Operngeschichte: Sängerinnen des Stuttgarter Hoftheaters vor 110 Jahren

Operndreieck – auf Spurensuche im Stuttgarter Kernerviertel 

– Sängerinnen des Stuttgarter Hoftheaters vor 110 Jahren – 

von Klaus J. Loderer


Vor 110 Jahren wurde die Opernsängerin Anna Sutter in Stuttgart ermordet. Eigentlich wollte ich nur mal nachschauen, wo Anna Sutter lebte, und besuchte deshalb das Viertel um den Stuttgarter Kernerplatz. Dann war ich noch auf der Suche nach der Wohnung einer anderen Sängerin, Hedy Iracema-Brügelmann. Nur kurz war die gemeinsame Zeit am Stuttgarter Hoftheater. Sehr unterschiedlich dürften die beiden Damen gewesen sein. Dann wollte ich im „Adress- und Geschäftshandbuch der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Stuttgart“ eigentlich nur nachsehen, wer sonst noch in den beiden Häusern lebte. Dass es sich nicht um das schlechteste Viertel Stuttgarts handelte, war klar, doch wer lebte denn dort. Doch dann wurde ich neugierig, wo denn die anderen Ensemble-Mitglieder lebten. Schnell stellte sich heraus, dass mehrere Sängerinnen in dem Viertel lebten. Das Jahrbuch „Neuer Theater-Almanach“ sorgte für weitere Adressen und Namen.


Im Viertel um Kernerplatz und Eugensplatz stehen noch viele historische Häuser. Das Viertel hat teilweise seinen historischen Charakter bewahrt. Besonders zum Interimstheater und zum neuen Hoftheater, dem jetzigen Staatstheater, hatte das Viertel eine günstige Nähe. Insofern ist es nicht erstaunlich, dass in diesem Viertel einige Sängerinnen lebten. Ich habe mich vorerst auf Opernsängerinnen konzentriert. Die Damen hätten sicher darauf bestanden, als Hofopernsängerin oder gar als Kammersängerin tituliert zu werden. Die Hofschauspielerinnen und die männlichen Kollegen habe ich vorerst übergangen. Und ich konzentriere mich auf die Zeit nach der Jahrhundertwende. Das Hoftheater war in dieser Zeit geprägt durch Joachim Gans Edler zu Putlitz, der 1892 vom seit 1891 regierenden württembergischen König Wilhelm II. zum Intendanten ernannt wurde. „Unter den zu Anfang der neuen Ära für die Oper Verpflichteten befanden sich die jugendlich dramatische Sängerin Elisa Wiborg und die Soubrette Anna Sutter, die es beide zu hervorragender Bedeutung im Ensemble gebracht haben.“ So schreibt Rudolf Krauß in seinem 1908 erschienenen Band „Das Stuttgarter Hoftheater“.

Anna Sutter

Beginnen wir unseren kleinen Rundgang mit dem Sutterle, wie die Stuttgarter Fans liebevoll ihren Opernstar nannten. Rudolf Krauß schrieb über sie 1899 in der Zeitschrift „Bühne und Welt“: „Unter den singenden Damen ist Anna Sutter der erklärte Liebling der Stuttgarter. Das Lust- und Wohlgefühl, womit sie sich auf der Bühne bewegt, strömt unwillkürlich auf die Zuschauer über. Mit ihrer frischen, glockenreinen Stimme, ihrem sprudelnden Temperament, ihrer mutwilligen und doch stets von seiner Anmut umschriebenen Laune bewältigt sie gleich gut die einfacheren Aufgaben der Soubretten Mozartscher oder Lortzingscher Gattung und die anspruchsvolleren der Primadonnen in italienischen und französischen Spielopern.“ Anna Sutter war durch ihre eindrucksvolle Spielweise berühmt, aber auch durch ihre Liebesgeschichten berüchtigt. Immerhin drei Stuttgarter Hofkapellmeister wurden wegen der Affären mit ihr entlassen, 1896 Richard l’Arronge, 1903 Hugo Reichenberger und 1908 Alois Obrist. Im jetzigen Staatstheater hat sie nie gesungen, das war noch im Bau, als sie starb. Ihre Erfolge feierte sie im alten Hoftheater am Schlossplatz – dort steht heute der Kunstverein – und nach dessen Brand 1902 im Interimstheater.


Das Interimstheater in Stuttgart, von 1902 bis 1912 Spielstätte des Hoftheaters

Als Anna Sutter am 29. Juni 1910 ermordet wurde, war das ein großer Skandal. Dass ausgerechnet eine Darstellerin, die auf der Opernbühne so leidenschaftlich und lebensecht die Carmen gab, von einem abgelegten Liebhaber umgebracht wurde, das war schon ein besonderes Zusammentreffen. Das schlachtete auch die Presse aus und der „Schwäbischen Merkur“ schrieb am 30. Juni 1910: „Frln. Sutter liegt im Bett, den rechten Arm weit ausgebreitet, und den linken, der durch die Kugeln verletzt wurde, zusammengebogen. Wie in ,Carmen‘, ihrer Hauptrolle, lag sie da.“ Ihr Exgeliebter Alois Obrist hatte zuerst sie und dann sich erschossen.


