Ausstellung: Gemälde des ungarischen Malers Róbert Várady im Liszt-Institut Stuttgart
Schöpfen aus dem Wasser des Seins
– Die anonymen Welten in den Bildern von Róbert Várady – eine Ausstellung im Liszt-Institut in Stuttgart –
von Klaus J. Loderer
»Schöpfen aus dem Wasser des Seins« ist der Titel der Ausstellung mit Ölgemälden des ungarischen Künstlers Róbert Várady, die ab dem 11. Februar im Liszt-Institut, dem ungarischen Kulturinstitut in Stuttgart, zu sehen war. Der Titel ist die abgewandelte Variante des Titels eines Gemäldes. Dieses zeigt den deutschen Philosophen Martin Heidegger mit einem Eimer an einem Fluss. Das Ölgemälde ist tatsächlich inspiriert von einem Foto, das Heidegger, gekleidet in weißem Hemd, mit Krawatte und schwarzer Strickweste und einem Eimer zeigt. Das galt in bürgerlichen Kreisen damals als leger. Heidegger hatte eine Hütte bei Todtnauberg im südlichen Schwarzwald. Allerdings gab es keinen Wasseranschluss und er musste das Wasser mit einem Eimer holen. Das Foto hat also einen ganz banalen Hintergrund. Róbert Várady war aber fasziniert von der grotesken Situation. Man schmunzelt unvermittelt bei diesem Bild. Der Maler war sich der Ironie zweifelsohne bewusst. Várady erweiterte das Motiv für das Gemälde um einen Fluss und brachte es dadurch in Zusammenhang mit der von Heidegger gestellten Seins-Frage. Róbert Várady sagt dazu selbst: »Eine der Hauptrichtungen von Heideggers Philosophie ist die phänomenologische Untersucht der Frage der Existenz im Allgemeinen, daher dachte ich, dass das Wasser, mit dem viele heiligen mythologischen Bilder verbunden sind, das Wasser des Lebens sein könnte, was in diesem Zusammenhang an das Wasser der Existenz erinnert, wenn der größte Meister der Ontologie mit einem Eimer vor ihm steht.« Die Ontologie ist in wörtlicher Übersetzung als Lehre des Seienden eine Disziplin der Philosophie.
»Geschäftsabschluss bei Vollmond«, Gemälde von Robert Várady 2011 |
Dass der schwarz gekleidete Herr etwas verloren in der nicht näher zu erkennenden Landschaft steht, dass man gerade noch das Wasser und eine Wiese erkennen kann, ist ein durchaus typisches Kennzeichen der Bilder des ungarischen Malers, der die Menschen oft völlig vereinzelt in eher unwirtlich kühlen Räumen zeigt.
In den letzten Jahren ist Róbert Váradys Malweise fotorealistisch. Es gab allerdings davor bei dem 1950 in Budapest geborenen Maler eine abstrakte Phase. Auch heute noch stehen abstrakte Arbeiten, der Schwerpunkt liegt aber in der Darstellung des Menschen und seinem Verhältnis zur Umgebung. Sie wirken bei ihm oft statuenhaft. Interaktionen zwischen den Menschen auf den Bildern unterbleiben zumeist völlig. Várady studierte Malerei an der Budapester Kunstakademie. Zu seinen Lehrern gehörten János Somogyi, Ervin Tamás, Gábor Papp, Ignác Kokas und Károly Klimó. Ab 1978 zeigte er seine Bilder in zahlreichen Ausstellungen in Ungarn und im Ausland.
