Opernkritik: „La Grande-Duchesse de Gérolstein“ (Die Großherzogin von Gerolstein) – Oper Köln – 2019
Das Siegel des goldenen Froschs
– Oper Köln würdigt den 200. Geburtstag von Jacques Offenbach mit einer spritzigen Inszenierung seiner Opéra-bouffe „La Grande-Duchesse de Gérolstein“ (Die Großherzogin von Gerolstein) von Renaud Doucet & André Barbe –
von Klaus J. Loderer
Was ist am 20. Juni 2019? Da hat Jacques Offenbach Geburtstag. In seiner Geburtstadt Köln begeht man diesen Termin mit einer Aufführung seiner Opéra-bouffe „La Grande-Duchesse de Gérolstein“. Zum Abschluss der Aufführung gibt es in den Applausrunden noch ein Geburtstagsständchen. Das Ensemble bringt es dem Meister dar. Genau auf den Tag vor 200 Jahren wurde Jakob Offenbach, wie er damals noch hieß, am Großen Griechenmarkt in Köln geboren.
Miljenko Turk (Baron Puck), Jennifer Larmore (Großherzogin), Vincent Le Texier (General Boum), hinten: Tanzensemble und Chor der Oper KölnFoto: © Bernd Uhlig |
Den Geburtstag feiert die Oper Köln mit einer spritzigen Inszenierung von Renaud Doucet (Regie) und André Barbe (Bühne & Kostüme), die Offenbachs frivole Militärparodie „Die Großherzogin von Gerolstein“ gelungen in die Gegenwart überträgt. Es geht um einen Frosch, den goldenen Frosch. Der ist unter Naturschutz. Generalmusikdirektor François-Xavier Roth stellt dann am Anfang auch gleich mal einen goldenden Frosch auf die Brüstung des Orchestergrabens. Der ist der Lebensraums des Froschs, darum wächst bei einigen der im Teich sitzenden Musiker auch Schilf auf dem Kopf. Sumpfig ist aber nur die Dekoration. Die Musik des Gürzenich-Orchesters ist alles andere als versumpft, dafür sorgt Roth mit einem erfrischenden Dirigat.
Dino Lüthy (Fritz) und
Emily Hindrichs (Wanda)
Foto: © Bernd Uhlig
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Wir befinden uns in einem Umweltschützer-Lager, das André Barbe als Wohnwagen-Bretterbuden-Kolonie in seinem üblichen Zeichenstil rings um den Orchestergraben zusammengezimmert hat. Die Liebe zum Detail ist unverkennbar. Eine Neohippiegruppe übt Kampftechniken. So nach und nach bekommt man mit, dass hier eine Mineralwasserfabrik ihr Image mit einem Umweltschutzprojekt aufpoliert. Die Männerkampftruppe soll auch der Ablenkung der gelangweilten Fabrikantin dienen. So ist es hier nicht eine militaristische Großherzogin mit Armee, sondern eine überspannte Fabrikantin, die sich eine militante Öko-Horde hält und die sich im Finale gar noch als Madonna der ökologischen Weltrettung mit Heiligenschein inszeniert. Kapitalisten bekommen in dieser Inszenierung genauso wie intrigante Politiker und Umweltschützer ihr Fett ab und werden gehörig durch den Kakao gezogen. General Boum ist mit seinem Sonnenblumenhut eine Anspielung auf gealterte Öko-Aktivisten. Für den Regionalbezug spielt die Inszenierung im Hambacher Forst. Das ist eine freche Übertragung der Handlung in die Gegenwart und in einen Bereich, der normalerweise in diesem Land eher von spießiger Humorlosigkeit geprägt ist. Denn die ökologische Seite ist in diesem Fall genauso lächerlich wie die High Society. Geradezu grotesk mutet es an, wenn es in diesem Ambiente immer wieder um das Ahnenschwert geht. Weil die Originaldialoge dann doch schwer ins Rheinland zu übertragen sind, hat Dietmar Jacobs die Dialoge angepasst und eine eigene deutsche Fassung erstellt. Gesungen wird aber auf französisch.
