Handels Oper "Agrippina" – Theater an der Wien – 2016

Im umgekehrten Colloseo Quadrato 

Robert Carsen inszeniert Händels Oper „Agrippina“ im Theater an der Wien 

Händels Oper „Agrippina“ über die Ehefrau des Kaisers Claudius und Mutter Neros ist schon besonders perfide. Agrippina intrigiert nicht nur besonders machtlüstern, sie ist am Ende auch noch erfolgreich. Am Theater an der Wien hat Robert Carsen die Oper jetzt inszeniert. Ausstatter Gideon Davey hat dazu den Palazzo della civiltà italiana, den über dem Tiber thronenden Würfel, markantestes Zeichen der faschistischen Architektur in Rom, den die Römer als Colosseo Quadrato bezeichnen, nachbauen lassen. Allerdings hat man ihn geradezu umgestülpt. Aus dem Würfel mit seinen großen Arkadienreihen wurde ein Innenraum, der in kleiner Fassung das kaiserliche Arbeitszimmer, etwas größer Poppeas Schlafzimmer und ganz groß das Kaiserschwimmbad wurde.

„Agrippina“ im Theater an der Wien
Foto: Werner Kmetitsch

Immer, wenn der Vorhang wieder aufging, war man erstaunt über die neuerliche Verwandlung. Da gab es keinen Leerlauf. Mit der Verlagerung einiger Arien auf die Vorderbühne ließ sich in dieser Zeit das Bühnenbild umbauen. Mit den Kostümen wurde das Stück in die Gegenwart verlegt und gleichzeitig auch in die Mussolini-Zeit, was an den Schwarzhemden und Claudios Duce-Mütze deutlich wurde, der einmal in grotesk überzeichnetem Stechschritt über die Bühne marschierte. Mit den SPQR-Adlerstandarten wurde ein italienisches Imperium imaginiert. Das war schon sehr schlüssig. Machtgesellschaften und ihre Mechanismen in eindrückliche Bühnenszenen zu verwandeln, das kann Robert Carsen einfach. Hier waren es Intrigen in der High Society – so eine Art Denver Clan in Rom. Und dann am Ende der Regiecoup: wenn Claudius Nero als Nachfolger eingesetzt hat, macht dieser gleich Party – also eher Orgie – und läßt von seinen Bodyguards als ersten Machtbeweis – seine Mutter voran – die ganze Sippschaft abmurksen. Mir Neros bösartigem Lachen endet die Oper. Das Publikum war so geschockt, daß es eine Atempause benötigte, bevor der Schlussapplaus begann.

Auch musikalisch war das ein guter Wurf, Thomas Hengelbrock lieferte mit dem Balthasar-Neumann-Ensemble eine schöne Leistung. Die Herrenrollen waren ausnahmslos gut besetzt, voran Filippo Mineccia als Ottone. Das Gesangpersonal war ergänzt durch ein ganzes Heer ansehnlicher Statisten, die zum Beispiel sehr dekorativ das Schwimmbad bevölkerten.

Klaus J. Loderer

Besuchte Vorstellung: 20. März 2016
Theater an der Wien

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