Anna Sutter

Ihre Wohnung in der Schubartstraße 8 war der Ort der Tragödie. Im Adressbuch ist sie übrigens als Anna Suter angeführt. Das Haus steht unweit des sog. Neckartors. Das war damals eine Randlage der Stadt. Die Hänge wurden teilweise noch als Weinberge genutzt. Wie oft in diesem Stadtviertel treffen hier die Straßen in einem spitzen Winkel aufeinander. Das Haus Schubartstraße 8 ist ein Eckhaus an der Kreuzung mit der Urbanstraße. Gegenüber steht die 1892/93 errichtete evangelische Friedenskirche. Von dem neoromanischen Bau, den Anna Sutter aus ihren Fenstern sah, steht allerdings nur noch der markante Turm. Das Haus gehörte der Witwe Marie Reichle, die im Erdgeschoss ein Spezereigeschäft betrieb. Im ersten Stock lebte Anna Sutter mit ihrer Tochter Mathilde, im zweiten Professor Dr. William Küster, im dritten Stock die Privatière Emilie Herter und der Reichsbankunterbeamte Hermann Kuhlemann. William Küster ist übrigens die zweite Berühmtheit des Hauses. Der 1863 in Leipzig geborene Chemiker erforschte den Blutfarbstoff. 1903 erhielt er einen Lehrstuhl an der von 1821 bis 1912 existierenden Tierärztlichen Hochschule in Stuttgart, die sich ganz in der Nähe an der Neckarstraße befand, und später einen Lehrstuhl an der Technischen Hochschule. Er starb 1929 in Stuttgart.


In der Schubartstraße 8 lebte Anna Sutter

Anna Sutter wurde 1871 in Will in der Schweiz geboren. Nach Studien in Bern und München kam sie 1893 an das Stuttgarter Hoftheater. Sie war beim Publikum sehr beliebt durch den realistisch-naturalistischen Darstellungsstil. Wichtige Rollen waren Hanna Glawari, Carmen und Salome. Sie wohnte zunächst in der Alexanderstraße 17, 1897 zusammen mit ihrer Mutter Mathilde in der Urbanstraße 83, 1900 in der Seestraße 86 und schließlich in der Schubartstraße 8. 1906 wurde sie zur Kammersängerin ernannt. Sie hatte zahlreiche Affären. Von Hans Freiherr von Entreß-Fürsteneck stammte die Tochter Mathilde, der Sohn Felix von Hofkapellmeister Hugo Reichenberger. Die Affäre mit dem verheirateten Hofkapellmeister Alois Obrist wurde verhängnisvoll. Anna Sutter beendete die Beziehung. Am 29. Juni 1910 tötete er Anna Sutter und erschoss sich dann selbst. Sie wurde auf dem Pragfriedhof in Stuttgart beigesetzt. Ihr markantes Grab ist in der Nähe des Krematoriums.

Die zur Zeit der Ermordung ihrer Mutter zehnjährige Tochter Anna Sutters erbte ihre musikalische Begabung und wurde ebenfalls Sängerin. Als Thilde von Entreß stellte sie sich am 15. April 1930 in der Liederhalle mit einem Lieder- und Arienabend vor. 1937 hatte sie in Stuttgart ihr Debüt als Opernsängerin. Die Wahl ihre Rolle wurde zur Sensation, denn sie trat ausgerechnet als Carmen auf, der Paraderolle ihrer Mutter. Außerdem sang sie Azucena und Amneris. 1945 starb sie in Oberammergau. 1952 wurde die Leiche nach Stuttgart überführt und auf dem Pragfriedhof beigesetzt.


Hörbeispiel: Anna Sutter singt „Die Liebe vom Zigeuner stammt“ aus „Carmen“ von Georges Bizet:




Helene Wildbrunn

Erst einige Jahre nach dem Tod Anna Sutters kam eine Sängerin nach Stuttgart, die unten am Park wohnte, eine bekannte Sängerin, die schon bald in Berlin und Wien Triumphe feiern sollte. Das Hoftheater in Stuttgart war ihr Sprungbrett auf die großen Bühnen. Es handelt sich um Helene Wildbrunn, die 1914 an das Hoftheater engagiert wurde. Das war dann schon das 1912 eröffnete Große Haus des neuen Hoftheater, in dem noch heute die Oper spielt. Im Stuttgarter Adressbuch von 1915 findet man Helene Wildbrunn als Helene Schmaus, wohnhaft in der  Cannstatter Straße 18 im zweiten Stock – zusammen mit ihrem Mann Karl Schmaus. Dieses erste Stück der Cannstatter Straße heißt heute Am Neckartor. Sie wird als Hofsängerin aufgeführt, er als Opernsänger. In einer späteren Ausgabe findet man auch ihre Telefonnummer, nämlich 10060. Das Haus gehörte dem Fabrikanten Wilhelm Heidelmann. Es gab mit dem Musiklehrer Karl Möskes im Hochparterre noch eine zweite musikalische Partei im Haus. Im ersten Stock wohnten Oberregierungsrat Karl Schmuker und der königlich preußische Legationssekretär Dr. Wilhelm von Frérichs, was daran erinnert, dass die anderen deutschen Länder in Stuttgart diplomatische Vertretungen hatten. Im dritten Stock wohnte Generalleutnant z. D. Rudolf von Berger, der als Exzellenz angeredet wurde. Beim Fräulein Marie Berger dürfte es sich um seine Schwester gehandelt haben. Und dann gab es im vierten Stock noch den Zuschneider Gerhard Kuhlbusch. Wie oft in den gründerzeitlichen Häusern waren die mittleren Etagen herrschaftlich, unten und oben wurde es einfacher. Im auch Wilhelm Heidelmann gehörenden Nachbarhaus mit der Nummer 20 lebte übrigens Hofkapellmeister Paul Drach. Im Hochparterre wohnte die Witwe des Opernsängers Richard Ada.


