Lortzings Undine – Gärtnerplatztheater München – 2006
Lortzings »Undine« im Staatstheater am Gärtnerplatz in München
Münchens zweites Opernhaus, das Staatstheater am Gärtnerplatz,
pflegt neben einem erfolgreichen Operettenprogramm mit einem umfangreichen
Repertoire das ernsthafte Fach. In das Programm werden immer wieder selten
gespielte Opern aufgenommen. Dazu gehören die Werke Albert Lortzings, der
gerade etwas aus der Mode zu kommen scheint. Von ihm sind vor allem die komischen
Opern wie »Zar und Zimmermann« und »Der Wildschütz« bekannt. Eine zutiefst
romantische Oper ist »Undine« nach einer Erzählung von Friedrich de la
Motte-Fouque. Völlig in Vergessenheit geraten ist E.T.A. Hoffmanns Oper nach
dem gleichen Stoff. Am Gärtnerplatz hatte am 17. Dezember Lortzings Oper
Premiere, die heute vor allem durch die Arie »Vater, Mutter, Schwestern, Brüder
hab' ich auf der Welt nicht mehr« bekannt ist.
Da der Stoff heute nicht mehr so geläufig ist, sei die
Handlung kurz umrissen. Der Ritter Hugo hat sich im Wald in das Mädchen Undine
verliebt und möchte sie heiraten. Diese lernte er als Pflegetochter eines
Fischerpaars kennen, doch ist sie in Wirklichkeit ein Wassergeist. Der
Geisterfürst Kühleborn beobachtet das Geschehen, um Undine zu beschützen. Die
Herzogin Bertalda nimmt Undine kühl am Hof auf, liebt sie doch ihrerseits den
Ritter Hugo. In ihrem Stolz gekränkt kündigt sie die Hochzeit mit dem König von
Neapel an. Für Verwirrung sorgt die Eröffnung Kühleborns, Bertalda sei in
Wirklichkeit die Tochter des Fischerpaars. Trotzdem bahnt sich ein Verhältnis
zwischen Hugo und Bertalda an. Hugo verstößt Undine. Bei der Hochzeitsfeier
entführt Kühleborn den Ritter. Da Undine ihn immer noch liebt, bleibt sein
Leben verschont, doch muss er künftig bei den Wassergeistern leben.
Der teilweise sehr dämonische Unterton der Erzählung tritt bei
Lortzing, in den Hintergrund. Wie später bei Wagner sind auch bei ihm Text und
Musik aus einer Hand. Grundlegendes Thema ist für Lortzing die Frage nach der
menschlichen Seele. Diese zu ergründen, inszeniert der Geisterfürst Kühleborn
die gesamte Handlung. Doch werden die seelenlosen Geister durch die Untreue der
Menschen schwer enttäuscht. In der Musik wähnt man an manchen Stellen den
frühen Wagner vorweggenommen. Lortzing arbeitet zwar nicht mit Leitmotiven, wie
später Wagner, doch ordnet er jeder sozialen Gruppe einen speziellen Musiktyp
zu.
Ein romantisches Ritterdrama auf die Bühne zu bringen, ohne
dass es lächerlich wird, ist heute nicht ganz so einfach. Claudia Doderer, von
der das Gesamtkonzept für Regie, Bühne und Kostüme stammt, macht sich mit einer
starken Reduktion an das Werk. Die gesprochenen Dialoge wurden komplett
gestrichen, wodurch sich der Charakter der Oper vom Singspiel zur
durchkomponierten Oper wandelte. Das hat dem Stück nicht geschadet, wurde doch
die Musik dadurch dichter und die Dramatik verstärkt. Auch optisch arbeitet
Doderer mit einer starken Vereinfachung und Stilisierung. Reichen da etwa
wenige skizzenhaft hingeworfene Spitzbogen als Andeutung eines Innenraums der
Burg, ist die große Silhouette der Burg und die Verdoppelung als Spielzeugburg
schon konkreter. Auch bei den Kostümen handelt es sich um eine Kleidung, die
stark stilisiert, Motive mittelalterlicher Kleidung übernimmt.
