Amüsantes Divertissementchen „Offenbach“ in Köln – Bühnenspielgemeinschaft Cäcilia Wolkenburg – 2019
Offenbach! Platz!
– Ein gelungener Wurf: Cäcilia Wolkenburg würdigt im neuen Divertissementchen mit viel köllschem Humor den vor 200 Jahren in Köln geborenen Jacques Offenbach –
von Klaus J. Loderer
Jetzt wissen wir endlich, warum es mit der Opernrenovierung in Köln nicht vorangeht. Die Bauarbeiter, die uns das diesjährige Divertissementchen im ersten Bild im Rohbau der Kölner Oper vorführt, sind mit anderen Dingen beschäftigt, jedenfalls nicht mit arbeiten. Lehrling Karl Friedrich Naseweis (Johannes Fromm) ist jedenfalls ganz erstaunt, dass der von Mama gebackene Kuchen unter seinen Kollegen nicht ankommt. Die schätzen Getreide nicht gebacken sondern gebrannt. Und so beginnt man den Tag erst einmal mit einer Runde Korn. Dann erzählt der Vorarbeiter, was es mit dem Offenbach-Platz auf sich hat.
Divertissementchen der Bühnenspielgemeinschaft Cäcilia Wolkenburg über Jacques Offenbach Foto: kjl |
Das Divertissementchen des Jahres 2019 widmet sich Jacques Offenbach. Dieser wurde vor 200 Jahren in Köln geboren. Also dachte sich Regissseur und Librettist Lajos Wenzel eine wilde Geschichte aus um die Entstehung von „Orpheus in der Unterwelt“. Offenbach (wunderbar in dieser großen Rolle Jürgen Nimptsch, seines Zeichens Baas der Cäcilia Wolkenburg) hat eine Schaffenskrise, steht unter mächtigem finanziellen Druck und der Polizeipräsident (Joachim Sommerfeld) von Paris droht gar mit der Schließung des Theaters. Eine Wette könnte die Lösung herbeiführen: wenn Offenbach es schafft, mit einer Voraufführung des neuen Werks den Direktor der Opéra Comique (Peter Rheindorf) zum Lachen zu bringen, darf Offenbach eine große Operette aufführen. So kommt Offenbach auf die Idee mit den beiden Librettisten (Henning Jäger und Frank Oppermann) zur Inspiration in seine Heimatstadt Köln, der Stadt des Optimismus, zu fahren, während seine Frau (Dirk Pütz) zur Kur in Bad Ems weilt. In Köln eingetroffen, begibt man sich gleich ins Brauhaus. Da bildet natürlich die Gasthausszene aus „Hoffmanns Erzählungen“ die sehr passende musikalische Basis. Offenbachs Mutter (ganz wunderbar Peter Wallraff) hilft dann auch weiter und bei der Kneippkur von Mamas Gymnastikgruppe hat er die Eingebung: den Can Can. Stellen Sie sich zur extrem langsam gespielten Melodie des Orpheus-Can-Cans den Text vor „Mer welle flöck jet schlappe, jo dat möt doch klappe“.Mit den Mädchen aus dem Freudenhaus „Kölsche Unterwelt“, der „Olympischen Gesellschaft“ und der Erinnerung an seinen Kindheitsbesuch der Antikenparodie „Lachender Olymp“ im Puppentheater findet Offenbach dann zur Operette. Die Konkurrenz der Opera Comique versucht Offenbach noch weitere Steine in den Weg zu legen und spinnt eifrig Intrigen, doch mit mütterlicher Hilfe kann er alle Probleme aus dem Weg räumen. Sogar als sich Hauptdarstellerin Sarah Bernard (einfach köstlich Martin E. Hillebrand) mit Schnaps besäuft („Immer wenn ich wödich bin, drink ich ne Schabau“) zaubert Mama schnell Lieschen Halbedel (Manuel Anastasi) aus Köln als neue Hauptdarstellerin herbei. Bösartigerweise hat der wichtigste Opernkritiker (Siegfried Oedekoven) auch noch einen Verriss in Druck gegeben, noch bevor er die Operette überhaupt gesehen hat. Offenbach hat die geniale Idee, diesen Text einfach in die Operette einzubauen. Doch alles scheint vergebens, als der Operndirektor sich langweilt und so die Wette verloren scheint, da taucht in barocker Theatermanier der Deus ex Machina auf. Offenbachs Ehefrau hat bei der Kur in Bad Ems die französische Kaiserin Eugénie (Michael Montenarh) kennengelernt. Kaiser Napoleon III. (Florian Gutermuth) hat sich in die Voraufführung eingeschlichen und möchte unbedingt das Ende der Operette sehen. Die Operette soll sogar die Weltausstellung eröffnen. So muss das Werk komplett gespielt werden. Das ist natürlich alles ganz unhistorisch und frei erfunden. Und wenn schon. Diese Entstehungsgeschichte der Operette ist einfach zu köstlich. Die Zuschauer amüsieren sich königlich.
