Buchbesprechung: Die Geschichte des Leopoldinischen Trakts der Wiener Hofburg
Wo Kaiserin Maria Theresia regierte
– Der Kunsthistoriker Richard Kurdiovsky hat ein Buch über die österreichische Präsidentschaftskanzlei im Leopoldinischen Trakt der Wiener Hofburg herausgegeben –
von Klaus J. Loderer
Hinter der österreichischen Präsidentschaftskanzlei verbirgt sich der sog. Leopoldinische Trakt der Wiener Hofburg. Ein vom Kunsthistoriker Richard Kurdiovsky herausgegebenes schön gestaltetes Buch mit zahlreichen Fotos der historischen Innenräume stellt diesen unter Kaiser Leopold I. errichteten Flügel vor. Zur Präsidialkanzlei wurden die Räume übrigens erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als die bisherigen Räume des österreichischen Bundespräsidenten im Bundeskanzleramt am Ballhofplatz durch Kriegszerstörungen nicht mehr nutzbar waren. Schon in der Schlussphases der Monarchie konnte man sie besichtigen, was auch noch in der Zwischenkriegszeit möglich war. Ein Schlossmuseum war geplant. Heute ist ja das besondere Phänomen, dass man zwar die Wohnung von Franz Joseph im Reichskanzleitrakt und jene von Elisabeth in der Amalienburg besichtigen kann. Die eigentlichen Repräsentationsräume sind aber nicht zugänglich. Die Festsäle des 19. Jahrhunderts werden für Veranstaltungen genutzt, das Zeremonialappartement mit den eigentlichen Empfangsräumen aber ist durch die Präsidialkanzlei belegt.
Die Wiener Hofburg hat ihren Kern in einer Wasserburg, die heute noch als Schweizerhof das Zentrum der Anlage bildet. Als eigenständige Bauten entstanden die Stallburg und die Amalienburg. Die schlichte Fassade des Leopoldinischen Trakts, der Amalienburg und Schweizerhof verband deutet in seinem Aufsatz zur frühen Entwicklung der Hofburg dadurch, dass der Flügel im unteren Bereich durch die Befestigungsanlagen verdeckt war. Ab 1660 wurde der Trakt nach Plänen von Carlo Martino Carlone und Domenico Carlone errichtet, brannte aber schon 1668 aus. Bei der türkischen Belagerung 1683 wurde er nochmals in Mitleidenschaft gezogen. Die originale Ausstattung des 17. Jahrhunderts ist nicht überliefert. Die Neuausstattung der Räume unter Maria Theresia stellen Hellmut Lorenz, Anna Mader und Manuel Weinberger vor. 1804-1808 wurde der klassizistische Zeremoniensaal angebaut.
Mit Kaiser Ferdinand zog 1835 wieder ein Kaiser in den ersten Stock ein. Bewusst bewahrte man die Rokoko-Einrichtung und ergänzte sie passend, um den Kaiser in die Tradition zu stellen. Die Umgestaltung der Räume für Erzherzogin Sophie im zweiten Stock erfolgte im Zweiten Rokoko und ist nach Richard Kurdiovsky eines der frühesten Beispiel der Farbtrias Rot-Weiß-Gold, die später in den Räumen für Franz Joseph die vorherrschende Farbgestaltung wurde. Es ist also nicht alles echtes Rokoko in der Hofburg. Auch Franz Joseph und Elisabeth bewohnten zuerst den ersten Stock bis sie zwei getrennte Wohnungen bezogen. Da hatte sich das Zweite Rokoko dann schon richtig als Einrichtungsstil etabliert. Detailliert geht Kurdiovsky auf das Zeremoniell etwa beim Empfang eines Botschafters oder während eines Hofballs und die Nutzung der Räume ein. Und er untersucht auch die Inbesitznahme der Räume durch die Republik Österreich.
So kann man den Wandel der Räume des Leopoldinischen Trakts gut nachvollziehen. Die wunderbaren Farbfotos von Manfred Seidl illustrieren den Band anschaulich. Florian Steininger geht auf die in der Präsidentenkanzlei vorhandenen modernen Kunstwerke ein.
Richard Kurdiovsky (Hg.)
Die österreichische Präsidentschaftskanzlei in der Wiener Hofburg
= The Office of the Austrian Federal President at the Vienna Hofburg
Beiträge von Herbert Karner ...
Photographien von Manfred Seidl
1. Aufl.
Christian Brandstätter Verlag
Wien 2008
ISBN 978-3-85033-161-6
158. S., zahlr. Ill.
Text deutsch und englisch
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