Im Haus Am Neckartor 18 (früher Cannstatter Straße), das am Eckgiebel ein Relief der Burg Lichtenstein und des Dichters Wilhelm Hauff zeigt, lebte Helene Wildbrunn
Foto: Klaus J. Loderer

Noch ein paar Worte zu Helene Schmaus, die als Helene Wildbrunn bekannt war. Sie wurde als Helene Wehrenfennig 1882 in Wien geboren. Sie studierte in Wien. 1906 trat sie an der Volksoper auf. 1907 sang sie als Altistin am Stadttheater Dortmund. Von 1914 bis 1918 war sie am Hoftheater Stuttgart, wo sie in das hochdramatische Sopranfach wechselte. 1918 wurde sie zur württembergischen Kammersängerin ernannt. 1919 bis 1925 sang sie an der Berliner Staatsoper, 1925 bis 1932 an der Städtischen Oper Berlin. Gleichzeitig war sie von 1919 bis 1932 Mitglied der Wiener Staatsoper. 1929 wurde sie zur österreichischen Kammersängerin ernannt, 1932 Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper. Von 1931 bis 1950 unterrichtete sie an der Wiener Musikakademie. Eine ihrer Schülerinnen war Liane Synek. 1972 starb sie in Wien und wurde auf dem Neustifter Friedhof beigesetzt. Ihr Mann Karl Schmaus wurde 1873 in Schlan (Slán) in Böhmen geboren. Er war zunächst Bariton am Nationaltheater in Prag, wechselte aber schon bald in das Tenorfach. Engagements führten ihn nach Köln, Wiesbaden, Leipzig und Dortmund.

Johanna Schönberger

Geht man von Anna Sutters Wohnung die Urbanstraße entlang zum Kernerplatz und biegt dann in die Landhausstraße ein, kommt man zur Wohnung einer Sängerin, die viele Jahre mit Sutter im Ensemble war und deren Paraderolle die Fidès in „Der Prophet“ war. „O gebt, o gebt“ aus dieser Oper hat sie sogar 1905 bei Edison Berlin für eine Schallplatte aufgenommen. Kammersängerin Johanna Schönberger wohnte im Haus Landhausstraße 22 im ersten Stock. Das Adressbuch von 1912 vermerkt auch die Telefonnummer der Sängerin, nämlich 7288. Nach dem Neuen Theater-Almanach von 1909 hatten von den zehn Sängerinnen des Hoftheaters immerhin vier einen Telefonanschluss. Das Haus gehörte dem Bäckermeister Ernst Fischer. Im Hochparterre lebten die Kaufmannswitwe Luise Jüngt und die Putzmacherin Elsa Jüngt. Im zweiten Stock wohnte der Kaufmann Robert Kallenberg, im dritten die Kaufmannswitwe Marie Schultz und im vierten der Reithausdiener Gottlob Seybold. 



Johanna Schönberger wurde 1874 in Wien geboren. Ihr Debüt war 1894 am Theater in Olmütz (Olomouc) als Azucena im „Troubadour“. Es folgten Engagement in Düsseldorf und Bremen. Am Stuttgarter Hoftheater und später Landestheater war sie von 1898 bis 1928. Sie sang also im alten Hoftheater, im Interimstheater und im neuen Hoftheater. Und sie kannte Anna Sutter. Sie scheint ein breites Stimmspektrum von Sopran über Mezzosopran bis zu Alt besessen haben. Rudolf Krauß nannte sie 1899 in „Bühne und Welt“ eine verheißungsvolle jüngere Kraft. Zu den Rollen gehörten die Wagnerpartien Adriano, Brangäne, Ortrud, Fricka und Erda. Sie sang bei verschiedenen Uraufführungen in Stuttgart, etwa in „Das Fest auf Solhaug“ von Wilhelm Stenhammar 1899, „Prinzessin Brambilla“ von Walter Braunfels 1909, „An allem ist Hütchen schuld“ von Siegfried Wagner 1917 und „Die Kronenbraut“ von Ture Rangström 1919. Die Zeitschrift „Die Stimme“ berichtete 1924, dass sie als „Meisterin der Darstellungs- und Ausdruckskunst“ an die Opernschule der württembergischen Hochschule für Musik verpflichtet worden sei. Zunächst wohnte Johanna Schönberger in Stuttgart kurze Zeit in die Neckarstraße, dann in die Werastraße und zog dann in die Landhausstraße. Später lebte sie im Stuttgarter Stadtteil Sillenbuch und starb 1952.

