Paul Abrahams Operette Die Blume von Hawaii – Oper Dortmund – 2017


Exotik auf dem Ozeandampfer 

Paul Abrahams Operette »Die Blume von Hawaii« an der Oper Dortmund

von Klaus J. Loderer

Ein Detail aus dem tragischen Leben des Komponisten nimmt die Neuinszenierung von Paul Abrahams Operette »Die Blume von Hawaii« als Aufhänger. Es wird berichtet, dass Abraham in New York aufgegriffen wurde, wie er mitten auf einer Kreuzung ein imaginäres Orchester dirigierte. Auch diese Szene erleben wir in Dortmund. Doch zunächst wähnt der Komponist die Klänge seiner Operette »Die Blume von Hawaii« von einem Schiffsorchester zu hören, während das Publikum auf die Seitenfront eines riesigen Ozeandampfers schaut. Das nimmt der Komponist zum Anlass einem anderen Passagier von seiner schönen Operette zu erzählen. 

Emily Newton (Suzanne Provence), Ensemble der Oper Dortmund
Fotos: Oper Dortmund
Der Vorhang öffnet sich und der Komponist setzt seine Operette in Szene. Er nimmt dann sogar selbst die Rolle des Gouverneurs von Hawaii an, während der andere Passagier gegen seinen Willen als Jim Boy einspringen muss. Das Bühnenbild zaubert uns derweilen eine exotische Showbühnenkulisse herbei, in der viele Details wie stilisierte riesige Koffer, vergrößerte Kofferaufkleber und Reiseplakate an die legendären Atlantiküberquerungen erinnern. Später brechen alle diese Bilder als Einbildung des psychisch kranken Komponisten zusammen, der meint, von Amerika nach Deutschland zu reisen. Der andere Passagier stellt sich letztlich als Arzt in der Psychiatrie heraus, der den Komponisten trocken darüber belehrt, dass er keineswegs auf einem Schiff sei, sondern in einer Heilanstalt und auch nicht per Schiff von Amerika nach Europa reisen sondern im Flugzeug nach Hamburg fliegen werde. Bei Stichwort Hamburg fällt dem Komponisten dann gleich der entsprechende Song in der Operette ein. So ganz nebenbei bringt man dem Publikum das Leben Paul Abrahams bei und es fließen auch die vielen Mythen, die es um sein Leben gibt, ein. Extrablätter mit den neuesten Geschichten aus dem Leben des Komponisten, der kurze Zeit in Berlin als Starkomponist immer neuer Operettenerfolge produzierte, werden verkauft. Der Komponist deutet dann selbst die ominöse Geschichte um seine angebliche Bankierslaufbahn in Budapest an. Paul Abraham stammt ja aus dem Königreich Ungarn und wurde in Apatin an der Donau im heutigen Serbien geboren. Mit den biographischen Einsprengeln über die Flucht in die USA vor den Nazis, das Aufführungsverbot im Dritten Reich und die Fotos vom körperlichen Zerfall des Komponisten bekommt diese quirlige Operette aber auch einen tragischen Aspekt. Jim Boys Song »Bin nur ein Jonny« wird dann zur Anklage der Diskriminierungen – bei Jim als Schwarzer, bei Abraham als Jude.

Emily Newton (Suzanne Provence), Ensemble der Oper Dortmund

Aber das sind die Zutaten der kurzweiligen und intelligenten Regie von Thomas Enzinger. Die Librettisten Alfred Grünwald und Fritz Löhner-Beda, damals Garanten für eine erfolgreiche Operette, von denen auch schon der Text zur Abraham-Operette »Viktoria und ihr Husar« stammte, entwarfen einen Plot auf der exotischen Insel Hawaii. Für die nötigen Verwicklungen sorgte eine kritische politische Situation, nämlich die Annexion der Insel durch die USA. Das ist der historische Hintergrund aus dem späten 19. Jahrhundert, das Auftauchen einer Prinzessin, die zur Königin gekrönt werden soll, ist dann Erfindung der Autoren. Jedenfalls geht es in der Operette um Prinzessin Laya, die als angebliche Jazz-Sängerin Suzanne Provence nach Hawaii inkognito reist. Natürlich hat sich der Kapitän des Schiffs in sie verliebt. Aber sie wurde schon als kleines Mädchen mit dem Prinzen Lilo-Taro verlobt, den sie nun heiraten soll. Die Krönungszeremonie im Zentrum der Operette sorgt dann für politische Verwicklung. Der amerikanische Gouverneur will sie verhindern. Kapitän Stone soll die Prinzessin verhaften, weigert sich aber die geliebte Frau in Arrest zu nehmen, was wiederum Laya beeindruckt. Prinz Lilo-Taro, obwohl Schwarm aller Frauen, möchte darauf sein Leben beenden, wird aber vom Kapitän gerettet, was wir dann im dritten Akt erfahren, in dem dann in Monte Carlo alle Beteiligten wieder aufeinander treffen und nun auch die echte Suzanne Provence auftaucht, was nun ein Happy End ermöglicht, indem die Frau nun quasi verdoppelt beide Verehrer heiraten kann. Natürlich gibt es auch noch ein Buffo-Paar: John Buffy ist scharf auf die Tochter des amerikanischen Gouverneurs, die aber nur Augen für Prinz Lilo-Taro hat, bis sie es ihr John Buffy schwarz-auf-weiß zeigt, dass sie beim Prinzen keine Chancen. Eine wichtige Rolle spielt auch der Schwarze Jim Boy, der Show-Partner von Suzanne Provence.