Thomas Pfau hat für die breite Bühne im Staatenhaus ein Bühnenbild entwickelt, das die unterschiedlichen Handlungsorte gut trifft. Vom angedeuteten Rohbau der Kölner Oper gerät man in das Pariser Theater Bouffes-Parisiens. Die Logen auf der linken Seite drehen sich später und werden zum Brauhaus, während auf der rechten Seite die Theke hereinfährt. Nach der Pause geht es plüschig weiter im Café Cordiale in Paris. Hans Toelstede taucht das Geschehen in stimmungsvolles Licht.Effektvoll ist das Auflappen der Dekoration für den Götterhimmel. Da die Geschichte 1858 spielt, hat Judith Peter zur Zeit passende üppige Kostüme entworfen.
Was fehlt noch? Natürlich, der Can Can. Der kommt auch, als Höhepunkt des Finales. Jens Hermes und Katrin Bachmann haben die Tanzszenen choreographiert. „Offenbach! Platz!“ Das ist eine der vielen schönen Pointen in diesem Stück. In diesem Fall ist es eine Aufforderung zum Sitzen. Das Publikum kommt aus dem Kichern kaum heraus. Thomas Guthoff bediente sich in den Operetten Offenbachs und arrangierte die Stücke in munterer Kombination mit ganz anderen Stücken. Johannes Fromm und Manfred Schreier reimten die Liedtexte erfrischend neu auf Kölsch. Bernhard Steiner, Christopher Brauckmann und Steffen Müller-Gabriel leiten abwechselnd die durch die Westwood Slickers ergänzten Bergischen Symphoniker.
Natürlich dürfen typische Köln-Lieder nicht fehlen. Die Mitklatschlautstärke des Publikums wächst dann immer stark an. Und viele Lieder werden auch mitgesungen. Die Kölner Lebensweisheit „et kütt wie et kütt“ darf nicht fehlen und wird vom Publikum mitgesprochen. Das gehört zum Divertissementchen. Denn das Divertissementchen ist letztlich eine Allegorie auf Köln. Die Anzahl der Köln-Schals könnte bei einem Fußballspiel nicht größer sein. Und im glanzvollen Finale des Divertissementchens, das eigentlich in Paris spielt, werden Köln-Fahnen geschwungen. Das ist eben der Kölner Lokalpatriotismus. Und wir wissen nun, was angeblich alles in Köln erfunden wurde: die Operette, der Can Can, der Ottomotor (das stimmt tatsächlich), der Eiffelturm von einem stotternden Herrn aus der Eif-fel und die Glühbirne von Edis Sohn. Gleichzeitig hat Lajos Wenzel im Text viele Spitzen auf die Zustände im heutigen Köln eingebaut.
Für alle diejenigen, die sich immer noch fragen, wohin der Autor da geraten ist, der Hinweis, dass es sich beim Divertissementchen um eine spezielle Kölner Musiksparte handelt. Auf Kölsch sagt man übrigens „et Zillche“ dazu. Das Wort Divertissement (wie Zeitvertreib) gibt es als musikalische Gattungsform. Die Verkleinerungsform deutet schon an, dass man die Sache nicht so ernst nehmen muss. Das Divertissementchen ist eine Karnevalsoperette mit Texten in Kölner Mundart in der Form eines musikalischen Potpourris, die von der Bühnenspielgemeinschaft Cäcilia Wolkenburg aufgeführt wird. Dahinter verbirgt sich der Kölner Männer-Gesang-Verein, der in der Wolkenburg seinen Sitz hat. Das bedeutet natürlich, dass alle Rollen, auch die Frauenrollen, von Männern gesungen und gespielt werden. Das wird hochprofessionell aufgezogen und ist fester Bestandteil des Kölner Opernspielplans in der Karnevalszeit. Das Divertissementchen ist Kult und ist ein wichtiger Teil des Kölner Karnevals. Fast dreißig, üblicherweise ausverkaufte Vorstellungen sprechen für sich. Cäcilia Wolkenburg ist ein toller Wurf gelungen. Die Darsteller der mehr als siebzig Solorollen werfen sich für ihre verschiedenen Charakter sehr ins Zeug. Dazu kommt noch der gut einstudierte Chor. Und wer da im Finale als Ballett-Ensemble in Rüschenröcken gekonnt die Beine wirft, sind natürlich auch Männer. Standing Ovations am Ende. Klar. Verdienterweise.
Besuchte Vorstellung: Voraufführung am 1. Februar 2019
(Premiere 2. Februar 2019)
Staatenhaus Köln
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