Johanna Schönberger erlebte noch das 1902 abgebrannte alte Hoftheater am Schlossplatz und dann das Interimstheater an der Stelle des heutigen Landtags. Mit der Eröffnung der neuen königlichen Hoftheater 1912 trat dort auf. Das Büchlein des Verlags des Neuen Tagblatts „Die neuen königlichen Hoftheater zu Stuttgart“ führt sie als Altistin im Ensemble unter dem Solopersonal auf. Zwölf Sänger (plus ein Heldentenor als Neuzugang) und neun Sängerinnen findet man da aufgelistet: Sofie Palm-Cordes (erste hochdramatische Sängerin), Erna Ellmenreich (jugendlich dramatische Sängerin), Ida Hanger-Schnutenhaus (Coloratur-Sängerin), Hedy Iracema-Brügelmann (dramatische Sängerin), Marga Junker-Burchardt (jugendlich dramatische Sängerin), Josefine Nettsträtter-Kemp (Soubrette), Helene Pola (Sobrette) und Elisabeth Schaumburg (Altistin) und Johanna Schönberger (Altistin).


Hörbeispiel: Johanna Schönberger singt „O gebt, o gebt! Errettet einen Armen!“ aus „Der Prophet“ von Giacomo Meyerbeer:




Marga Dietz und Marie Hastert

Kurze Zeit lebte etwas weiter oben in der Landhausstraße 41 Marga Dietz. Sie war nur 1905/06 am Hoftheater. Im nächsten Haus mit der Nummer 43 wohnte die Sängerin Marie Hastert. Sie wurde 1868 in Esch geboren und war 1899/1900 nur kurz am Hoftheater.

Thilde Walsch

Schräg gegenüber am Kernerplatz wohnte noch eine Sängerin, die zur Eröffnung des neuen Hoftheaters 1912 aber nicht mehr im Stuttgarter Ensemble war und deshalb in der Aufzählung deshalb nicht genannt wird. Thilde oder amtlich Mathilde Walsch wohnte am Kernerplatz im Haus Kernerstraße 19. Den zweiten Stock teilte sie sich mit der Geheimratswitwe Anna von Hausch, den Privatièren Antoine Lehmann und Berta Peters. Vermutlich wohnte sie dort zur Untermiete. Das Zimmer scheint sie von der Sängerin Marie Bartsch übernommen zu haben, die 1908 kurz am Hoftheater war. 1880 in Innsbruck geboren war Thilde Walsch von 1908 bis 1911 am Hoftheater. Über ihr Engagement in Stuttgart berichtetet der Bote von der Ybbs am 24. April 1908: „Wie uns mitgeteilt wurde, wurde das in Waidhofen a. d. Ybbs als Sängerin bestbekannte Fräulein Thilde Walsch-Schweder als Opernsängerin an das königliche Hoftheater nach Stuttgart engagiert. Fräulein Walsch-Schweder, eine Tochter des langjährigen Sommergastes Herrn Apotheker Schweder in Wien, hat bekanntlicherweise im letzten Sommer in Waidhofen in einem Wohltätigkeitskonzerte mit durchschlagendem Erfolge gesungen.“ 1910 heiratete sie den Solorepetitor Wilhelm Franz Reuß, Sohn des Liszt-Schülers Eduard Reuß und Patenkind des berühmten Pianisten. Sie folgte ihm dann auf die Posten in Mainz, Barmen und Königsberg und sang noch Gastspiele. 1927 beendete sie ihre Laufbahn in Folge eines Nervenzusammenbruchs nach dem tragischen Tod ihrer jüngsten Tochter, von dem sie sich nicht mehr erholte. Die Ehe wurde 1937 geschieden. Durch ihre psychische Erkrankung kam sie in die Anstalt Schloss Grafeneck auf der Schwäbischen Alb, in der 1940 mehr als zehntausend Menschen umgebracht wurden, und starb dort 1941. Er war dann noch als Kapellmeister in Kassel, Berlin und wieder in Königsberg, wo er 1945 in einem russischen Gefängnis starb.

Erna Ellmenreich

Doch zurück nach Stuttgart. Nicht weit entfernt, in der Urbanstraße 74, wohnte 1911 die Sängerin Erna Ellmenreich. Sie wurde 1885 in Meran geboren. 1908 hatte sie in Stuttgart ihr Debüt als Marguerite in Gounods „Faust“. Von 1909 bis 1924 war sie im Ensemble des Hof- und dann Landestheaters. Am 25. Oktober 1912 trat sie im Kleinen Haus der neuen Hoftheater als Echo in der Uraufführung von „Ariadne auf Naxos“ auf. Sie sang noch in weiteren Uraufführungen in Stuttgart wie 1917 die Märchenfrau in „An allem ist Hütchen schuld“ und 1919 in „Die Kronenbraut“ und sie wirkte bei der Skandalproduktion der beiden Hindemith-Opern „Mörder, Hoffnung der Frauen“ und „Nusch Nuschi“ mit. Sie starb 1976 in Berlin.

Helene Hieser

Noch etwas weiter Richtung Staatsgalerie wohnte bis 1905 in der Nummer 47 der Urbanstraße Kammersängerin Helene Hieser, die davor in der Neckarstraße 57 gewohnt hatte. Zu ihren Ehrungen gehörte die württembergischen Goldmedaille für Kunst und Wissenschaft am Band des Friedrichsordens. Die Mezzosopranistin wurde 1859 in Wien geboren. Sie debütierte 1880 in Straßburg als Nancy in „Martha“ und kam 1882 an das Hoftheater Stuttgart. Sie sang 1894 bei der Uraufführung der Oper „Der Pfeifer von Hardt“ von Ferdinand Lange. Rudolf Krauß lobte sie 1899 in „Bühne und Welt“ als „ in jeder Hinsicht vorzüglich“, kritisierte aber, dass „deren Stimme nur die satte Klangfarbe des echten Alts vermissen läßt.“ Gastspiele führten sie nach Karlsruhe, London und Wien. Bei den Bayreuther Festspielen 1897 sang sie eine der Rheintöchter. 1910 nahm sie Abschied von der Bühne. Sie starb 1937 in München. 

