Ausstellung: 150 Jahre Bayerisches Gewerbemuseum – Germanisches Nationalmuseum Nürnberg

Von schönen Dingen und alten Maschinen 

– Ausstellung »150 Jahre bayerisches Gewerbemuseum Nürnberg« im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg – 

von Klaus J. Loderer 

Wie konnten sich Handwerker und Techniker im 19. Jahrhundert fortbilden? Wie erfuhren Industrielle von neuen technischen Entwicklungen? Sie konnten Fachzeitschriften lesen und Musterblätter anschauen. Doch diese waren teuer. Oder man hörte Vorträge an. Doch dafür musste es einen Veranstalter geben. In manchen Städten gab es ein Polytechnikum, eine Kunstakademie, eine Zeichenschule oder einen Gesellenverein, der Bildungsmöglichkeiten anbot. In Nürnberg war es das Bayerische Gewerbemuseum, das all diese Möglichkeiten in einem Haus bot: neues Anschauungsmaterial in Form kunsthandwerklicher Objekte, neue Maschinen, eine Bibliothek und ein Vortragsangebot. Vor 150 Jahren wurde es gegründet. Das Germanische Nationalmuseum würdigt nun das Jubiläum mit einer Ausstellung.

Das Bayerische Gewerbemuseum in Nürnberg in einer historischen Fotografie
Foto: Ferdinand Schmidt, Nürnberg 1897
Das Gewerbemuseum existiert nicht mehr als solches. Seine Sammlungsbestände wurden 1987 von der Bayerischen Landesgewerbeanstalt geschlossen an das Germanische Nationalmuseum übergeben und 2003 vom Freistaat Bayern erworben. Das zeigt auch den Wandel in der Tätigkeit. Mit der Entstehung von Berufsschulen, Fachhochschulen und Fortbildungsangeboten von Berufsverbänden verlagerte sich der Schwerpunkt auf die Materialprüfung.

Zwei Schirmständer aus Japan
Foto: kjl
Ist die Haupttätigkeit der Landesgewerbeanstalt heute die Materialprüfung, hatte das Gewerbemuseum früher seine Aufgabe im Aufbau einer Mustersammlung, die Gewerbe und Industrie zu Schulungs-, Anschauungs- und Fortbildungszwecken dienen sollten. Es ging im Gewerbemuseum also nicht allein um das Betrachten schöner Dinge. Vielmehr sollten die Fachleute neue Produkte und Produktionsmethoden kennenlernen und sie als Vorbild für die eigene Tätigkeit nutzen. Dazu wurden zahlreiche Maschinen erworben. Eifrig kaufte man in den ersten Jahren auf den Weltausstellungen ein. Und in Nürnberg wurden wichtige Ausstellungen abgehalten.

Eine Auswahl dieser Dinge ist nun bei der Jubiläumsausstellung zu sehen. Vorbild für das Gewerbemuseum war das Victoria & Albert Museum in London. Nur wenige Jahre nach der Gründung des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg entstand auf Initiative der Industriellen Theodor von Cramer-Klett und Lothar von Faber das Gewerbemuseum. Beide trugen mit je 50.000 Gulden zur Gründung bei. Das Gründungskapital des Vereins des Gewerbemuseums betrug so immerhin 500.000 Gulden. Die provisorischen Standorte waren das Fleischhaus und dann ein Haus im Bereich des abgebrochenen Franziskanerklosters. 1877 wurde ein Grundstück bei der Katharinenkirche erworben. 1892 bis 1897 entstand dort nach den Plänen des Museumsdirektors Theodor von Kramer ein repräsentatives Museumsgebäude mit markanter Kuppel. Das Gebäude steht heute noch, allerdings ohne die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Kuppel. Die Ausstellung zeigt ein Modell der Zimmermannskonstruktion der Kuppel.

„Le jeu de l’écharpe“ (Das Schärpenspiel), drei Porzellanfiguren von Sèvres
Foto: kjl
Die Ausstellung beginnt mit den Porträts der Museumsgründer, zeigt dann die Museumsgebäude und ersten Direktoren. Aus dem Vortragssaal ist immerhin noch ein Stuhl vorhanden. Zur Veranschaulichung sind ein paar der typischen gedruckten Vorlagenblätter ausgestellt. Dann setzt der Rundgang mit einer Auswahl von Objekten aus den Sammlungen ein. Da die erworbenen Mustermaschinen aus der Anfangszeit nicht mehr erhalten sind, ist hier der Schwerpunkt auf kunsthandwerklichen Objekten. Darunter sind auch zahlreiche schöne Arbeiten aus Ostasien. Als Beispiele seien die beiden Schirmständer aus emailliertem Kupfer mit Bronzehenkeln in der Form von Elefantenrüsseln genannt. Zu den Prunkstücken gehören Tänzerinnen aus Porzellan, drei Exemplare der 15 Figuren umfassenden Serie „Le jeu de l’écharpe“ (Das Schärpenspiel) – Arbeiten der renommierten französischen Porzellanmanufaktur Sèvres nach einem Entwurf von Agathon Léonard. Ein weiteres Prunkstück ist die 1910 nach einem Entwurf von Emil Kellermann und Friedrich Adler in Nürnberg entstandene Prunkbowle. Doch das Museum erwarb nicht nur solche Prunkstücke. Es wurden auch einfache Dinge des täglichen Gebrauchs erworben, wie die schlichten aus Philadelphia stammenden Trinkgläser. Man kann in der Ausstellung auch den Beginn des Jugendstils und einer neuen Art der Gestaltung etwa durch Peter Behrens entdecken. Mit den 1901 eingeführten Meisterkursen holte das Gewerbemuseum bewusst verschiedene Größen der aktuellen Strömungen nach Nürnberg. Peter Behrens, Richard Riemerschmid, Paul Haustein und Friedrich Adler führten diese Kurse zwischen 1901 und 1913 durch. Als markantes Beispiel wird ein 1906 in Hellerau hergestellter Stuhl gezeigt.  Eine Besonderheit ist das Holzspielzeug mit Tieren zur Arche Noah. Sehr modern wirkt das 1903 von August und Otto Geigenberger in Wasserburg am Inn hergestellte Kegelspiel mit bemalten Holzfiguren.

1903 von August und Otto Geigenberger in Wasserburg am Inn hergestelltes Kegelspiel
Foto: kjl
Im letzten Teil geht es dann um die Materialprüfung. Dort findet man eine historische Maschine zur Prüfung der Reißfestigkeit von Papier, einen historischen Projektor für Glasdiapositive und eine alte Vervielfältigungsmaschine. Ein Film zeigt die jetzige Tätigkeit der Bayerischen Gewerbeanstalt. Zur Ausstellung erschien ein schöner Katalog mit interessanten Aufsätzen.


Ausstellung
150 Jahre Bayerisches Gewerbemuseum
bis 27. September 2020
Germanisches Nationalmuseum
Nürnberg

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