Vortrag von Marion Hilliges über die Keyzerspoort in Antwerpen
Das Stadttor als politische Architektur
– „Der Triumph der maniera italiana – die Keyzerspoort in Antwerpen“, Vortrag von Dr. Marion Hilliges in der Reihe „ifag um sieben“ des Instituts für Architekturgeschichte der Universität Stuttgart –
von Klaus J. Loderer
Mit politischer Architektursprache befasste sich die von Prof. Dr. Klaus Jan Philipp ins Leben gerufene Reihe „ifag um sieben“ am 14. Juni und fand wie alle Veranstaltungen des Sommersemesters als Onlinevortrag statt. Ausgehend von einer Darstellung des Antwerpener St.-Georgs-Tors (Sint Joris Poort) von Pieter Bruegel dem Älteren mit einem von Schlittschuhläufern und Spaziergängern bevölkerten zugefrorenen Stadtgraben stellte Dr. Marion Hilliges, die 2009 zum Torbau des 16. Jahrhunderts promovierte, die Architektur dieses Tors vor. Zum Schutz der Stadt ließ Kaiser Karl V. bzw. seine Schwester, die ab 1531 Statthalterin der Niederlande war, eine neue Stadtbefestigung um Antwerpen anlegen. Der italienische Baumeister Donato Bono plante das erste moderne Verteidigungssystem mit Bastionen und Wällen nördlich der Alpen. Es waren italienische Architekten, die das neue Festungssystem in ganz Europa verbreiteten. Es löste das alte System mit Stadtmauern und hohen Türmen ab.
St. Jorispoort (St.-Georgs-Tor) oder Keizerspoort (Kaisertor) in Antwerpen,
Stich von Jozef Linnig |
Vorbilder waren die neuen Stadtbefestigungen um Städte des venezianischen Festlandbesitzes. Venedig ließ die im Zuge der Auseinandersetzung mit der Liga von Cambrai eroberten Städte mit neuen Festungsanlagen versehen. Demonstrativ wurde an den als Triumphtoren nach antiken Vorbildern gestalteten Stadttoren der Markuslöwe als Herrschaftszeichen angebracht. Ausführlich stellte Hilliges die Porta Nova in Verona vor. Der Baumeister Michele Sanmichele schuf dort mit einer repräsentativen Formensprache einer dorischen Rustika ein Schema, das dann vielerorts kopiert wurde. Hilliges zeigte auch, wie Karl V. nach dem Vorbildsystem der venezianischen Festungsanlagen in den Niederlanden ein System stark befestigter Städte schuf. Den Wunscharchitekten Sanmichele konnte er allerdings nicht gewinnen. Besonders das wirtschaftliche Zentrum Antwerpen sollte besonders beschützt werden und zwar vor dem Karls politischem Konkurrenten, dem französischen König Franz I. Hilliges verglich das St.-Georgs-Tor, das nach einem feierlichen Einzug Karls V. und seines Sohnes Philipp in Kaisertor (Keyzerspoort) umbenannt wurde, mit den italienischen Vorbildern und kam zu dem Schluss, dass es sich nicht um ein Triumphtor im antiken Sinne handelt, sondern dass die Wehrhaftigkeit des Festungstors im Vordergrund steht. So ist die Ähnlichkeit mit den italienischen Stadttoren nur vordergründig. Es finden sich in Antwerpen etwa keine Siegesgenien, sondern es ist eine deutliche Festungsikonografie. Allerdings besaß die Gestaltung des oberen Bereichs des Tors mit den Wappen durch die beiden Säulen (des Herkules) einen deutlichen Bezug auf Karl V. und die von ihm gepflegte Ikonografie.
Erhalten ist das Tor nicht. Sein Aussehen ist durch Stiche und Fotos dokumentiert. Im späten 19. Jahrhundert wurde es dem Bau der an der Stelle der abgetragenen Wallanlagen angelegten Ringstraße geopfert. Die Fundamente wurden vor ein paar Jahren ausgegraben.
Prof. Dr. Martina Baum (Städtebauliches Institut der Universität Stuttgart) fragte im anschließenden Gespräch nach Ankunfts- und Grenzsituationen. Wie durchdringbar oder undurchdringbar war eine solche Stadtbefestigung? Letztlich blieb die Frage aber unbeantwortet, wie Willkommensgesten einer Stadt heute aussehen könnten.
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