Operngeschichte: Am 13. Januar 1923 in Berlin

Premiere „Die lustigen Weiber von Windsor im Theater des Westens 

– Opern und Operetten am 13. Januar 1923 in Berliner Theatern – 

von Klaus J. Loderer


Die Besetzung des Ruhrgebiets durch französische Truppen beschäftigte die Menschen im Januar 1923. Täglich kamen neue, beunruhigenden Schlagzeilen in den Tageszeitungen. Die Inflation nahm weiter zu. Ein Heft der nur noch wenige Seiten umfassenden Tageszeitung Berliner Volkszeitung kostete am 13. Januar 1923 schon 25 Mark. 

Der 13. Januar 1923, ein Samstag, bot in den Berliner Opernhäusern ein eher konventionelles Programm. Im Opernhaus unter den Linden lief „Die Zauberflöte“. Im Deutschen Opernhaus in Charlottenburg gab es „Tosca“. Im Theater des Westens war an diesem Abend die Premiere von Otto Nicolais Oper „Die lustigen Weiber von Windsor. Das Theater des Westens bespielte seit 1922 die Große Volksoper. Diese Aktiengesellschaft war 1919 gegründet worden, um in Berlin ein großes Volksopernhaus zu errichten, wozu es dann aber nie kam.

Das Theater des Westens in Berlin
Foto: Klaus J. Loderer

Über die Premiere erschien am 16. Januar 1923 in der Morgenausgabe der Tageszeitung Berliner Volkszeitung eine Kritik. M. Siegerist zerriss die Produktion: „In der Volksoper brachte man nach langer Vorbereitung Nikolais Lustige Weiber“ heraus. In dem Bestreben, etwas Neues, Sensationelles zu bringen, pendelte man bei dieser Neugestaltung, die sich gottlob nur auf Inszenierung und Dialog beschränkte, munter zwischen shakespearischer Einfachheit und neuzeitlichem Futurismus hin und her und schuf so Bühnenbilder, die bei dem Publikum verwundertes Kopfschütteln hervorriefen. Die Aufführung selbst, für die Alexander d’Anais verantwortlich zeichnete, war nicht so, wie sie sein sollte. Es war alles zu derb angefaßt, zu sehr unterstrichen, es fehlte der feine Lustspielen, der trotz aller Lustigkeit und allem Übermut das liebenswürdige Werk durchzieht. Das Orchester folge willig der energischen Leitung von Ernst Praetorius und spielte die wohlbekannte und allbeliebten Klänge im straffen Rhythmus, frisch und fröhlich mit schöner Steigerung, so daß die Tempoverzögerungen auf der Szene nicht zu arg ins Gewicht fielen. Stella Eisner war eine muntere übermütige Frau Fluth, sicher in Gesang und Spiel, Bertha Malkin als dreifach umworbene Anna war gesanglich recht tapfer, ebenso Heinrich Blasel als Fluth, dessen weicher, klangvoller Bariton sehr sympathisch berührt. Nicht anz so gut schnitt Ludmilla Dostal (Frau Reich) ab. Die Töne kamen nicht frei heraus, dem Spiel fehlte die Natürlichkeit. Und auch die Hauptfigur der Oper, den feuchtfröhlichen Falstaff, hätte man gern anders erlebt. Otto Moritz vergaß ganz, daß dieser dicke Schlemmer“, der Wein, Weib und Gesang liebt, doch immer ein Edelmann ist, er zeichnete ihn als einen Säufer und Hansnarr, was durch die groteske Maske noch betont wurde. Auch stimmlich konnte er nicht befriedigen, es fehlt seinem Maß die Wucht und die klangvolle Tiefe. Erfreulich wirkte dagegen der jugendlich frische Tenor, mit dem Maximilian Willinsky den Fenton sang. Die beiden anderen Bewerber um Annas Hand, Junker Spärlich (Kurt Widmann) und Dr.. Cajus (Franz Sauer) – letzterer mit einer Mephisto-Maske –, schnitten gut ab, ebenso Magnus Andersen als Herr Reich. Anmutig und graziös war der von Lucie Kieselhausen geleitete Elfentanz.“ Soweit M. Siegerists Kritik.


Ankündigung der Operette „Dein Mund“ von Maurice Ivan im Theater am Nollendorfplatz
Berliner Tageblatt und Handelszeitung 13. Januar 1923

Operetten in Berlin

Auch ein reiches Operettenangebot lockte Zuschauer an. All diese Titel sind heute vergessen. Es existieren noch nicht einmal mehr die Theater. Das Neue Theater am Zoo spielte seit der Uraufführung am 15. September 1922 „Dorine“ von Jean Gilbert, besetzt mit Grete Freund, Fritz Werner, Harald Paulsen, Albert Paulig, Richard Starnburg und Gustav Wilfan. Im Theater am Nollendorfplatz lief seit vielen Wochen „Dein Mund“ (Ta bouche) von Maurice Ivain mit Hella Kürty, Josephine Ripzinger, Luise Werkmeister, Curt Lilien, Fritz Schulz und Hans Schüren. Das Walhalla-Theater zeigte „Die schwarze Rose“ von Walter M. Goetze. Das Neue Operettentheater spielte „Heirate Deine Frau!“ mit Alfred Läutner und Eugen Rex und Grete Ly als Gast. Einzig „Madame Pompadour“ ist heute noch bekannt. Diese Operette Leo Falls lief seit ihrer Uraufführung am 9. September 1922 auch an diesem Tag im Berliner Theater. Die Besetzung war in dieser Vorstellung: Hilde Wörner, Ralph A. Roberts, Erik Wir und Leonhard Haskel.

Ankündigung der Operette „Dorint“ von Jean Gilbert im Neuen Theater am Zoo
Berliner Tageblatt und Handelszeitung 13. Januar 1923


Am 13. Januar 1923 fand die außerdem die Uraufführung einer neuen Operette von Oscar Straus statt. Das Große Schauspielhaus brachte „Die törichte Jungfrau“ heraus. zu dieser Premiere finden Sie unten einen Link.


Weitere Texte zur Berliner Theatergeschichte

Uraufführung der Operette Die törichte Jungfrau in Berlin

Uraufführung Die törichte Jungfrau von Oscar Strauss


Berliner Theatergeschichte am 17. November 1922:

Theatergeschichte: Vor 100 Jahren in Berlin


Komische Oper Friedrichstraße

Komische Oper Friedrichstraße


Hoffmanns Erzählungen und Der Gaukler unserer lieben Frau in der Komischen Oper:

Komische Oper in der Friedrichstraße


Komödie und Theater am Kurfürstendamm in Berlin:

Komödie und Theater am Kurfürstendamm


Der Tenor Robert Hutt im Deutschen Opernhaus Berlin:

Tenor Robert Hutt im Deutschen Opernhaus Berlin


Vergessene Oper: Magdalena von Fritz Koennecke im Deutschen Opernhaus Berlin:

Magdalena von Fritz Koennecke


Opfer der Nazis: Die Sopranistin Fanny Opfer:

Fanny Opfer


Vor der Oper zum Fünf-Uhr-Tee:

Fünf-Uhr-Tee


Der Schauspieler August Junkermann:

August Junkermann


Konservatorien in Berlin:

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