Ausstellung László Moholy-Nagy – Ulm – 2014

Skizzen von Soldaten 

Ausstellung »Grüße aus dem großen Krieg«, Feldpostkarten von László Moholy-Nagy 1917–1918, im Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm 

Es ist ein Handabdruck, den das Donauschwäbische Zentralmuseum in Ulm als Signet seiner neuen Ausstellung benutzt. An der Eingangswand begegnet die linke Hand gleich in drei verschiedenen Farben. Man erkennt die Struktur der Hand, der Daumen ist irgendwie verformt. Es ist die Hand von László Moholy-Nagy, des später bekannten Bauhauskünstlers. Der Handabdruck entstand erst 1926, doch kann man den verkrüppelten linken Daumen erkennen. Wie es dazu fast zehn Jahre früher kam, erfährt man in der Ausstellung. Hier beschäftigt man sich mit dem später bekannten Bauhausmeister in einer Zeit, die für ihn wenig erfreulich ist. Er steckt mitten im Ersten Weltkrieg und ist frisch verwundet. »Mein lieber Iván, gestern Abend hat ein verfluchter Splitter das Fingerglied meines linken Daumens fast abgerissen. So sitze ich hier im Bett und warte darauf, in ein anderes Lazarett transportiert zu werden,« schrieb er am 2. Juli 1917 an seinen Freund Iván Hevesy. Er schrieb dies jenem Freund, den er im Laufe des Krieges in Form gezeichneter Feldpostkarten bildlich über sein Leben an der Front informierte. 350 Feldpostkarten hat László Moholy-Nagy zwischen Mai 1915 und Oktober 1918 gezeichnet. Eine Auswahl aus den Jahren 1917 und 1918 ist nun in einer Ausstellung im Donauschwäbischen Zentralmuseum zu sehen.


Drei Soldaten, Zeichnung von László Moholy-Nagy 1917

Wenn man den vorangehenden Lebenslauf des jungen Mannes betrachtet, mag man über diese Form der Feldpostkarte erstaunt sein. Er wurde 1895 in Bácsborsód bei Baja als Sohn eines jüdischen Gutsverwalters geboren. In Mohol (heute Mol in Serbien) wuchs er bei einem Onkel auf. Aus dem Ortsnamen und dem Namen des Onkels kreierte er später seinen neuen, ungarischer klingenden Namen, denn eigentlich wurde er ganz bieder als László Weisz geboren. Bereits kurz nach dem Beginn seines Jurastudiums kam die Einberufung zum Kriegsdienst. Erst nach Kriegsende lernte er in Budapest die künstlerische Avantgarde kennen und engagierte sich mit dem Manifest aktivistischer Künstler. Wegen des konservativen politischen Umschwungs verließ er allerdings Ungarn. Über Wien und Berlin kam er schließlich nach Weimar. Am Bauhaus wurde er 1923 Lehrer und Formmeister der Metallwerkstatt und beschäftigte sich mit Typografie experimenteller Fotografie und Filmen. Am Bauhaus in Weimar und später in Dessau arbeitet er eng mit Walter Gropius zusammen. Bekannt wurde er durch seine abstrakten Bilder und seine Fotos. 1934 emigrierte er über Amsterdam und London in die USA. In Chicago gründete er das New Bauhaus und 1939 die School of Design. Allerdings starb er bereits am 24. November 1946 in Chicago an Leukämie.


Fahrradfahrer im Gespräch, Zeichnung von László Moholy-Nagy 1918
Fotos: DZM

Die in Ulm ausgestellten Feldpostkarten haben noch wenig mit dem späteren Bauhauskünstler zu tun. Als er im Mai 1915 von der ungarischen Armee zum Kriegsdienst eingezogen wurde, erhielt er eine Ausbildung zum Kadett-Aspiranten der Artillerie. Am 6. Februar 1916 wurde er als Aufkläreroffizier und Zugskommandant zum ungarischen Feldartillerie-Regiment nach Galizien abkommandiert. Gleichzeitig skizziert er fleißig im Feld. Er nutzt dazu kleine Feldpostkarten, auf die er mit Bleistift, Buntstiften und Kreide kritzelt.

Auf diesem einheitlichen Format, dessen Abwechslung nur in Hoch- oder Querformat liegt, skizziert er das Leben an der Front. Auffällig ist, dass er keinerlei Kriegshandlungen abbildet und man findet auch keine lokalisierbaren Dinge. Er zeichnet keine Landschaften, Häuser, Brücken oder Städte. Er skizziert Menschen in ganz alltäglichen Verrichtungen. Es sind zumeist Soldaten in Uniform. Man findet aber auch Frauen in Trachten oder in städtischer Kleidung. Oft zeichnet er die Soldaten von hinten oder schräg hinten. Ganz selten ist ein Gesicht zu erkennen. Es ist nicht das Porträt, das ihn interessiert. Oft sind die Profile fast karikaturenhaft überzogen. Eher geht es um die Stellung der Menschen, das lässige Anlehnen an einer Wand oder das Liegen auf dem Bett. Woran sie allerdings lehnen, das lässt Moholy-Nagy oft aus. Der Gezeichnete lehnt eben, woran auch immer. Einmal wird die schräge Linie hinter dem lehnenden Soldaten als Berg bezeichnet, was auch groteskt wirkt. Aber eine realistische Umgebung scheint Moholy-Nagy nicht zu interessieren. So wirken die Figuren oft wie herausgerissen oder ausgeschnitten. Immerhin treibt er einen gewissen Aufwand mit den Farben.

Die 114 ausgestellten Feldpostkarten von László Moholy-Nagy sind Besitz der ungarischen Látványtár Kunststiftung & Sammlung. Die Ausstellung ist bis zum 19. Oktober 2014 im Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm zu sehen.

Klaus J. Loderer

2014
Donauschwäbisches Zentralmuseum Ulm

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