Ausstellung: „Konstellationen – Schätze des Museums MODEM in Debrecen“ im Ungarischen Kulturinstitut in Stuttgart – 2018
„Konstellationen“ – das Ungarische Kulturinstitut in Stuttgart zeigt Schätze des Museums MODEM in Debrecen
– Arbeiten von Jenő Barcsay, Imre Ámos, Margit Anna, Dezső Korniss, Lajos Vajda und Endre Bálint aus der Sammlung Antal-Lusztig –
von Klaus J. Loderer
Das MODEM Modern és Kortárs Müvészeti Központ ist ein Zentrum für moderne und zeitgenössische Kunst in der ostungarischen Stadt Debrecen. In Ausstellungen zeigt es die Strömungen und Querbeziehungen der modernen Kunst. Neben der internationalen Kunst liegt dabei natürlich ein Schwerpunkt auf ungarischen Künstlern. Gerade ist neben einer Installation von Benczúr Emese und Video-Kunst aus Israel eine Ausstellung mit Werken aus dem Kunstmuseum in Johannesburg zu sehen.
Ausstellung Sammlung Antal-Lusztig: Skulptur von Endre Bálint, Gemälde von Margit Anna und Imre Ámos
Foto: Klaus J. Loderer
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Im Zentrum des Museums steht die Sammlung von Antal-Lusztig, die als Dauerleihgabe in der Dauerausstellung gezeigt wird. Diese Privatsammlung ist eine der wichtigsten Sammlungen moderner Kunst in Ungarn. Ihre Grundlage schuf der Kaufmann Sámuel Lusztig ab den 1920er-Jahren. Er lebte in der Kleinstadt Derecske einige Kilometer südlich von Debrecen. Nach Verlusten im Zweiten Weltkrieg fing Sámuel Lusztig wieder an zu sammeln. Sein Enkel, der Anwalt Dr. Péter Antal, fing schon im Alter von dreizehn Jahren an, Kunstwerke zu erwerben, und setzte die Familientradition fort. Am Anfang wurde er noch vom Großvater angewiesen, doch schon mit 17 ging er seinen eigenen Weg und wandte sich der progressiven Kunst zu. So wuchs die Sammlung im Laufe der Jahrzehnte auf mehr als 4500 Kunstwerke an. Sie gibt einen repräsentativen Überblick über die Entwicklung der ungarischen Kunst im 20. Jahrhundert. In der Sammlung finden sich zahlreiche Klassiker der ungarischen Kunst, darunter Namen wie Pál Szinyei Merse, Csontváry, Gulácsy, Károly Ferenczy, Lajos Kassák, József Egry, Dezső Bokros Birman und Lili Ország. Ein Schwerpunkt liegt auf der Künstlergruppe „Die Acht“ (Nyolcok) mit zahlreichen Werken von Károly Kernstok, Dezső Czigány, Bertalan Pór, Lajos Tihanyi und Ödön Márffy. Ein weiterer Sammlungsschwerpunkt liegt in der Schule von Szentendre mit Künstlern wie Imre Ámos, Margit Anna, Endre Bálint und Dezső Korniss.
Nun ist MODEM mit einer kleinen Auswahl der Sammlung Antal-Lusztig in Stuttgart zu Gast. Katalin Nagy T. und Szilvia Virágh haben einen kleinen Querschnitt ausgewählt, um die Sammlung in einer Ausstellung im Ungarischen Kulturinstitut in Stuttgart vorzustellen. Zu den Gemeinsamkeiten der ausgewählten Künstler gehören ihre Tätigkeit in Szentendre, einem reizvoll gelegenen Städtchen an der Donau nördlich von Budapest, das seit der Jahrhundertwende immer wieder Künstler anzog. Ganz unterschiedlich gehen Jenő Barcsay, Imre Ámos, Margit Anna, Dezső Korniss, Lajos Vajda und Endre Bálint, die alle kurz nach der Jahrhundertwende geboren wurden, an die Fragestellung abstrakte oder figürliche Darstellung heran. In Szentendre kommt noch die Inspiration aus der ungarischen Volkskunst dazu. Das ist ein nicht zu unterschätzender Einfluss, der hier allerdings nichts mit provinzieller Biederkeit zu tun hat. Vielmehr geht es um eine Inspirationsquelle, wie sie auch der Komponist Béla Bartók genutzt hat.
