Divertissementchen von Cäcilia Wolkenburg „Fastelovend zesamme!“ – 2023

Wie der preußische König den Kölner Karneval rettete 

– Divertissementchen „Fastelovend zesamme!“ der Bühnenspielgemeinschaft Cäcilia Wolkenburg würdigt Jubiläum 200 Jahre organisierter Karneval in Köln – 

von Klaus J. Loderer


Vier Frauen träumen nachts. Im Traum hören sie eine Trommel, das Trömmelsche, das zum Karneval ruft. Über Jahre des Karnevals entwöhnt durch obrigkeitliche Coronaverbote, haben sie nun eine unstillbare Sehnsucht nach Karneval. Zumal ein bedeutendes Jubiläum ansteht, nämlich das zweihundertjährige Jubiläum des organisierten Karnevals in Köln. Die vier sind zufälligerweise die Ehefrauen der Präsidenten der renommiertesten Karnevalsorganisationen und erinnern sich zurück, wie vor zweihundert Jahren ihre Vorfahren den Karneval retteten. 1823 war der Karneval in Gefahr. Köln war preußisch besetzt und der Straßenkarneval sollte verboten werden,


Harlekin-Spiegelzauber-Ballett bei der venezianischen Soiree im Hause Schmitz
Foto: Thomas Brill

Wie vier Frauen den Kölner Karneval retten, ist das Thema des diesjährigen Divertissementchens. In der Karnevalszeit gehört die Bühne der Oper Köln Cäcilia Wolkenburg, der Bühnenspielgemeinschaft im Kölner Männer-Gesang-Verein – weshalb auch nur Männer auf der Bühne auftreten. Das neue „Zillche“ „Fastelovend zesamme!“ ist gewissermaßen die Fortsetzung des vorjährigen Divertissementchens. Das bezog sich auf die Zeit der französischen Besatzung Kölns. Lajos Wenzel hat sich dazu eine kurzweilige Handlung mit witzigen Dialogen ausgedacht, Johannes Fromm und Manfred Schreier fielen flotte Liedtexte ein und Thomas Guthoff hat ein gelungenes musikalisches Arrangement mit einer Mischung von Klassik bis Schlager ausgearbeitet – eine gute Basis für ein erfolgreiches Divertissementchen. Dass die kölschen Liedtexte auf Bildschirmen gezeigt werden, animiert das Publikum immer wieder zum Mitsingen. Bei den Kölner Karnevals-Hymnen ist es sowieso Tradition, dass der ganze Saal zusammen singt. Für eine wesentliche Verbesserung des Klangeffekts sorgt das neue Tracker-System, das bewirkt, dass man der Schall aus der Richtung des Sängers hört. Dadurch sind die Solisten auf der großen Bühne zwischen den zahlreichen Choristen und Tänzern leichter auszumachen.


Eine kurzweilige Show

Alles in allem ist „Fastelovend zesamme!“ eine kurzweilige Show, in der das Verhältnis von Dialogen, Solo-, Chor- und Tanznummern sehr ausgewogen ist. Die teilweise turbulente Handlung überrascht immer wieder. Die großen Ensemble-Nummern sind überaus effektvoll.


Treffpunkt der besseren Gesellschaft: venezianische Soirée bei Frau Schmitz
Foto: Thomas Brill

Wieder ist der Heumarkt der Schauplatz der Handlung, die ihn umgebenden Giebelhäuser kennt das Publikum schon als Bühnenbild des Vorjahrs. Hanswurst Bernd Anders (Johannes Fromm) macht dort seine Späße. Doch die werden ihm von der frisch eingetroffenen preußischen Sondertruppe verboten. Nur der besonders steife junge Soldat Otto von Stiesel (Jan Faßbender) findet irgendwie Gefallen an der Kölner Art. Wichtige Szenen finden im Haus der Frau Schmitz (Dirk Pütz) statt, das mit seiner markanten Treppenhalle schon im letzten Jahr das Publikum begeisterte (Bühnenbild Tom Grasshof). Nun findet dort für die „Olymische Gesellschaft zu Köln“ eine venezianische Soirée statt. Natürlich erhält das Harlekin-Spiegelzauber-Ballett zu Vivaldi-Musik ob seiner prunkvollen Kostüme einen stürmischen Beifall (Kostüme Judith Peter). Dass Heinrich Heine und William Turner unter den Gästen sind, gehört zu den netten Details aus der Kölner Stadtgeschichte, die Lajos Wenzel liebevoll in die Handlung einbaute. Eingeladen sind Margarete von Wittgenstein (Rainer Wittig) und Liss Zoll (Manuel Anastasi). Die feine Gesellschaft stört sich nicht daran, dass der Volkskarneval auf den Straßen verboten wurde. Stina Pfeffenhausen (Simon Wendring) und Änni Anders (Karl Gesell) schleichen sich dort ein und sorgen dafür, dass eine Lösung gefunden wird, an der auch das Volk beteiligt ist: „Fastelovend zesamme“ – die Fastnacht soll zusammen gefeiert werden. So kommt man auf die Idee ein „festordnendes Komitee“ zu gründen mit dem Präsidenten Heinrich von Wittgenstein (Thoas Kirst). Es ist aber vor allem Georg Pfefferhause, der die Organsation des Karnevals übernimmt und immer wieder zwischen Unter- und Oberschicht vermittelt. Das ist natürlich die Paraderolle für Jürgen Nimptsch, seines Zeichens „Baas“ de Cäcilia Wolkenburg. 


