Doch wo ist die Inszenierung? „Jephtha“ von Georg Friedrich Händel – Staatstheater Wiesbaden – 2018

Doch wo ist die Inszenierung? 

Achim Freyer bekleckst Händels „Jephtha“ am Staatstheater Wiesbaden 

von Franz Meyer

Seit Jahrzehnten macht sich der bekannte Künstler Achim Freyer an großen Opernwerken zu schaffen. Doch wer schon einmal eine Freyersche Bearbeitung  gesehen hat, der hat sie alle gesehen, denn es ist eigentlich immer das gleiche. Es ist schon erstaunlich, wie man Starruhm mit einer Einheitsinszenierung erlangen kann. Es bewegt sich wenig, bestenfalls gar nichts, alle Protagonisten stehen irgendwo herum, im aktuellen Fall auf Kistchen, diesmal fuchtelt man mal wieder mit Stöckchen herum. All das hat man schon mehrfach gesehen. Das Bühnenbild, der große Künstler ist natürlich auch dafür verantwortlich, besteht aus einem bemalten Rückprospekt und bemalten Kistchen. Malen möchte ich es vielleicht doch eher nicht nennen, denn (auch wie üblich) es sieht eher nach infantil hässlichem Kindergarten-Gekritzel aus. Das singende Personal ist ähnlich hässlich mit Farbe zugekleistert (passt gut, es ist ja Fastnacht), wie immer kann man die Gesichter gar nicht mehr richtig ausmachen, auf dem Hinterkopf trägt man sein Gesicht noch einmal als Maske (praktisch, kann man dann zu Halloween wiederverwenden).

Das ganze wurde vom einzigen Künstler, der an der Installation beteiligt war, dem Lichtdesigner Andreas Frank großartig beleuchtet. Das verführt! Auch ich war, als ich die erste Freyer Bühnenaufstellung gesehen habe, erst einmal begeistert. Das sieht wirklich großartig aus, wie auch hier in „Jephtha“, aber das macht ja noch keine Inszenierung. Wer jetzt eine Personenführung erwartet, etwas Erklärendes, etwas Dargestelltes, der wird vergeblich suchen. Das Personal auf der Bühne dreht sich mal, dreht seine Stöckchen, macht mal eine Geste, der Chor läuft umher, sofern er überhaupt zu sehen ist, aber viel mehr passiert nicht. Warum man dann ein Oratorium überhaupt szenisch darbieten möchte, ist mir unklar, weil ja nichts inszeniert wird. Es wird beleuchtet und bekritzelt, aber eben nicht inszeniert. Zudem verwundert mich, das Herr Freyer sich dazu einladen ließ, wenn er den Inhalt für „zu religiös“ hält!?!

„Jephtha“ in Wiesbaden: Anna Als i José, Terry Wer, Mirko Roschkowski und Wolf Matthias Friedrich
Foto: Karl & Monika Forster

Um es dem Künstler recht zu machen, hat man kurzerhand fast den kompletten dritten Teil gestrichen, dem Publikum damit wunderschöne Musik vorenthalten, wofür es aber voll bezahlt hat. Ich plädiere für 2/3 des Eintrittspreises, wenn ich nur 2/3 eines Stücks zu sehen bekomme! Gut, nach 15 Minuten hat man eigentlich alles gesehen, kann zuhören, gemütlich den eingeblendeten Text mitlesen, auf der Bühne verpasst man nichts.

Gesanglich gehört der Abend den Herren der Aufführung. Allen voran Mirko Roschkowski als Jephtha. Er singt mit seinem wunderschönen Tenor einen kraftvollen Helden, versteht es aber auch in den leisen Momenten die Stimme zurück zu nehmen. Seine große Klage gestaltet er mit schmerzlichem, leidenschaftlichem Ausdruck in der Stimme, und macht es damit zum eindringlichsten Moment des Oratoriums. Wer Mirko Roschkowski kennt, weiß, wie sehr er zur körperlichen Darstellung seiner Partien neigt. Wie schwer muss ihm das statische Herumstehen auf seiner Kiste gefallen sein? Ihm zur Seite Terry Wey als Hamor. Der Countertenor hat eine wunderschöne Höhe, und singt seine Partie in jeder Lage ohne Probleme. Ihm gleich Wolf Matthias Friedrich mit profundem Bass als Zebul. Gloria Rehm als Iphis verfügt über eine anständige Mittellage, aber ihre Höhe ist sehr scharf und metallisch. Das klingt nicht schön bei einem so leisen barocken Werk. Anna Alás i Jové verfügt eigentlich über eine wunderschöne Altstimme, aber sie gestaltet stimmlich manche Szene mit dermaßen viel Impetus, was ebenfalls bei einem barocken Werk, gar einem religiösen, absolut unangemessen ist. Es handelst sich schließlich nicht um eine Verismo-Oper.

Konrad Junghänel dirigiert einen spannenden „Jephtha“, besonders eindrucksvoll gestaltet er den Schluss. Warum es trotzdem nicht schön klang, lag am Orchester. Vielleicht ist es doch besser, ein auf barocke Werke spezialisiertes Orchester zu engagieren, als das Hauspersonal einzusetzen. An den Abenden hat man verschiedene Orchesterbesetzungen im Graben. So kann es zu keinem befriedigenden Ergebnis führen.

Tja, im Flyer zur Inszenierung wurde großartig von Herrn Freyer angekündigt: „Ich finde die Mythen zunehmend wichtiger, damit wir sie hinterfragen, damit wir die Rolle der Menschen in ihnen ergründen“. Ich habe davon nicht einmal Ansätze erkennen können. 

Besuchte Vorstellung: 10. Februar 2018
(Premiere 4. Februar 2018)

Hessisches Staatstheater Wiesbaden, Großes Haus

Auch Klaus J. Loderer war in "Jephtha". Hier geht es zu seiner Besprechung

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Skandal: Enrico Caruso und die spektakuläre Trennung von Ada Giachetti

Vor der Oper: das historische Café Rommel in Erfurt

Buchbesprechung: Paul Abraham, der tragische König der Operette – eine Biographie von Klaus Waller