Auguste Bopp-Glaser 

Als Helene Rieser schon in die Kepplerstraße umgezogen war, zog in der Urbanstr. 31 1907 Auguste Bopp-Glaser ein. Sie wurde 1881 in Mannheim geboren und debütierte 1904 in Hannover. Sie wechselte nach Stuttgart und blieb bis 1909 am Hoftheater. Allerdings vermerkt sie der Neue Theater-Almanach nur für das Jahr 1908 dort. 1910/11 war sie an der Wiener Volksoper. Sie war mit dem Musikwissenschaftler Wilhelm Bopp verheiratet und starb 1974 in Mannheim.

Hedy Iracema-Brügelmann

Weiter oben in der Kernerstraße wohnte eine Sängerin, deren Namen im Verzeichnis von 1912 enthalten ist. Hedy Iracema-Brügelmann kam als Entdeckung des Generalmusikdirektors Max von Schillings 1909 an das Stuttgarter Hoftheater. Sie wurde als Hedwig Hänsel am 16. August  1879 in Porto Allegre in Brasilien geboren. 1899 heiratete sie den Kaufmann und Bankier Theodor Brügelmann. Nach ihrer musikalischen Ausbildung am Konservatorium in Köln unternahm sie 1907 eine Konzertreise nach Brasilien. In Stuttgart war sie von 1909 bis 1917 als „dramatische Sängerin“. „Wohltuend berührte wieder die klare, geschmeidige und flüssige Stimme“, lobte die Württemberger Zeitung am 8. März 1909 ihre Elisabeth.



Am 17. September 1909 stand sie etwa in „Der fliegende Holländer“ mit der schon erwähnten Johanna Schönberger auf der Bühne des Interimstheaters, sie als Senta, jene als Mary. Auf dem Besetzungszettel der „Walküre“ vom 1. Mai 1910 finden wir mehrere der schon genannten Damen: Hedy Iracema-Brügelmann als Sieglinde, Johanna Schönberger als Fricka, Thilde Walsch als Helmwiege, Erna Ellmenreich als Gerhilde und Anna Sutter als Waltraute. 


Der Bühnenauftritt war für Hedy Iracema-Brügelmann anfangs ungewohnt. Sie mag etwas unbeholfen gewirkt haben, wie eine Zeitungskritik nach dem oben erwähnten Lob ihrer Stimme unsanft feststellte: „Auf die Bühnenanfängerin läßt noch der unschöne Gang schließen, der schon bei der letzten Tannhäuser-Aufführung aufgefallen war.“ (Württemberger Zeitung, 8. März 1909). Was ihre Stimme anging, überschlugen sich die Kritiker mit Lob. Fleißig studierte sie Opernrollen ein und nahm 1910 in den Theaterferien Unterricht in Gesangstechnik bei Felix von Kraus. 1912 wurde sie württembergische Kammersängerin. 


Als im Zuge der Richard-Strauss-Festwoche am 25. Oktober 1912 im neu eröffneten Kleinen Haus die Uraufführung von „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss stattfand, sang Mitzi Jeritza – ein großer Star der Wiener Hofoper – die Ariadne. Hedy Iracema-Brügelmann war für Folgevorstellungen vorgesehen. Doch war die Zusammenarbeit mit dem Komponisten Richard Strauss nicht unproblematisch. Am 23. Oktober schrieb sie an die Intendanz, dass man sie von der Aufführung am 27. Oktober dispensieren möge. Richard Strauss schien ihr die Partie wohl nicht zuzutrauen und hat ihr wohl eine vereinfachte Fassung geschickt. Sie beklagte sich, dass sie nun schon die dritte Fassung ihrer Rolle erhalten habe. So meinte sie, „daß ihm meine Leistung nicht genügt. Es ist mir unmöglich, unter solchen Umständen unter des Komponisten Leitung zu singen.“ Sie sang in der dritten Vorstellung dann doch. Die Presse war voll des Lobs. Die Rheinische Musik- und Theaterzeitung schrieb in der Nr. 44 des Jahres 1912: „Das Ideal wird eben sinnliche Schönheit verbunden mit seelischer Ausdruckskraft sein, und gerade ein so feinnerviger Künstler wie Strauß muß an diesem Ideal festhalten. Daher begreift man es, daß nicht nur er, sondern mit ihm die gesamte Stuttgarter Presse und Künstlerschaft, welche Gelegenheit hatte, die verschiedenen Besetzungen zu vergleichen, die Darstellung der Ariadne durch Frau Iracema Brügelmann unendlich viel höher einschätzte, als die der früheren Operettensängerin Fräulein Jeritza - Wien, welche Reinhardt entdeckt und der Festspielleitung aufoktroyiert hatte.“ 