Änni (Karl Gesell), Margarete (Rainer Wittig), Georg Pfeffenhausen (Jürgen Nimptsch), Lisa (Manuel Anastasi) und Stina (Simon Wendring, v.l.)

Foto: Thomas Brill


Wie die Roten Funken entstanden sind

Man überlegt, wie man den geplanten Karnevalsumzug in die Tradition Kölns stellen kann. Dass man die „hellige Knäächte un Mägde“ wiederaufleben lassen will, ist eine Steilvortlage für den Chor der 11000 Jungfrauen. In Erinnerung an die Kölner Stadtgarde soll eine Karnevalsgarde ins Leben gerufen werden. Doch wie sahen die Uniformen aus? Auftritt der Stadtsoldatenkommandantenwitwe Billa (Peter Wallraff, ein Cäcilia-Wolkenburg-Urgestein). Dass die Uniformen rot und weiß waren, muss natürlich zum Bläck-Fööss-Lied „Rut un wieß, wie lieb ich Dich“ führen. Den ersten Auftritt der neu gegründeten Roten Funken – bis heute die traditionsreichste der Kölner Karnvealsgarden – unterbricht der preußische Kommandant (Hans Peter Justen) schnöde. Da greift aber das Publikum ein. Heftige Buhs hagelt es.


Da äußert das Publikum seinen Unmut: der Preuße will die neu gegründeten Roten Funken verbieten
Foto: Thomas Brill

Eine Politsatire um eine Gurkentruppe

Die Kölner Frauen fahren nach Berlin, wo ihnen die Kontakte von Stiesels Verlobte Molli (Volker Bader) helfen. Zu den köstlichsten Szenen gehört der Beginn des zweiten Teils, einer Sitzung der königlichen Regierung als eine Politsatire bester Güte auf die unschwer zu erkennende derzeitige Bundesregierung: Da diskutiert ein Kanzler Schulz (Jens Hanzlik) erfolglos mit seinen unfähigen Ministern Haarbecki (Florian Gutermuth), Bockbär (Meinolf Rickert), Lindi (Jörg Thomsen), Schafbrecht (Frithjof Himmelmann) und Waltzinger (Peter Straub). Doch die meisten Lacher erhält Heinz-Peter Hartlieb für seinen rheinischen Minister Klabautermann. Auch der bayerische Löwe aus dem Söden (Friedhelm Finken) und Andi B. Scheuert (André Boeck) finden keine Lösung. Als Gurkentruppe („Wir gurken durch die Politik“) zieht die Regierung schließlich beleidigt ab. König Friedrich Wilhelm III. (Henning Jäger) sagt den Frauen schließlich die Durchführung des Karnevals zu und kommt sogar persönlich nach Köln.

Der Karnevalszug von 1823

So wird denn auf dem Heumarkt der Zug vorbereitet. Das gerät zum fulminaten Finale, in dem das Publikum den Aufzug der Gruppen und besonders der Cäcilia-Wolkenburg-Roten-Funken bejubelt. Der Berliner Fabrikant Erwin Bolle (Christian Manthe) löst einen Wetteinsatz ein und wird, begleitet von lautem Johlen, zum ersten Funkenmariechen. Sogar der historische Wagen von Held Karneval wurde nachgebaut. Nur einen Wermutstropfen bemängelt Georg Pfeffenhausen, die Teilnahmegebühr von drei Talern hat das einfache Volk vom Zug ausgeschlossen.


Im begeisterten Publikum sitzt auch eine Gruppe der Gold-Krämer-Stiftung. Es ist eine schöne Tradition, dass die Menschen mit geistiger oder körperlicher Behinderung zur Vorstellung eingeladen sind. Das Publikum beginnt nach dem Finale, seine Cecilia Wolkenburg zu feiern. Doch unterbricht Regisseur Lajos Wenzel den Schlussapplaus der zur Vorpremiere aufgewerteten Generalprobe nach einer Runde, da noch an den Feinheiten zu arbeiten sei. Aber das Zillche-Lied singen KMV und Publikum begeistert zusammen. Erst das Premierenpublikum darf Cecilia Wolkenburg gebührend feiern und tut dies auch mit Standing Ovations. In einer der Folgevorstellungen sind dann sogar die echten „Roten Funken“ auf der Bühne. Und umgekehrt revanchiert sich Cäcilia Wolkenburg mit einem Auftritt bei diesen. Köln feiert sich und seinen Karneval. Es soll für die letzten Vorstellungen noch wenige Restkarten geben.

 

Besuchte Vorstellung: Vorpremiere am 20. Januar 2023

Staatenhaus Köln

 


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Skandal: Enrico Caruso und die spektakuläre Trennung von Ada Giachetti

Vor der Oper: das historische Café Rommel in Erfurt

Buchbesprechung: Paul Abraham, der tragische König der Operette – eine Biographie von Klaus Waller