Nun dient diese kuriose Handlung der 1931 in Leipzig uraufgeführten Operette natürlich vor allem dazu, spektakuläre Musiknummern unterzubringen. Abrahams Musik reicht dabei vom Liebesduett in großer Operettentradition, das auch Lehár nicht schöner hätte gestalten können, bis zu vom Jazz beeinflussten flotten Nummern, die die damals modernen Tänze wie Foxtrott und Charleston verarbeiten. Dabei ist die Kuriosität, dass Abraham mühelos Melodien seiner ungarischen Tradition in Modetänze umbaut. Das Dortmunder Publikum kennt viele der Melodien – immer mal wieder wird mitgesummt. »My golden baby« ist wahrscheinlich das bekannteste Stück. Immer wider zieht sich das Motiv der »Blume von Hawaii« durch das Stück. Die früher einmal sehr populäre Operette wird inzwischen nur noch sehr selten aufgeführt. Eine Besonderheit der Dortmunder Produktion, die am 21. Januar Premiere hatte, ist die Rekonstruktion der Partitur durch Henning Hagedorn und Matthias Grimminger.



Sehr effektvoll gestalten sich an der Oper Dortmund die großen Chorszenen. Bei der Operette muss man sich eben auf Kitsch einlassen. Und das hat man in Dortmund mit einem wirklich schönen Ergebnis getan. Dabei schreckte Bühnen- und Kostümbildner Toto auch vor Klischees nicht zurück. Dazu zählen bei Hawaii an erster Stelle die sogenannten Hawaiihemden. So sind die Operetteninsulanerinnen und -insulaner mit üppigen Blumenmustern ausstaffiert und auch die Kleider der Tänzerinnen sind immer wieder von Blüten inspiriert, genauer gesagt vom Hibiskus, der hier als sehr passendes Symbol der Operette herhält, auch wenn mit der »Blume von Hawaii« natürlich eigentlich die Prinzessin gemeint ist. Heraus kam eine farbenfrohe- und bunte Produktion. Der drehbare Aufbau im Zentrum und die wechselnden Hintergrundbilder bringen Abwechslung. Für einen kurzweiligen Abend sorgen natürlich auch die zahlreichen Tanzeinlagen, für die Choreograph Ramesh Nair flotte Tanzfolgen erarbeitete, die nicht nur das Tanzensemble sondern auch die Gesangssolisten ganz schön auf Trapp halten.



Unangefochtener Star des Abends ist Emily Newton als Prinzessin Laya, der man auch sofort abnimmt, dass ihr alle Männer zu Füßen liegen. Mit ihrem schönen Sopran brilliert sie in der Rolle. Marc Horus gibt den Prinzen Lilo-Taro als Inselschönling, dem alle Frauen nachschmachten. Für die Aufführung am 27. Januar zwar als indisponiert gemeldet, singt er die Partie doch mit strahlendem Tenor. Fritz Steinbacher steht als anderer Tenor in der Rolle von Kapitän Stone nicht zurück. Als munterer Tänzer wie als guter Sänger tritt Gaines Hall als Jim Boy auf. Jens Janke mimt den Sekretär John Buffy mit viel Elan. Dagegen ist Karen Müller als Bessie nicht so überzeugend. Und natürlich spielt Mark Weigel mit der für diese Inszenierung dazu erfundenen Rolle als Paul Abraham eine wichtigere Rolle ein als sonst als Gouverneur. Leider geht das Orchester durch die elektronische Verstärkung der Sänger etwas unter. Dabei arbeitet Philipp Armbruster mit den Dortmunder Philharmonikern die unterschiedlichen Stimmungen vom Liebesschmelz bis zur flotten Tanzmusik akzentuiert und überzeugend heraus.


Besuchte Vorstellung: 27. Januar 2017
Oper Dortmund

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