Richard Strauss: Ariadne auf Naxos – Reisopera – 2016
Antike Orgie im
Haus eines reichen Mäzens
Fulminante „Ariadne
auf Naxos“ der Nederlandse Reisopera in Amsterdam
Endlich mal wieder einmal eine Opernvorstellung, die ein pures
Vergnügen war. Überhaupt habe ich ja in Amsterdam schon viele schöne
Opernaufführungen erlebt. Die Nationaloper bietet üblicherweise eine gute
Qualität. Ansonsten besitzen die Niederlande zwar viele Theatergebäude, einige
Orchester, Schauspiel- und Ballett-Ensemble aber kein festes Opernhaus. Noch nicht einmal
Rotterdam oder Den Haag besitzen Opernensemble. Aber die niederländischen
Städte müssen nicht ohne Oper auskommen, denn die Niederlande besitzen eine
Tourneeoper, die Nederlandse Reisopera. Eine deren Produktionen wollte ich
schon immer mal sehen.
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Schlussbild „Ariadne auf Naxos“ der Niederlande ReisoperaFoto: Marco Borggreve |
Nun hat es endlich einmal geklappt. Es hat sich zwar nicht
ergeben, eines der vielen historischen Theater des Landes zu sehen, weil ich
die Produktion „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss fast verpasst hätte.
Aber es gab noch zwei Vorstellungen in Amsterdam. So bot sich immerhin die
Gelegenheit, einmal das Königliche Theater Carré kennenzulernen.
Die Reise hat sich zweifelsohne gelohnt, denn die Produktion,
die Laurence Dale als Regisseur zusammen mit Gary McCann als
Bühnen- und Kostümbildner geschaffen hat, war einfach wunderbar. Eine
Kassettendeck und in den Raum gestellte Würfel, von denen einige mit
unterschiedlich großen antiken Masken besetzt sind, bilden den Rahmen der
Aufführung. Diese Bacchusmaske mit Lorbeerkranz ist das Grundmotiv dieser Inszenierung,
später wird sich der Haushofmeister kurz als Gott verkleiden und im zweiten
Teil werden die drei Begleiter der Zerbinetta als Merkur auftreten – dieser
Götterbote, den Ariadne ja erwartet. Eine weitere Maske wird zu Beginn der
Sammlung des reichsten Mannes von Wien zugefügt, der hier übrigens als Person
vorhanden ist und im violetten Anzug als distinguierter Kunstmäzen von Welt
gekennzeichnet ist, die Organisation seines Fests allerdings in dieser
Inszenierung nicht seinem Haushofmeister – so etwas haben Privatleute heute
eher nicht mehr – sondern seinem jugendlichen Liebhaber. Und da zeigt es sich,
dass wenn man den Sprechtext bewusst flapsig dahersagt, dass er eigentlich gar
nicht so antiquiert wirkt wie sonst. Überhaupt zeigt diese Aufführung, wie
modern diese Oper eigentlich ist, man muß nur das entsprechende Ambiente
schaffen. Und Laurence Dale, der nach seiner leider viel zu früh zu Ende
gegangenen Tenorkarriere nun als Regisseur interessante Sachen produziert, sind
noch weitere schöne Dinge zu dieser Oper eingefallen. Intrigen, Eitelkeiten und
Eifersüchteleien der beteiligten Personen funktionieren natürlich auch hier.
Das Personal der ernsten Oper und die Buffonisten unterscheiden sich schon in
den Kostümen deutlich: die antiken Damen sind mit dunklen Reifröcken angetan,
Zerbinetta eine Revuetänzerin mit üppig rosa Federarrangement, das ihr die
Tänzer dekorativ hinterhertragen.
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Bühnenbild von Gary McCann für „Ariadne auf Naxos“ der Niederlande ReisoperaFoto: Marco Borggreve |
Dale zeigt sie an vielen Stellen in neuem Licht. Drei Tänzer und
eine Tänzerin mischen sich als Gäste immer wieder unter die Künstler. Der
Komponist ist hier nicht nur kurzzeitig von der Zerbinetta fasziniert, er läßt
sich auf einen heftigen Flirt mit ihr ein. Und wenn in der eigentlichen Oper
normalerweise der Harlekin die Zerbinetta zu einem tête-a-tête entführt, ist es
hier der Komponist, woraus sich dann übrigens eine in rotes Licht getauchte
regelrechte Orgie entwickelt, in die dann auch der Haushofmeister und der
Hausherr sich einmischen. Eigentlich sind nur der schmollende Harlekin und die
spröde Ariadne daran nicht beteiligt. Daraus erwacht man dann etwas
schlaftrunken, als der Gott Bacchus auftaucht und sich Najade, Dryade und Echo
schnell wieder ihre Reifröcke überziehen.
Der Bühnenhintergrund wandelt sich durch Videoeinspielungen, sei
es ein Blick auf das Meer oder zur Erzählung des Bacchus vom Feuertod seiner
Mutter eine Feuersbrunst. Natürlich darf zum großen Ariadne-Bacchus-Duett ein
Blick in das Weltall nicht fehlen und zum dekorativ arrangierten Schlussapplaus
gibt es dann auch endlich das Feuerwerk – zumindest als Projektion im
Hintergrund.
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„Ariadne auf Naxos“ der Niederlande ReisoperaFoto: Marco Borggreve |
Auch gesanglich war die Aufführung hervorragend. Da ist vor allem
Karin Stornos als Komponist zu nennen. Jennifer France meisterte die
Koloraturen der Zerbinetta bravourös. Soojin Moon-Sebastian sang die Ariadne
solide (wenn man in der Einführung Mitzi Jeritza – die Uraufführungsariadne in
Stuttgart – einspielt, ist der Maßstab hoch angesetzt). Antonino Fogliani
leitete das Noord Nederlandse Orkest.
Besuchte Vorstellung: 9. Oktober 2016
Theater Carré Amsterdam
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