»Heidegger schöpft aus dem Wasser des Seins« 2014, Gemälde von Robert Várady |
Kontraste der Stimmungen
Beim im Eingangsbereich des Liszt-Instituts als Auftakt und Blickfang gezeigten Bild »Geschäftsabschluss bei Vollmond« ist das Ambiente geradezu üppig gestaltet mit Teppich, Desigernsessel und der Aussicht auf ein nächtliches Gebirgspanorama. Und doch macht gerade das die Ironie des Bildes aus. Denn die Hauptpersonen dieses Bildes haben für die wildromantische Landschaft keinen Blick. Fast wie Statuen stehen sie steif und aufrecht da und reichen sich die Hände. Man mag kaum zu sagen, dass sie die Hände schütteln, so regungslos stehen sie da, förmlich schwarz gekleidet mit Aktenmappe. Es ist eine bewusste Ironie, die Róbert Várady da zeigt, einen Kontrast zwischen dem trockenen Geschäftswesen im kühlen Design-Ambiente und dem mit Vollmond verklärten Hintergrund, der als Reminiszenz an die Romantik von Gefühlen und mystischen Dingen zeugt. Doch hat das Bild auch noch einen surrealen Aspekt und der liegt in der Lichtführung begründet. Der Vollmond befindet sich hinten rechts, fast verdeckt durch einen Berg. Die das Bild scharf belichtende Lichtquelle ist aber auf der linken Seite. Sie ist unsichtbar. Dann müsste auch noch eine Lichtquelle hinter dem Betrachter sein. Diese verschiedenen Lichtquellen werfen ein ganz unterschiedlich geprägtes Licht. Der Raum ist kühl beleuchtet, auf die Gesichter fällt aber ein warmes Licht. Der Künstler spielt also auf unterschiedliche Weise mit den verschiedenen Stimmungen. Dass die beiden Personen so steif wirken, hat den Grund, dass Várady sie nicht räumlich gezeichnet hat. Sie besitzen keinerlei Tiefe und könnten auch Attrappen aus Pappe sein.
Der Blick von oben
Róbert Várady nimmt auch gerne ungewöhnliche Perspektiven ein. In »Von oben aus ist alles anders IV« sehen wir drei gehende Personen – allerdings von schräg oben. Sie gehen mit großen Schritten zügig über eine nicht näher definierte graue Fläche. Dass sie überhaupt Bodenhaftung haben, erkennt man nur durch den harten Schlagschatten. Ohne diese könnte man meinen, sie schweben irgendwo in den Wolken. Várady möchte damit die Vereinzelung der Menschen in modernen Großstadtgesellschaften zeigen. Die umgekehrte Perspektive findet man im Gemälde »Sicht von unten«. Wir sehen Beine und Füße. Durch die Untersicht und die nicht sichtbaren Oberkörper sind die Personen völlig anonym. Wir erkennen durch die klassische Bekleidung gerade einmal, dass es sich um zwei Männer und drei Frauen handelt. Die Stellung der Beine deutet an, dass die Menschen in einer Diskothek tanzen.
»Alterego«, Gemälde von Robert Várady 2014 |
Eine extreme Draufsicht nimmt Várady im Bild »Alterego« ein. Dort schauen wir von oben auf zwei Köpfe, auf zwei Männer, die sich gegenüberstehen. Von den Körpern ist nichts zu sehen. Es sind zwei hell beleuchtete Glatzen auf schwarzem Grund. Sie sind also aus jeglichem Zusammenhang gelöst. Doch sind es zwei Männer? Sie scheinen identisch. Der verstörende Titel deutet an, dass es sich um eine Person handelt. Doch welche ist die echte Person? Im modernen Sinne ist es das Thema des Klons, das der Künstler hier anspricht, er bezieht sich aber auch auf die Dichtung des 19. Jahrhunderts, in der seit der Romantik das Alter Ego als echte oder vermeintlich echte Figur immer wieder auftaucht.
Auch im Bild »Vergänglichkeit« wird nicht ganz klar, ob da zwei Köpfe in Nischen stehen oder ob man durch runde Löcher zwei hinter einer Wand stehende Personen sieht. Der Künstler macht sich einen Spaß daraus, uns darüber im Unklaren zu lassen. Wir schauen also auf eine gräuliche Platte mit runden Löchern und Vertiefungen, in denen zwei geradezu fotorealistisch gemalte menschliche Köpfe zu sehen sind. Die Gesichter der Frau und des Mannes sind gealtert. Wir sehen die Folgen der Zeit. Várady äußert sich dazu selbst: »Ich wollte mit diesem Bild auch Zeitlosigkeit, Zerbrechlichkeit und doch eine etwas zeitlose Schönheit vermitteln.« Auch bei diesem Bild setzt Váraday ein mysteriöses Licht ein. Die Gesichter müssten in den Nischen eigentlich verschattet sein. Er richtet aber zwei Spots auf sie.
Im Bild »Spleen« ist die Situation einfacher. Da schauen wir auf eine graue Fläche und sehen durch zwei kreisrunde Öffnungen zwei Frauenköpfe im Profil. Völlig aus einem räumlichen Zusammenhang löst Várady die fünf Köpfe in »Inkognito II« heraus. Hier sind die Gesichter völlig von einem eventuellen Körper abgetrennt und noch einmal entfremdet, da wir sie durch rechteckige Öffnungen in einer grünen Fläche sehen.
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