Operngeschichte: eine Anekdote über Adolf Carlhof und die Morwitz-Oper in Berlin

Donner im Pianissmio 

– Eine Anekdote um den Bassisten Adolf Carlhof und einen falschen Donner in einer Aufführung von Carl Maria von Webers „Oberon“ in der Morwitz-Oper aus dem Jahr 1905 – 

von Klaus J. Loderer


Heinrich Morwitz belebte in den Jahren um 1900 das sommerliche Berlin mit seiner sommerlichen Opernsaison, die in wechselnden Theatern stattfand. Schnell war sie als Morwitz-Oper bekannt. Im Sommer 1905 spielte die Morwitz-Oper im Schillertheater. Damit war allerdings nicht das erst 1907 eröffnete Schillertheater in Charlottenburg gemeint, sondern das heute nicht mehr existierende Wallnertheater in der Wallnertheaterstraße. Die Oberregie hatte der Bassist Adolf Carlhof inne, der auch als Sänger auftrat. Heute würde man seine Tätigkeit als Oberspielleiter bezeichnen. Dass Sänger und Schauspieler im Theater noch andere Posten versahen, war damals üblich. 


In der Saison 1905 soll in einer Aufführung von Carl Maria von Webers Oper „Oberon“ die folgende Begebenheit passiert sein, über die einige Berliner Zeitungen berichteten. Im Sommer waren die Tageszeitungen dankbar über Neuigkeiten. Überhaupt druckten die Berliner Tageszeitungen gerne die ihnen aus den Theatern zugetragenen Begebenheiten.


Anzeige mit Aufführungen der Morwitz-Oper im Juli 1905

Berliner Börsenzeitung 2.7.1905


Eine Opernanekdote in der Berliner Börsenzeitung

„Eine drollige Episode, wie die kühnste Phantasie eines Anecdotenfexes sie nicht glücklicher ersinnen kann, hat sich dieser Tage an der Morwitz-Oper abgespielt. Der dort als Oberregisseur fungirende Bassist Hr. Carlhof erzählt dem „Kl. Journ.“ darüber Folgendes: „Es war „Oberon“. Im zweiten Act hat während der Gewittermusik an einer ganz bestimmten Stelle ein Einschlag zu erfolgen. Um ganz sicher zu gehen, behielt ich es mir selbst vor, das Zeichen dazu zu geben und verband mich zu diesem Zweck mit den oberen Regionen, in welchen der „Donnerer“ seines Amtes waltete, durch ein herabgelassenes Seil. Sobald ich an dem Seil ziehen würde, sollte a tempo der Einschlag erfolgen. Kein versagendes elektrisches Signal. Nichts konnte mir einen Streich spielen, es mußte ja klappen. Und doch kam es anders. Ich stand, das Strickende um die Hand geschlungen, mit gespannten Sinnen wie auf dem Anstand, da ein Riß, – aber der Einschlag blieb aus, ich zog nochmals, stärker, ich zog crescendo, ich zog im Superlativ – von einem Einschlag war nichts zu hören. Erst viel später, an der unpassendsten Stelle, im pianissimo, krachte es dröhnend durch das Haus. Was in meinem Busen vorging, kann man sich denken, aber gewöhnt, das, „was nicht mehr zu ändern ist“, erst am nächsten Tage zu besprechen, beschied ich mir am andern Morgen den Donnerer auf mein Bureau. Er kam: ein kläglicher Jupiter tonans [Donnernder Jupiter, Anm. d. Verf.], ein kleines, schwaches Männchen, mit ängstlichem Gesichtsausdruck. In gesucht mildem, aber unheilschwangerem Tone fragte ich ihn um die Ursache des gestrigen Fehlers, aber mein Groll schmolz rasch, als er mir halbheiser in hoher Stimmalge Folgendes entgegnete: „Ja, wissen Sie, Herr C. ick hatte mir den Strick um ’n Leib jebunden und da hab’n Se mir bei’n ersten Ruck jleich umjeschmissen und wie ick uffste’hn wollte, da rissen Sie mir immer wieder uff die Erde, dat ich liegen blieb. Da rief ick denn Schulz’n, und der machte dann den Einschlag.“ – Wer die Hünengestalt X.s kennt, wird das Drastische der Situation verstehen.“ (Berliner Börsenzeitung vom 12.7.1905)

Der Bassist Adolf Carlhof

Über Adolf Carlhof ist wenig bekannt. Nach dem Bühnenlexikon war er 1889 am Hoftheater in Altenburg, 1890 am Stadttheater Regensburg, 1891 am Hoftheater (heute Nationaltheater) Mannheim und 1891/1892 am Stadttheater Magdeburg. 1892/1893 sang er am Stadttheater Nürnberg. Anschließend lebte er einige Zeit als Privatier in Mailand. In der Saison 1894/1895 sang er am Stadttheater Königsberg. 1895 bis 1898 war er am Stadttheater Chemnitz. 1898 trat er als Sänger in der von Heinrich Morwitz durchgeführten Sommeroper im Theater des Westens in Berlin auf. In den Sommern 1899 bis 1906 war er Oberregisseur der Morwitz-Oper. 1901 war Carlhof Mitglied der Monatsoper von Ludwig Hansing an den Stadttheatern Neiße und Schweidnitz. Diese kleine Opernsaison dauerte vom 6. April bis 6. Mai 1901. Wieder war er Sänger im nur aus dreizehn Personen bestehenden Ensemble und Regisseur. In der Saison 1906/1907 war Carlhof am von Otto Brucks geleiteten Stadttheater in Metz als stellvertretender Direktor mit Prokura und Oberregisseur der Oper. 


Außerdem trat Adolf Carlhof unter dem Ritternamen Murphy von der Contra-Octave am 8. November 1901 in die Magdeburgia ein, einer Schlaraffia-Vereinigung, der zahlreiche Mitglieder des Theaters angehörten. Nach dem Vorbild der 1859 von Schauspielern in Prag gegründeten Schlaraffia, die den Wahlspruch »In arte voluptas« (In der Kunst ist Lust) führte, entstanden in vielen Städten Vereinigungen zur Pflege von Freundschaft, Kunst und Humor.

 

 

Literatur

O.G. Flüggen: Biographisches Bühnen-Lexikon der deutschen Theater. 1. Jg. München1892. S. 46.



Heinrich Morwitz und seine Morwitz-Oper

https://opernloderer.blogspot.com/2021/02/theatergeschichte-die-morwitz-oper.html




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