Um die breite Bühne zu füllen, sind neben dem von Rustam Samedov gut einstudierten Chor noch ein Tanzensemble und Statisten im Einsatz. Cécile Chaduteau hat sich überaus witzige Choreographien einfallen lassen von einer Karate-Parodie bis zu einem genialen Pferderennen mit aufgeblasenen Pferdchen zum musikalischen Galopp. Immerhin hat das Tanzensemble an diesem Abend Großeinsatz. Detailliert führt Renaud Doucet alle Personen und wartet mit immer neuen Ideen und Gags auf. Er lässt heftige Kontraste aufeinanderprallen, etwa wenn die Großherzogin im ersten Akt im Ökocamp erscheint, begleitet von in Highheels dahinstockelnden Hofdamen in Leopardenoptik im Transvestitenchic, die zu verhindern versuchen, dass die Nymphomanin oder die Alkoholikerin aus der Großherzogin herausbricht.
Ein Riesenhase im Stil von Jeff Koons steht bei der Großherzogin im Wohnzimmer – ganz Corporate Identity. Hier feiert man die Champagnerparty zur Feier des Siegs über (wen eigentlich?) ganz ökologisch korrekt, nur gestört durch eine ewiggestrige Spießertruppe, die einen kleinen Seitenhieb auf die AfD darstellen soll. Für den durch persönliches Engagement der Großherzogin schnell zum General beförderten Fritz beginnt nun aber schon das Verderben, als die Großherzogin feststellen muss, dass er von einer Ehe mit einer gewissen Wanda träumt. Er ist am Ende genausoschnell degradiert wie anfänglich befördert. Davor bereiten ihm seine Feinde, das sind der zur Seite geschobene Ex-General Boum, Baron Puck, Prinz Paul und die beleidigte Großherzogin im prunkvollen Himmelbeet aber noch einen gehörigen Schrecken. Seine Ermordung in der Hochzeitsnacht durch die in Blümchenanzüge gekleidete Mörderbande setzt die Großherzogin erst einmal aus. Die Großherzogin gedenkt sich eigentlich mit Baron Grog zu trösten, der aber verheiratet ist, und begnügt sich dann doch mit Prinz Paul – Wasser heiratet Brötchen. Prinz Paul ist hier der Erbe einer Brotfabrik und von André Barbe gleich als Hefezopf eingekleidet. Dann gibt es mit den hier als Notare herhaltenden Detektiven mit Melone noch eine Anspielung auf „Tim und Struppi“. Lichtgestalter Andreas Grüter sorgt dafür, dass für die Geisterszene zur Hochzeitsnacht auch die passende schaurige Beleuchtung vorhanden ist.
Herrenchor der Oper Köln Foto: © Bernd Uhlig |
Akustisch leidet die Aufführung etwas unter den Gegebenheiten im Staatenhaus. Das tut der Freude über die tolle Ensemble-Leistung keinen Abbruch. Da ist an erster Stelle Jennifer Larmor zu nennen, die der Großherzogin mit charaktervollem Mezzosopran den Ausdruck einer durchaus etwas skurilen Grande-Dame gibt. Herb lasziv singt sie, wie sie die Soldaten liebt. Mit pikierter Distanz versuchen Menna Cazel, Maike Raschke, Regina Richter und Marta Wryk als ihre Hofdamen sich im Camp zurechtzufinden. Miljenko Turk gibt den Baron Puck als schmierigen Intriganten, erfreut aber mit lyrischem Ton und guter Textverständlichkeit. Vincent Le Texier schmettert als General Boum gut sein packendes Lied „Piff, paff, puff“. John Heuzenroeder gibt einen im beleidigten Dauerton säuselnden Prinzen Paul. Distanziert bleibt Alexander Fedin als steifer Baron Grog. In einer kleinen Rolle ist Julian Schulzki als Notar zu sehen. Bei Fritz hätte man sich einen etwas helleren Tenor gewünscht. Dino Lüthy bleibt gesanglich etwas blass. Er spielt allerdings den Öko-Krieger im Batic-Shirt hervorragend als wuseliger Hansdampf – und man bewundert seien Kondition im Umrunden des Orchestergrabens. Emily Hindrichs singt Wanda mit schlichtem Sopran.
Langeweile ist in dieser Produktion nicht geboten. Es mögen nicht alle Details logisch zusammenpassen, das von Doucet & Barbe erfundene Pasticcio ist aber ein verrückter Rundumschlag und eine sicherlich überzeugende Idee, wie man dieses Stück in die Gegenwart bringen kann und wie man die im Stück doch vorhandenen Längen mit schönen Ideen überbrücken kann.
Besuchte Vorstellung: 20. Juni 2019
(3. Vorstellung, Premiere: 9. Juni 2019)
Oper Köln im Staatenhaus Köln
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