1914 unternahm sie eine zweite Konzertreise nach Brasilien, deren Rückreise sich durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs verzögerte. 1915 sang sie in der Uraufführung der Oper „Mona Lisa“ des Stuttgarter Generalmusikdirektors Max von Schillings. 1916 erhielt sie das Charlottenkreuz. Ihr Engagement am k.u.k. Hofopernhaus in Wien war 1917 bis 1919 nur kurz, da zu den durch die neue Leitung Richard Strauss und Franz Schalk entlassenen Sänger auch sie gehörte. Als Hochdramatische ging sie nach Karlsruhe. 1920 erfolgte die Scheidung von Theo Brügelmann. Bei einer dritten Konzertreise besuchte sie noch einmal Brasilien. Bis 1927 war sie am badischen Landestheater in Karlsruhe, wo sie neben Rollen wie Feldmarschallin, Venus, Elsa, Tosca, Leonore, Adriano, Kundry 1920 an der Uraufführung der Oper „François Villon“ von Albert Noelte und 1924 bei der ersten Aufführung von Händels Oper „Tamerlano“ seit dem 18. Jahrhundert mitwirkte. 1924 wurde sie zur badischen Kammersängerin ernannt. Ein langer Krankenhausaufenthalt beendete ihre Opernkarriere. Sie unterrichtete aber noch mehrere Jahre lang Gesangsschüler und gab gelegentlich Konzerte. Sie starb am 9. April 1941 in Karlsruhe.


Im Haus Kernerstraße 59 lebte Hedy Iracema-Brügelmann
Foto: Klaus J. Loderer

Ihr erster Auftritt in Stuttgart war am 14. Februar 1909 als Elisabeth in Wagners „Tannhäuser“. Das war noch nicht im neuen Hoftheater sondern im Interimstheater. Ihre Auftritte sorgten für einen festen Vertrag ab September 1909. Sie wohnte zunächst im Hotel Marquardt am Schlossplatz. Dann bezog sie eine Wohnung im 1899 erbauten Gebäude Kernerstraße 59 in der berühmten Stuttgarter Halbhöhenlage. Das Stuttgarter Adressbuch von 1911 führt sie an als „Brügelmann (Iracema), Hedy, Frau, K. Kammersängerin u. Hofsängerin“. Wir erfahren außerdem, dass sie einen Telefonanschluss mit der Nummer 9573 besaß. Immerhin drei Telefonanschlüsse besaß das Haus, was damals bedeutete, dass die Sozialstruktur des Hauses gehoben war. Unten im Haus war das Baubureau des Bauunternehmers und Hauseigentümers Karl Oelkrug, der weiter oberhalb im Kanonenweg (heute Haußmannstraße) 1 wohnte, darüber war die Wohnung von Regierungsbaumeister Erwin Oelkrug.  Das Hochparterre bezog 1909 Hedy Iracema-Brügelmann, im ersten Stock wohnte Hofjuwelier Albert Föhr, im zweiten Stock Landgerichtsrat August Mablanc und im dritten Stock Schreiner Leopold Fritz. Dass auch in einem besseren Haus oben einfachere Leute lebten, war typisch für die Zeit. Die mittleren Wohnungen mit den hohen Decken waren die teuren. 1912 zog Ehemann Theodor mit dem Sohn Hermann aus Köln nach, als er bei der Württembergischen Vereinsbank eine Stelle bekam.

Hörbeispiel: Hedy Iracema-Brügelmann singt „D’amor sull’ali rosee“ aus „Il trovatore“ von Giuseppe Verdi:


Link zu einem weiteren Text über Hedy Iracema-Brügelmann:

Ida Hanger-Schnutenhaus

Nur ein paar Häuser weiter wohnte noch eine Sängerin des Hoftheaters, die in Wien geborene Koloratursopranistin Ida Hanger-Schnutenhaus. Sie war nach Engagements in Mainz und Wiesbaden von 1909 bis 1914 in Stuttgart. Sie zog sich nach der Heirat mit dem Fabrikanten Ernst Schnutenhaus vom Theater zurück und lebte später mit ihm in Essen. In Stuttgart wohnten sie im zweiten Stock des Hauses Werastraße 17. Das repräsentative Haus gehörte dem Oberlandesgerichtsrat Dr. Oskar von Haidlen. Zu ihren Rollen gehörten Susanna in „Figaros Hochzeit“, Martha in „Martha“, Frau Fluth in „Die lustigen Weiber von Windsor“, Philine in „Mignon“ und die weiblichen Rollen in „Hoffmanns Erzählungen“.

Lisa Heinefetter

Schräg gegenüber in der Nummer 6 der Werastraße wohnte Lisa Heinefetter. Die Sängerin wurde 1885 geboren und war von 1909 bis 1911 am Hoftheater. Nach ihrer Heirat verließ sie das Theater. Sie sang am 7. November 1909 die Zerlina in „Don Juan“ – wir kennen die Oper heute eher als „Don Giovanni“ – zusammen mit Hedy Iracema-Brügelmann als Donna Anna und Thilde Walsch als Donna Elvira. Beide Damen kennen wir schon. Max  von Schillings persönlich dirigierte diese Aufführung. Als Tondokumente sind von ihr Arien aus Webers „Freischütz“ überliefert.

