Ariadne auf Naxos – Antwerpen – 2005
Gesellschaftsereignis in einem feinen Haus
Richard Strauss’ Oper „Ariadne auf Naxos“ an der Flämischen Oper
Einmal nicht nur mit dem Blick hinter die Kulissen lässt der
schottische Regisseur Paul Curran seine „Ariadne auf Naxos“ beginnen. Vom
ersten Augenblick stimmt er das Publikum auf die bevorstehende festliche Soiree
im Haus eines reichen Mannes ein. Eine weiße Wand mit barocken Stuckelementen
auf ansonsten leerer Bühne lässt das Ambiente eines alten Stadtpalais
anklingen, während die Kostüme zeigen, dass der Regisseur die Handlung in der
Gegenwart ansiedelt. Ein Lakai mit Sektgläsern und der Haushofmeister mit
Gästeliste empfangen die eleganten Gäste und scheiden sie von den ebenfalls
eintreffenden Künstlern.
Eine Drehung der Bühne und wir erleben die Kehrseite des
feinen Hauses: geschickt sind in die Rückseite der Wand die zur
Künstlergarderobe umgewidmeten Nebenräume integriert, die weit weniger
prachtvoll sind als die Eingangshalle (Bühne und Kostüme: Kevin Knight). Eng
geht es hier zu und hektisch. Der Küchenzugang führt gar durch die
Primadonnengarderobe. Geschickt nutzt Paul Curran die kleinen Gelasse für
parallele Handlungszüge aus. Kleine Nebenszenen entstehen da, wodurch alle
Personen äußerst individuelle Züge bekommen: die hochnäsige Primadonna, der
lüsterne Tenor, die flirtfreudigen Sängerinnen, kartenspielende Tänzer. Ein
nettes Kammerspiel ist der Streit zwischen Primadonna und Zerbinetta um die
Nutzung derselben Garderobe. Immer wieder kollidieren die Vorbereitungen für
die Oper mit der die Speisen auftragenden Dienerschaft, die ihre Tabletts durch
die Garderoben trägt. Gelungen ist die Textironie durch feine Bildironie
ergänzt.
Auch den zweiten Teil lässt Curren mit Parallelhandlungen
beginnen, indem er Personen aus dem ersten Teil übernimmt. Rechts sieht man den
immer noch kürzenden Komponisten und den dirigierenden Musiklehrer, links
anfänglich leere Stühle, auf denen sich das Publikum niederlässt. Natürlich
kann Curren hier von einer Parodie des „typischen“ Publikums nicht lassen, das
erst zu spät kommt, zwischendurch draußen rauchen muss, einschläft und
schließlich mit Einsetzen des Lustspiels in der „italienischen Buffo-Manier“
entsetzt den Saal verlässt. Als letzter Zuschauer bleibt der Haushofmeister
übrig und betrachtet „seine“ Oper. War die „Oper“ anfänglich selbst als Parodie
einer dilettantisch in altmodischen Kulissen aufgeführten „Opera seria“
angelegt, emanzipiert sie sich mit Verschwinden des Publikums (und des
Auftraggebers) und entrückt aus der Enge des Hauses in kosmische Sphären eines
unendlichen Weltraums, in dem schließlich Ariadne und Bacchus völlig alleine
bleiben.
Souverän meisterten Mariana Zvetkova und Jeffrey Dowd in der
letzten Vorstellung am 15. Oktober diese Rollen. Als Komponist beeindruckte
Stephanie Houtzeel. Sine Bundgaard (Zerbinetta) blieb leider blass. Äußerst
lebhaft führte Ivan Törzs das Symphonieorchester der flämischen Oper durch den
ersten Teil, umso mehr ließ er im zweiten Teil Akzente vermissen.
Klaus J. Loderer
Besuchte Vorstellung: 15. Oktober 2005
Vlaamse Opera, De Singel Antwerpen
Kommentare
Kommentar veröffentlichen