Premierenkritik: Dvoráks Märchenoper „Rusalka“ – Oper Köln – 2019

Gescheiterte Hoffnung 

– Nadja Loschky schafft eine berührende Inszenierung von Antonin Dvoráks lyrischem Märchen „Rusalka“ an der Oper Köln – 

von Klaus J. Loderer 

Ganz ohne Wassergeister kommt Nadja Loschky in ihrer Inszenierung von Antonin Dvoráks Märchenoper „Rusalka“ – vom Komponisten lyrisches Märchen genannt – an der Oper Köln aus. Sie überträgt die Geschichte, ohne ihr das Geisterhafte zu nehmen, und kommt zu einer sehr berührenden Lösung. Ein steil ansteigender Bretterboden, der hinten in gekurvter Umkehrung vorschwingt bildet als Assoziation einer Welle den schlichten Rahmen im Staatenhaus 2, in dem die Kölner Oper „Rusalka“ zur Aufführung bringt. Es mag erstaunen, dass es sich um die Kölner Erstaufführung handelt. Hält man das Bühnenbild von Ulrich Leitner zuerst für schlicht, entfalten sich darauf im Laufe der Aufführung ungeahnte Dinge. Nebel wallt herunter, von Nicol Hungsberg geisterhaft ausgeleuchtet. Männer ziehen mühsam ein riesiges Objekt auf die Bühne. Man mag zuerst ein Boot erahnen. Es ist aber ein riesiges Bett. Rusalka ist darin gefangen. In Fischernetzen ist sie eingesponnen. Doch hindern nicht sie Rusalka daran, das Bett zu verlassen.

Olesya Golovneva (Rusalka) und Mirko Roschkowski (Der Prinz)
Foto: © Paul Leclaire
Die Idee, die in ihrer Wassergeisterwelt gefangene Rusalka in eine realistische Situation zu übertragen, die ihr ebenfalls die Teilnahme am normalen Menschenleben nimmt, und aus ihr ein querschnittsgelähmtes Mädchen zu machen, erhöht das Mitgefühl, das man für sie hat. In der Inszenierung kommt die Verzweiflung Rusalkas und der Wunsch, aus ihrem Dasein auszubrechen, auch so zu werden wie normales Mädchen, gut zur Geltung. Das wird noch unterstrichen von den unter dem Bett hervorkrabbelnden Statistinnen, die die Rusalka-Figur vervielfachen. Die Verwandlung durch die Hexe Jezibaba ist hier denn auch der Heilungsversuch einer mysteriösen Kurpfuscherin, die Rusalka aus dem Bett herausschneidet und ihr ein Korsett verpasst.

Aber ein „normales“ Mädchen wird Rusalka auch hier nicht. Ohne Stimme und ungelenkt herumtaumelnd ist sie verstört wie ein scheues Reh, wenn der Prinz versucht sie zu fangen. Sie kann es in der ungewohnten Welt des Prinzen, die durch ein weißes Prunkbett angedeutet wird und in der alle Personen maskenhaft scheinen, nicht aufnehmen mit der Konkurrentin, der aufgedonnerten fremden Fürstin. Die fantasievollen Kostüme sind von Irina Spreckelmeyer. Wie hilflos ist Rusalka in ihrem Versuch, das Hochzeitskleid anzulegen. Die Festszene ist ersetzt durch eine Szene mit wieder unter dem Bett hervorkrabbelnden Statisten als Prinz- und Rusalkadoubles, die einen Traum Rusalkas vorführen, wie sie mit ihrem Prinzen glücklich ist. Wie entsetzt muss sie zuerst zusehen, wie der Heger sich mit der Zofe (die übertragene Rolle des Küchenjungen) im prinzlichen Bett vergüngt und dann, wie gar ihr Prinz sich von der fremden Fürstin verführen lässt. Surrealistsch verschwinden Prinz und Fürstin im Bett. Ist das ein Traum oder die Realität? Die Inszenierung lässt das bewusst offen.

Im dritten Akt ist die Bühne geborsten. Ein eisernes Bett hängt über dem Abgrund. Die Elfen versuchen Rusalka zu helfen, legen ihr das in Fetzen gerissene Brautkleid an und versuchen sie mit dem Prinzen zu vereinigen. Doch es kann kein glückliches Ende geben. Nur mit dem Tod des Prinzen kann sie zurück in ihre Welt. Rusalka küsst den Prinzen und ersticht ihn.
Samuel Youn (Der Wassermann) mit der Statisterie der Oper Köln
Foto: © Paul Leclaire

Mit Begeisterung beklatscht das Publikum die Premiere. Zu recht. Eine gelungene Sängerbesetzung steht da auf die Bühne. Olesya Golovneva singt die Rusalka berührend. Auch im zweiten Akt schafft sie es, diesem leidenden Mädchen in stummer Rolle einen so zerbrechlichen Charakter zu geben, dass man regelrecht mitleidet. Wunderschön gestaltet sie das „Lied an den Mond“.

Feinsinnig und lyrisch singt Mirko Roschkowski den Prinzen. Ohne die Höhen zu stemmen, wandert seine Stimme leicht nach oben. Einen hellen Klang gibt Roschkowski den Spitzentönen, die durchsichtig dahinfließen. Wie immer geht er sensibel auf die Rolle ein, das heißt in diesem Fall einen etwas blasierten Prinzen zu geben, der sich nicht so ganz zwischen Naturmädchen und Vamp entscheiden kann.

Die mondäne Fürstin von Adriana Bastidas-Gamboa ist sich ihres Sieges im Flirtwettbewerb sicher. Kühl und distanziert gestaltet die kolumbianische Mezzosopranistin ihre Rolle. Herausragend ist Samuel Youn als Wassermann. Voll und rund klingt sein Bassbariton. Warnend und mahnend ist sein Tonfall. Mit düsterer Brutalität und kalter Menschenverachtung gibt Dalia Schaechter die Hexe Jezibaba.

Emily Hindrichs, Regina Richter und Judith Thielsen geben ein gelungenes Elfentrio. Ebenfalls mit guten Leistungen glänzen Vero Müller als zur Zofe mutierte Küchenjunge, Insik Choi als Heger und Hoeup Choi als Jäger.

Gut einstudiert hat Rustam Samedov den Chor der Oper Köln. Links seitlich der Bühne ist das Gürzenich-Orchester angeordnet, das unter Christoph Gedschold eine sinfonische Glanzleistung abliefert.

Besuchte Vorstellung: Premiere am 10. März 2019
Oper Köln im Staatenhaus, Saal 2



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