Buchbesprechung: 150 Jahre Eisenbahn in Ehingen

Eisenbahn als „Herold der besseren Zeit“ 

– Ein Buch von Ulrich Holtz zur Geschichte der Eisenbahn in Ehingen – 

von Klaus J. Loderer


Willkommen, willkommen die Stunde, 

Mein Donnerroß, die du uns bringst,

Willkommen die bessere Kunde,

Die du uns Grüßenden klingst.


Das sind Zeilen aus einem Gedicht, das August Butscher 1869 zur Eröffnung der Eisenbahnstrecke zwischen Ehingen und Riedlingen dichtete. Er begrüßte die Eisenbahn 1869 als „Herold der besseren Zeit“ nach dem „endlosen Kampf“ der Völker. Damit war ein weiteres Zwischenstück einer Querverbindung von Ulm über Sigmaringen nach Freiburg im Breisgau entstanden. Für Frieden sorgte der „weltenverbindende Dampf“ allerdings nicht. Schon im Jahr darauf begann der deutsch-französische Krieg.


Das Gedicht ist abgedruckt in einem umfangreichen, von der Museumsgesellschaft Ehingen herausgegebenen Band, in dem Ulrich Holtz die Eisenbahngeschichte der Region erforscht hat. Holtz geht ausführlich auf die Vorgeschichte und die Anbindung Ehingens an das Eisenbahnnetz, den Bau von Strecke und Bahnhöfen und den Betrieb im Wandel der Geschichte ein. Er dokumentiert aber auch die nicht verwirklichten Projete für Nebenbahnen und geht auf Zukunftsprojekte ein. Dazu hat er eine Vielzahl an Materialien zusammengetragen wie alte Fotos, Streckenpläne, Fahrpläne, Bahnhofspläne, Kursbuchauszüge, Zuglaufpläne etc. Man findet aber auch Kuriositäten und besondere Ereignisse wie Unglücksfälle. Holtz spürt auch dem Leben in den Bahnwärterhäusern und in den Bahnhöfen nach, wodurch interessante Details zur Sozialstruktur zutage kamen. Außerdem hat der Autor eine ganze Anzahl von Zeitzeugen befragt, darunter etwa den Gärtner, der den Blumenschmuck der Bahnhöfe pflegte.

Die Anbindung Ehingens an das württembergische Eisenbahnnetz

Wie Ehingen zu einem Eisenbahnanschluss kam, ist eine spannende Geschichte. Fast wäre Ehingen schon mit dem Bau der württembergischen Centralbahn zu einem Bahnhof gelangt – aber eben nur fast. Das belegt Holtz mit den Planungen des Jahres 1843, als die Oberingenieure Etzel, Klein und Knoll für die Südbahn ab Ulm eine Strecke über das Blautal und Ehingen nach Friedrichshafen befürworteten. Ausgeführt wurde allerdings die Strecke über Laupheim und Biberach. Doch noch in einer anderen Planung taucht eine Streckenführung über Ehingen auf. Freiherr von Hornstein schlug 1845 statt des Albaufstiegs bei Geislingen eine Art Ringbahn zwischen Plochingen, Göppingen, Aalen, Heidenheim, Ulm, Schelklingen und Urach vor, an die in Schelklingen die Südbahn nach Friedrichshafen angebunden werden sollte. Und auf dem Weg nach Lauphem hätte diese Strecke Ehingen tangiert. So musste Ehingen bis in die 1860er-Jahre warten, als eine Bahnstrecke durch das Blau- und das Donautal nach Sigmaringen geplant wurde, die Verbindungen zur Zollernbahn nach Tübingen und an die badische Bahn schaffen sollte. Holtz geht auch auf die Diskussion der Streckenführung zwischen Ehingen und Riedlingen ein, die ursprünglich über das Dobeltal geplant war, dann aber nach Interventionen aus Munderkingen und Untermarchtal über  diese Orte erfolgte.


Ausführlich geht Holtz auf den Bahnhof in Ehingen, seine Lage, die städtebauliche Anbindung und das Empfangsgebäude ein. So erfährt man ausführlich von den verschiedenen Generationen der Stellwerke. Holtz dokumentiert auch zahlreiche Mitarbeiter des Bahnhofs. Zur wirtschaftlichen Bedeutung des Bahnhofs gehören die Anbindungen an die Zementfabrik und die Schwäbische Zellstoff AG.


Insgesamt ist Ulrich Holtz eine interessante Studie zur regionalen Eisenbahngeschichte geglückt, in der er sich mit vielen Detailfragen beschäftigt. Dass er zahlreichen Fragen zur unteren Ebene des Betriebs von Bahnhöfen und Eisenbahnstrecke und ihrer Einbindung in Stadt und Region nachgeht, macht das Buch zu einem wichtigen Mosaikstein in der großen Eisenbahngeschichte.

 


Ulrich Holtz


150 Jahre Eisenbahn in Ehingen

Eisenbahngeschichte in Ehingen und Umgebung


Hrsg. von der Museumsgesellschaft Ehingen

Ehingen 2019

ISBN 978-3-9820835-0-6

335 S., zahlr. Ill., Karten und Tabellen.

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