Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka inszenieren Puccinis Oper »La Bohème« – Staatstheater Nürnberg – 2015
Lust und Leid der Künstler
Puccinis Oper »La Bohème« in einer Inszenierung von Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka am Staatstheater Nürnberg
Mit ihren Inszenierungen sorgen Alexandra Szemerédy und
Magdolna Parditka seit einiger Zeit in Deutschland für Aufsehen an den Opernbühnen.
Nun interpretierten sie an der Oper Nürnberg Puccinis Oper »La Bohème«. Wie
immer entwarfen sie auch Bühnenbild und Kostüme für ihre Inszenierung. »La Bohème«
verlegten sie aus dem 19. Jahrhundert in die Zeit unmittelbar nach dem Zweiten
Weltkrieg. Da kann man sich eine an Tuberkulose sterbende Frau gerade noch
vorstellen. GIs und Schwarzhändler bevölkern die Straßenszene, auf der Suche
nach Alkohol und Glück in diesem grauen Paris.
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Csilla Csövari als Musetta in »La Bohème« in Nürnberg
Fotos: Staatstheater Nürnberg
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Für das triste Dachatelier der vier Künstler (der Dichter
Rodolfo, der Maler Marcello, der Musiker Schaunard und der Philosoph Colline)
öffnet sich zunächst nur ein Teil der Bühnenöffnung. Dem Tisch fehlt ein Bein,
es muss mit Büchern gestützt werden. Links führt eine Glastür in ein Vorzimmer.
Es ist Winter und kalt, Rodolfo verbrennt ein Manuskript im Ofen, um zu heizen.
Schaunard hat hier nicht den Papagei eines reichen Engländers in den Tod
gespielt, sondern moderner als Weihnachtsmann gearbeitet. Weiter oben geht dann
zeitweilig noch ein kleines graues Kämmerchen auf: das Zimmer von Mimi, karg,
ein Stuhl, eine Glühbirne. Um die Geschichte mit der erloschenen Kerze in das
Zeitgefüge einzupassen, hatten Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka eine
Idee: In der Szene mit dem Hauswirt taucht überraschend auch dessen Ehefrau
auf, die den Künstlern den Strom abdreht. Nun hat auch Mimì kein Licht mehr.
Sie fragt dann eben in der Nachbarschaft nach Licht für eine Kerze. Das ist dann
die Gelegenheit, dass sich Mimì und Rodolfo kennenlernen. Beide zögern dann den Augenblick noch
hinaus, indem sie dem Luftzug, der die Kerze auspustet, etwas nachhelfen. Beide
entschwinden am Ende des ersten Akts frisch verliebt durch einen aufklaffenden
Riss in der Wand in eine andere Welt. Erst im zweiten Akt öffnet sich die ganze
Bühnenöffnung. Eine Straßenszene mit Café am Weihnachtsabend wird sichtbar. Im
ersten Stock des Cafés tummeln sich allerdings gewisse Damen, die auf
Kundschaft warten. Zur Zeit passend bekommt Mimi eine rote Baskenmütze. Hier
taucht nun auch Musetta mit ihrem Verehrer Alcindoro auftaucht. Das Regieteam lässt
Musetta ihn plakativ als Hund an der Leine vorführen. Allerdings serviert sie
ihn schnell ab, als sie ihren Exfreund Marcello entdeckt, für den sie sofort
wieder entbrennt und eine kleine Komödie aufführt, um ihren Verehrer loszuwerden. Vor dem Kellner mit der Rechnung retten sich die Künstler mit den beiden
Damen in ihr Atelier, das sich von links auf die Bühne schiebt.
Auch im dritten
Akt sind beide Bereiche sichtbar. So kann sich Mimì, wenn sie auf Rodolfo wartet
und hört, wie er über sie mit dem Maler Marcello spricht, der in dieser Inszenierung
sogar als Barmann sich verdingen muss, in das Atelier flüchten, in dem ein verdorrtes
Weihnachtsbäumchen ihre trostlose Lage noch mehr verdeutlicht. Während Marcello
und Musetta keifend aufeinander einprügeln, versöhnen sich Rodolfo und Mimì
wieder.
Im vierten Akt kleckst Marcello immer noch mit roter Farbe
herum (eine Anspielung darauf, dass er in der Oper und im als Vorbild dienenden
Rom das Bild »Das rote Meer« malt). Statt der Spielszene vergnügen sich
unsere Künstler in Nürnberg mit Bodypainting. Ergreifend gelingt dann doch das
tragische Ende mit dem Tod von Mimì.
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»La Bohème« in Nürnberg: Hrachuhí Bassénz als Mimi und Csilla Csövari als Musetta |
Mit vielen aus dem Libretto entnommenen und neu
interpretierten Details haben die beiden Ungarinnen Alexandra Szemerédy und
Magdolna Parditka »La Bohème« aufgefrischt und erneuert. Die Örtlichkeiten
wurden etwas gestrafft, indem das Atelier fast dauerhaft auf der Bühne präsent
ist und die Gaststätten des zweiten und dritten Akts zu einer verschmolzen: aus
dem Café Momus des zweiten Akts wird im dritten eine Americain Bar.
Der auch aus Ungarn stammende erste Kapellmeister Gábor Káli
akzentuierte die Partitur deutlich und vielschichtig. In der Vorstellung am 27.
November sang Csilla Csövari die Rolle der Musetta mit schönem Sopran. Sie traf
dabei das richtige Maß zwischen der Verführerin und der Liebenden. Sehr schön
interpretierte sie den sog. Musetta-Walzer im zweiten Akt. Genauso Ein Glücksfall
ist aber auch Hrachuhí Bassénz als Mimì. Ilker Arcayürek bot mit schön
gestaltetem Tenor einen wunderbaren Rodolfo. Auch die anderen Künstler, Levent
Bakirci als Marcello, Daniel Dropulja als Schaunard und Alexey Birkus als
Colline waren gut besetzt.
Klaus J. Loderer
Besuchte Vorstellung: 27. November 2015
Opernhaus Nürnberg
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