Aida – Bonn – 2014

Der gedoppelte Zuschauerraum 

Dieter Richter gestaltet das Bühnenbild für Verdis Oper Aida an der Oper Bonn 

Verdi hat mit Aida die klassische Ägypten-Oper komponiert. Wo die Oper Aida heute spielt, ist mit jeder Inszenierung eine Überraschung – nur in Ägypten spielt sie an deutschen Theatern üblicherweise nicht mehr. In der Oper Bonn verlegten Regisseur Dietrich W. Hilsdorf und Bühnenbildner Dieter Richter die Handlung für die Neuinszenierung am 14. Februar an den Rhein. Statt der Bonner Republik schufen sie ein Bonner Königreich, das im Opernhaus seine repräsentativen Staatsakte abhielt. Dessen realer Zuschauerraum bot die Architekturmotive für das Bühnenbild – die hölzerne Wandvertäfelung setzte sich auf der Bühne weiter fort. Eine lange Treppe führte zum ersten Rang hinauf – auch dies eine Spiegelung des echten Zuschauerraums.

Konsequent wurde der Triumphzug im zweiten Akt als Festakt im Theater inszeniert, wie man das eben bei politischen Staatsakten gewohnt ist. Das Orchester wanderte dafür auf die Bühne, der Orchestergraben wurde abgedeckt. Das Publikum erhielt Handzettel mit dem Ablauf des »großen Festakts anlässlich des Sieges unserer tapferen Streitkräfte über die barbarischen und feigen Horden der Aggressoren«. Zur Huldigung hatte sich der König eingefunden. Der Chor vereinnahmte die Treppen des Zuschauerraums – das macht Regisseur Hilsdorf gerne. Mit den Veteranen des letzten Krieges und jenen des vorletzten Krieges karikierte Hilsdorf Militärparaden. Mit den Witwen, die ihr Säuglinge dem nächsten Krieg weihen, trieb er das auf die Spitze – und überspitzte es gleich noch mit der Übergabe der Trophäen des Kriegs, nämlich abgehackten Gliedmaßen, die da hereingetragen wurden. Dass die Memphis-Twins an den Karneval erinnerten, goutierte das Bonner Publikum genüsslich und freute sich über Sarotti-Mohren und Gorillas mit Bananenröckchen, die sich im Saal herumtrieben. Der Festakt sollte mit der Hinrichtung gefangener Barbaren enden. Dazu kam es dann doch nicht, bekanntlich bittet ja der Feldherr um die Begnadigung der äthiopischen Kriegsgefangenen, weil Aidas Vater darunter ist. Das angekündigte große Siegesfest mit Musik und Tanz musste dann allerdings auch ausfallen, weil der König von einem der Priester in seiner Loge umgebracht wurde. Nach dem für die Bonner Inszenierung erfundenen Attentat und dem allgemeinen Tumult (auf der Bühne) musste der Zuschauerraum geräumt werden – damit die Bühne für den dritten Akt wieder umgebaut werden konnte.

Die rahmende Szenenabfolge, in der wir eine Militärdiktatur erleben, die von einer Priesterdiktatur abgelöst wird, blieb spannend, da man wechselweise den ganzen Bühnenraum oder nur kleine Ausschnitte sah. Wenn am Ende Radames in das Verlies nach unten steigt, fährt die ganze Bühne nach oben und gibt den Blick frei auf einen düsteren unterirdischen Raum, in dem er dann zusammen mit Aida sein Leben aushaucht, während oben Amneris das Schicksal ihres Verlobten bedauert. In einschüchtender Uniform bzw. blauem Abendkleid (Kostüme Renate Schmitzer) bot Amneris in Bonn einen deutlichen Kontrast zur tatsächlich schwarzen Aida Yannick-Muriel Noah. Für die Szenen am Nil bot ein transparenter Vorhang mit aufgemalter Rheinpromenade das passende Ambiente.

Gesanglich boten vor allem die tiefen Herrenstimmen Mark Morouse (Amonasro), Priit Volmer (König) und Rolf Broman (Ramfis) herausragende Leistungen. Tenor George Oniani (Radamès) bewies, dass er diese schwierige Tenorpartie stemmen kann. Lieder ging er immer wieder zu sehr auf Lautstärke, dabei zeigte er in den zurückhaltend gesungenen Momenten größere Einfühlsamkeit. Tuija Knihtilä bot eine von Eifersucht getriebene Amneris, deren tiefe Lagen einen brodelnden Kessel der Leidenschaft entfachten. Sicher führte Johannes Pell in der Vorstellung am 17. Mai das Beethoven-Orchester Bonn, mal von einfühlsamer Sanftheit, mal mächtig und zum Fortissimo aufbrausend.

Klaus J. Loderer
Besuchte Vorstellung: 17. Mai 2014
Oper Bonn

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