Diese Stilisierung setzt Doderer auch in der Personenführung
ein. Doch schafft sie es hier weder die Stilisierung konsequent durchzuhalten
noch die Beziehungen zwischen den Personen oder ihren Charakter deutlich zu
vermitteln. Öfters vermittelt sich der Eindruck, dass Regiekonzept und
Leistungsfähigkeit der Sänger nicht zusammen passen. Eklatant wird dies bei den
beiden Bufforollen Veit (Knappe) und Hans (Kellermeister), die recht unbeholfen
allerlei Bewegungen ausführen, deren Sinn man ihnen wohl nicht vermitteln
konnte. Dies wirkt weniger komisch denn albern. Das ist bedauerlich, da Michael
Suttner und Holger Ohlmann ihr Duett musikalisch sehr schön gestalten. Da hat
es Elaine Ortiz Arandes in ihrer eher statischen Haltung als Herzogin Bertalda
schon leichter. Forciert klang Adrian Xhema in den hohen Lagen. In der
Titelrolle ist die aus Ungarn stammende Márta Kosztolányi zu nennen, die die
Rolle mit sensiblem Gespür anging und mit weichem Sopran und zarten Piani eine
mädchenhafte Undine zu vermitteln mochte. Die musikalische Leitung hatte
Andreas Kowalewitz.
Klaus J. Loderer
Besuchte Vorstellung: 19. Dezember 2006
Staatstheater am Gärtnerplatz München
Zur Person: Márta Kosztolányi
Die Sopranistin Márta Kosztolányi wurde in Fünfkirchen (Pécs)
geboren. Sie studierte Klavier, später Chorleitung und Musiktheorie an der
Franz-Liszt-Musikakademie in Budapest. Ihr Gesangsstudium bei Rolff Sartorius
und Ks. Edith Mathis an der Musikhochschule in Wien im Opern- und Konzertfach
beendete sie 1995. Als Konzertsängerin trat sie bereits während ihres Studiums
regelmäßig mit dem ORF- und Arnold-Schönberg-Chor als Solistin in den Wien, bei
den Salzburger Festspielen und beim Steyrischen Herbst in Graz auf. Rundfunk-
und Fernsehaufnahmen sowie zwei CD-Produktionen mit Werken zeitgenössischer
Komponisten ergänzen ihren Arbeit. 1998 wirkte sie als Anitra in Griegs »Peer
Gynt« unter der Leitung von Thomas Hengelbrock bei einer Konzertreihe im
Ludwigsburger Forum, dem Musikfest Bremen und dem Klangbogen Wien mit.
Bei Gastspielen in Budapest, Wien, Frankreich und Luxemburg
war sie in den Rollen Pamina, Blonde und Euridice zu sehen. Von 1995 bis 2000
sang sie als festes Ensemblemitglied am Stadttheater Bern die wichtigsten
Partien ihres Fachs (z.B. Marzelline, Susanna, Nannetta, Olympia, Clorinda,
Gretel, Adele, Lady Hariett). Als freischaffende Künstlerin sang sie 2001 Adina
in »Der Liebestrank« in Pforzheim, 2002 Clorinda in »La Cenerentola« und Najade
in »Ariadne auf Naxos« an der Dresdener Semperoper und am Teatro Nacional de
Sao Carlos in Lissabon. Mit der Ersten Dame in »Die Zauberflöte« gab sie 2000
ihr Debüt am Staatstheater am Gärtnerplatz in München. Seit Beginn der
Spielzeit 2002/2003 arbeitet sie als festes Ensemblemitglied an diesem Haus. In
der laufenden Spielzeit singt sie am Theater am Gärtnerplatz Micaela (Carmen),
erste Dame (Die Zauberflöte), Gräfin Mariza (Gräfin Mariza), Antonia (Hoffmanns Erzählungen), Mimi (La
Bohème), Lady Harriet Durham (Martha), Undine (Undine) und Sophie (Werther).
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