Das Doppelhaus Werastraße 8 und 6
Foto: Klaus J. Loderer

Elisabeth Schaumburg

Und etwas weiter oberhalb in der Nähe des Eugensplatzes wohnte kurze Zeit die Hofsängerin Elisabeth Schaumburg im Erdgeschoss des 1896-1896 von den Architekten Beisbarth und Früh erbauten Hauses Alexanderstraße 9 A, an dem zwei Drachen den neugotischen Eingang bewachen. Im Adressbuch von 1912 ist sie dort zu finden, im nächsten Band in der Kronenstraße 41. Sie wurde 1888 in Gatersleben geboren. Sie lebte in Berlin-Wilmersdorf und bewarb sich in Stuttgart mit einem Repertoire von 16 Rollen, darunter Dalila, Amneris, Azucena, Fidès,  Erda, Fricka, Ortrud, Brangäne, Magdalena, Carmen und Prinz Orlofsky. 1911 unterschrieb sie einen Vertrag für das Stuttgart Hoftheater bis 1916. Das Honorar wurde für das erste Jahr auf 2300, für das zweite 3200 und das dritten 4000 Mark vereinbart. Man scheint mit ihr nicht zufrieden gewesen zu sein, weshalb die Altistin Sabine Hoffmann-Onegin engagiert wurde. Eine schnelle Kündigung war allerdings nicht möglich, zumal sich Gönnerinnen einschalteten, die Prinzessin von Schaumburg (die Schwägerin von König Wilhelm II.) und eine Geheimrätin Bernstein aus Halle, vermutlich Sophie Bernstein geb. Levy, die Frau des Physiologen Julius Bernstein. Der Generalintendant Putlitz versuchte sogar Elisabeth Schaumburg nach München weiterzuempfehlen. Im Dezember 1912 schrieb Putlitz an seinen Kollegen, den Baron Frankenstein. Sie sei „eine Spezialistin, deren Verwendung auf die ausgesprochenen Alt-Partien beschränkt sein sollte. Eine Bühne, die sich das leisten kann, wird, glaube ich, in der Dame eine gute und vornehme Sängerin erhalten, zumal die Persönlichkeit besonders reizvoll ist.“  Mit Elisabeth Schaumburg wurde 1913 eine Auflösung des Vertrags vereinbart. Sie erhielt für die letzten Jahre eine Abfindung von 3600 Mark. Das war weniger als die von ihr erhofften 4800 Mark Abfindung. Außerdem durfte sie den Titel königl. Hofopernsängerin noch bis 1914 führen. Anschließend war sie am Hoftheater Dessau. Danach taucht sie im Deutschen Bühnenjahrbuch nicht mehr auf.



Von 1916 datiert eine Charakterisierung des Stuttgarter Generalintendanten an den Berliner Generalintendanten Georg von Hülsen, „dass sie sehr schätzenswerte Eigenschaften besitzt, eine grosse, schöne Erscheinung und eine besonders in der tieferen Lage schöne und klangvolle Stimme.“


Eingang des Hauses Alexanderstraße 9A in Stuttgart
Foto: Klaus J. Loderer

Auch sie hatte illustre Mitbewohner. Im Hochparterre wohnte die Regierungsratswitwe Fleischhauer mit ihren Töchtern, im ersten Stock der Fabrikant Siegfried Joseph, im zweiten Stock die Amtsgerichtsratswitwe Hinkelbein und im dritten Stock Obersteuerrat Adolf Kölle. In der Hausnummer 9 B wohnte der frühere Oberbürgermeister Heinrich von Gauß. 

Und noch einmal Hedy Iracema-Brügelmann

Ab dem Adressbuch 1915 findet man die Familie Brügelmann in der Fischerstraße 4. Das Haus gehörte dem Privatier Wilhelm Groß. Dieser teilte sich das Erdgeschoss mit der Kaufmannswitwe Helene Littmann und dem Dentisten Wilhelm Fischer. Der Bankdiener Karl Fischer lebte im Untergeschoss. Im ersten Stock wohnte die Privatierswitwe Rosalie Hirsch. Brügelmanns waren im zweiten Stock. Im dritten Stock lebte der Kaufmann Karl Füchtner, darüber der Tapeziermeister Oskar Mayer. Die Telefonnummer blieb übrigens gleich. Die Fischerstraße ist eine kurze Seitenstraße der Hohenheimer Straße oberhalb der Technischen Oberschule, der damaligen Wilhelmsrealschule, und endet schon an der Stitzenburgstraße.

Margarethe Burchardt

Auch hier lebte nicht weit entfernt eine Kollegin. In der Alexanderstraße 101 wohnten Marga Junker-Burchardt und Kurt Junker, die zuvor in der Danneckerstraße 18 gewohnt hatten. Er war Hofschauspieler im Fach Bonvivant und Liebhaber, sie jugendlich dramatische Sängerin. Margarethe Burchardt wurde 1880 in Berlin geboren, begann ihre Bühnenkarriere unter ihrem Mädchennamen Margarethe Burchardt 1902 am Theater in Rostock, hatte dann Engagements in Schwerin und Hannover. 1906 trat sie u.a. als Gutrune im Königlichen Opernhaus Covent Garden in London auf. Sie nahm verschiedene Schallplatte auf, etwa mit „Man nennt mich jetzt Mimi“ aus „Bohème“ und „Deine Mutter soll Dich im Arme tragen“ aus „Madama Butterfly“ und mit „Trenne nicht das Band der Liebe“ aus Conradin Kreutzers „Das Nachtlager von Granada“. 


