenden Embleme an der Fassade und deren Vereinfachung »demokratisiert« wurde: »Der demokratische Denkmalssturz tilgte das habsburgische Palais aus dem städtischen Erscheinungsbild, wodurch in der Wahrnehmung nur mehr ein unscheinbares, namen- und geschichtsloses Gebäude existierte (...)«. Direktor Klaus Albrecht Schröder habe schließlich einen Paradigmenwechsel eingeleitet, der die Verbundenheit des Palais mit der Sammlung unterstreiche. Deshalb wurde bei der nunmehr erfolgten Restaurierung die Fassade soweit als möglich rekonstruiert und in den Zustand des späten 19. Jahrhunderts zurückgeführt. Die viele Jahre als Studiensaal und Büros genutzten Räume der Bel-Étage wurden restauriert und in das museale Konzept integriert.

Wirkt das Palais von außen auf den ersten Blick als bauliche Einheit, bemerkt man im Inneren gewisse Unregelmäßigkeiten, die darauf hindeuten, dass das Gebäude doch nicht aus einem Guss entstanden ist. Die komplizierte Baugeschichte analysiert Christian Benedik ausführlich. Er strukturiert diese sinnvollerweise nach den Eigentümern, die das Palais jeweils ihren Bedürfnissen und Repräsentationsansprüchen anpassten. Den Kernbau der Anlage stellt das Palais dar, das Generalhofbaudirektor und Präsident des niederländischen Rats Don Emanuel Teles da Silva Conde Tarouca Mitte des 18. Jahrhunderts nahe der Augustinerkirche errichtete. Der Bauherr war ein enger Vertrauter der Kaiserin Maria Theresia. Integriert wurde in das Gebäude der alte kaiserliche Bauhof. Die Erschließung des auf der Augustinerbastei thronenden Palais erfolgte über eine lange Rampe. Die Eleganz des neuen Palais vermittelt noch heute der interessant geformte Innenhof, der inzwischen als Kassenbereich der Albertina überdacht wurde. Auch spätere Besitzer waren mit der Kaiserin eng verbunden: Erzherzogin Maria Christine und Herzog Albert Casimir von Sachsen-Teschen. Dieser war nicht nur als Statthalter eng mit Ungarn verbunden. Maria Christine brachte große Güter bei Ungarisch-Altenburg mit in die Ehe. Nach der Flucht aus Brüssel, wo das Paar als Statthalter der österreichischen Niederlande lebte, stellte ihm Kaiser Franz 1793 das Palais auf der Augustinerbastei zur Verfügung. 1798 starb Maria Christine. Erst danach setzten die umfangreichen Umbauarbeiten ein, bei denen das Palais durch einen Erweiterungsbau sich in seiner Größe mehr als verdoppelte. Nun entstand die lang Flucht der Prunkräume an der Südseite mit einem zentralen zweigeschossigen Festsaal. Gold- und Wedgwoodkabinett zeigen noch die Innenausstattung der Zeit Alberts. Dass die Innenräume nicht in ihrer räumlichen Folge sondern immer bei den entsprechenden Bauherren angeordnet sind, leuchtet ein. Und Herzog Albert ist natürlich auch wichtig als fleißiger Sammler, der im Laufe seines Lebens eine bemerkenswerte Kunstsammlung anlegte, die immer noch den Kern der Albertina bildet. 1816 gründete Albert einen Fideikomiss, der sein Vermögen als unveräußerlich und unteilbar zusammenschweißte. Adoptivsohn Erzherzog Carl, der 1822 das Vermögen erbte, ließ die Innenräume neu gestalten. In seiner Zeit entstanden sowohl die Folge klassizistischer Vestibüle wie die Raumfluchten in der Hauptetage. Erzherzog Albrecht ließ im späteren 19. Jahrhundert die Fassade im Stil des Ringstraßen-Historismus anpassen. Im Inneren erinnert das Rokokozimmer an seine Zeit. Sein Reiterstandbild wurde 1899 auf der Augustinerbastei aufgestellt. Das Palais erbte sein Neffe und Adoptivsohn Erzherzog Friedrich. Aus dieser Zeit ist das spanische Appartement erhalten.

Kompliziert wie die Baugeschichte ist übrigens auch die Namensgeschichte. Mit den Bewohnern veränderte sich der Name des Gebäudes, da finden sich Bezeichnungen wie »tarokkisches Haus« und »Oberes Palais Erzherzog Albert«. Erst in der Republik Österreich wurde der Name der Grafiksammlung »Albertina« auf das Gebäude übertragen. Das zu den Prunkräumen passende Mobiliar nahm übrigens der letzte Bewohner, Erzherzog Friedrich ins Exil nach Ungarn mit, während Palais und Grafiksammlung enteignet wurden und so in Staatsbesitz kamen.

Die Baugeschichte nach 1919 liest sich als Verfall und unwürdige Umnutzung. Schwer getroffen wurde das Palais im Zweiten Weltkrieg. Allerdings stand auch nach dem amerikanischen Bombardement der Tarouca-Flügel noch. Man ist geradezu schockiert über den »Wiederaufbau«, den Autor Christian Benedik treffend als von »Spitzhacken-Pragmatikern« ausgeführt charakterisiert. Dabei wurde die Auffahrtsrampe abgetragen. Vom Albrechtsbrunnen wurden die meisten Figuren entfernt. Vom Palais wurde die gesamte Fassadendekoration abgeschlagen. Dass allerdings fast das gesamte alte Palais Tarouca abgerissen und durch einen Neubau ersetzt wurde, da ist man doch sprachlos. Da versöhnt dann wieder das letzte Kapitel, in dem die Wiederherstellung der Prunkräume behandelt wird.


Und wer zwischendurch den Überblick über Kaiser, Erzherzöge, Prinzen, Neffen und Adoptivsöhne verloren hat, dem hilft am Ende des Bands ein Stammbaum, auf denen man die Bewohner des Palais leicht zuordnen kann.


Christian Benedik:
Die Albertina
Das Palais und die habsburgischen Prunkräume
1. Aufl. Christian Brandstätter Verlag Wien 2008
ISBN 978-3-85033-215-6
272 S., zahlr. Ill.

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