Alexanderstraße 101 in Stuttgart
Foto: Klaus J. Loderer

1908 heiratete sie den Schauspieler Kurt Junker, der seit 1908 am Stuttgarter Hoftheater war. Sie war von 1910 bis 1920 am Stuttgarter Hoftheater und wurde zur württembergischen Kammersängerin ernannt. Bei der Uraufführung von „Ariadne auf Naxos“ sang sie 1912 im Kleinen Haus die Najade. Die Rolle der Nele sang sie 1913 bei der Uraufführung von „Ulenspiegel“ von Walter Braunfels. In ihrem Vertrag aus dem Jahr 1913 wurde ihr Jahresgehalt auf 6000 Mark festgelegt. Wegen ihres Gehörleidens wurde ihr 1920 auslaufender Vertrag nicht verlängert. Ein Versuch wenigstens als Chorsängerin weiter beschäftigt zu werden, lehnte die Theaterleitung 1921 ab. Kurt Junker spielte in einigen Stummfilmen mit und hatte 1935 seinen einzigen Auftritt in einem Tonfilm, als Metternich an der Seite von Gustav Gründgens in „Hundert Tage“. Sie starb 1947 in Winnenden, er 1953 in Stuttgart.


Hörbeispiel: Marga Junker-Burchardt singt „Wie stolz und stattlich“ aus „Der Trompeter von Säckingen“:


Elisa Wiborg

Geht man vom Eugensplatz die Treppen hinunter und die Eugenstraße entlang ist die Nummer 7 noch interessant. Das Haus mit der schönen Sandsteinfassade ließ 1897-1898 der Fabrikant Gustav Benk errichten. Die Pläne stammten von den Architekten Karl Beisbarth (junior) und Jacob Früh. Dort wohnte im dritten Stock Kammersängerin Elisa Wiborg. Die Sopranistin wurde als Tochter des Konsuls Thomas Møller Wiborg 1862 in Kragerø in Norwegen geboren. Ihre Ausbildung hatte sie bei Nathalie Hänisch. 1887 debütierte sie mit einem Konzert in Dresden. Ihr Operndebüt hatte sie als Margarethe in Gounods „Faust“ in Schwerin. Dort war sie bis 1890 engagiert. Bekannt wurde sie als Elisabeth bei den Bayreuther Festspielen. In Stuttgart war sie von 1893 bis 1909. Daneben gab sie Gastspiele in München, Berlin, Dresden, Leipzig und Karlsruhe. Sie hatte ein Repertoire von etwa 80 verschiedenen Rollen. 1896 gab sie in Moskau ein Konzert bei der Krönung von Zar Nikolaus II. und sang bei der norwegischen Erstaufführung von „Cavalleria rusticana“ in Christiania die Santuzza. Rudolf Krauß schrieb 1899 in „Bühne und Welt“, sie nehme „durch Innerlichkeit des Gesangs und Spiels für sich ein.“ Sie starb 1938 in Norwegen. Interessant ist aber auch noch, wer nach ihrem Auszug eine Etage tiefer einzog.


Alois Obrist

Das Haus hat nämlich eine interessante Beziehung zu Anna Sutter. Denn 1910 wohnte Hofrat Dr. Alois Obrist im zweiten Stock. Der 1867 in San Remo in Italien geborene Musikwissenschaftler war nach seiner Promotion über Melchior Franck in Berlin Kapellmeister am Theater Augsburg. 1893 heiratete er die fast zehn Jahre ältere Hildegard Jenicke, die seit 1878 Schauspielerin am Weimarer Hoftheater war. Von 1895 bis 1900 war er Hofkapellmeister in Stuttgart. 1901 bis 1907 war er Kustos des Franz-Liszt-Museums in Weimar. 1907 wurde er wieder Kapellmeister in Stuttgart. 1908 dirigierte er als letzte Vorstellung Wagners „Götterdämmerung“. Dann musste er wegen seiner Affäre mit Anna Sutter seine Stelle aufgeben. Er wurde auf dem Friedhof in Weimar bestattet.


Eugenstraße 7 in Stuttgart: hier wohnten Elisa Wiborg und Alois Obrist 
Foto: Klaus J. Loderer

Schlagen wir doch auch hier die anderen Bewohner nach. Das Adressbuch von 1910 führt an: im Erdgeschoss den Tier- und Genremaler Albert Kull, im ersten Stock den Privatier Joseph Levy und im dritten Stock den Hauptmann außer Dienst Freiherrn Gerhard von Puttkamer. Im Hinterhaus befand sich eine Schneiderei, die Herrenkleiderfabrik Mendel und Levy. Hausbesitzer war Jakob Früh. Das im Untergeschoss befindliche Papier- und Zeichenutensiliengeschäft von Pauline Kull dürfte seine Kundschaft wohl besonders in den Studenten der nahen Kunstakademie gefunden haben. An deren Stelle steht heute die Bibliothek der Staatsgalerie. In die Wohnung im zweiten Stock zogen später der Hofschauspieler Otto Meyer (=Georg Ottmay) und Klavierlehrerin Rosa Wallensteiner ein. Ottmay war von 1906 bis 1913 als jugendlicher Charakterspieler am Hoftheater.

Die Eugenstraße führt direkt auf das Bühnenhaus des Großen Hauses der Staatstheater zu. Früher stand vor dem Künstlereingang der 1914 von Karl Donndorf zusammen mit Richard und Willy Schönfeld gestalteten Schicksalsbrunnen gesehen, der an Anna Sutter erinnert. Für den Ausbau der Konrad-Adenauer-Straße zur Schnellstraße wurde der Brunnen 1963 auf die andere Seite des Theaters in den Schlossgarten versetzt.



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