Der einzige international bekannte Künstler der Ausstellung ist Jenő Barcsay (1900-1988). Er ist berühmt durch sein Zeichenlehrbuch zur Anatomie – seit dem ersten Erscheinen 1967 und bis heute das Standardwerk zur Anatomie. Er hatte an der Hochschule für Bildende Kunst in Budapest von 1945 bis 1974 die Professur für anatomisches Zeichnen. Der in Siebenbürgen geborene Künstler war in den 1920er Jahren zuerst in der Künstlerkolonie in Neumarkt an der Theiss (ungarisch: Hódmezővárarhely) im Südosten Ungarns und ab 1929 in Szentendre. Nach 1945 war Barcsay einer der führenden Vertreter der konstruktivistischen Richtung der sog. Europäischen Schule. In der Ausstellung in Stuttgart sind einige abstrakte Ölbilder zu sehen.
Foto: Klaus J. Loderer
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Von Imre Ámos (1907-1944) sind eine Reihe von Zeichnungen ausgestellt. Der Künstler stammt aus Nagykállo im Nordosten Ungarns. Ab 1938 war er im Sommer regelmäßig in Szentendre. Eine Zeichnung zeigt drei Soldaten, die auf einer liegenden Frau sitzen. Zwei Zeichnungen thematisieren die Verfolgung der Juden im Dritten Reich: „Brennende Synagoge“ (1940) und „Bücherverbrennung“ (1943). Er wurde in ein Konzentrationslager deportiert und starb 1944 in Ohrdruf in Thüringen. Einen surrealen Einschlag hat das Bild „Vor dem Fest“: im Spiegel über einer Kommode scheint ein Engel zu musizieren.
Foto: Klaus J. Loderer
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Seine Frau Margit Anna (eigentlich Margit Sichermann, 1913-1991) war ebenfalls künstlerisch tätig. In Deutschland wurde sie durch die Aufnahme ihres Bildes „Der Schöpfer ruht“ in die WDR-Fernsehserie „1000 Meisterwerke“. 1937 lernte sie bei einer Reise mit ihrem in Paris Marc Chagall kennen. Verstörend ist ihr „Selbstporträt mit Messer“ aus dem Jahr 1945 – noch ganz im Zeichen des Tods ihres Mannes. Ein Messer ist in einen Tisch gerammt. Durch die rote Kontur wirkt ein Arm blutig. Eigentümlich sind die kleinen Figurinen mit grotesken Fantasiewesen aus den 1950er-Jahren.
Dezső Korniss:
Mit Waage, ca. 1950
Foto: Klaus J. Loderer
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Auch Dezső Korniss (1908-1984) gehört zum Freundeskreis vom Imre Ámos in Szentendre. Er wird der sog. Euroäischen Schule zugerechnet. Zwei großformatige abstrakte „Kalligrafien“ zeigen als Positiv und Negativ wie er Ende der 1950er-Jahre Kompositionen mit Spritzern von Lackfarbe auf Papier brachte. Aber er deutet auch in einigen Skizzen Figuren an. Die typischen hölzernen Stelen auf ungarischen Friedhöfen könnten die Inspiration zum Bild „Mit Waage“ geliefert haben. Eine angedeutete stilisierte Frauenfigur hält in einer Hand eine Waage mit nur einer Waagschale. In anderen Arbeiten verarbeite er das Motiv des Hirtenmantels.
Ebenfalls zur Szentendre-Gruppe gehört Lajos Vajda (1908-1941). Geradezu analytisch stellt er Bauernhäuser dar. Eine Fassadenskizze ist „Christus zwischen zwei Fenstern“ (1937). In „Häuser mit Holztoren“ (1936) stellt er die Giebelseite und die Längsansicht in ungewöhnlicher Projektion mit einem Strommast dar. Er starb 1941 im Lungensanatorium in Budakeszi.
Auch Endre Bálint (1914-1986) ließ sich von Werken der ungarischen Volkskunst inspirieren. Er war von 1937 bis 1940 regelmäßig in Szentendre. Das Bild „Allegro Barbaro I“ basiert auf einem Klavierstück von Béla Bartók aus dem Jahr 1911 – eine interessante Umsetzung eines Musikstücks in ein Bild. Von Bálint stammt auch die einzige Skulptur der Ausstellung: „Zur Erinnerung an eine Hexe“. Zwei Collagen aus dem Spätwerk zeigt die Ausstellungen ebenso.
Zur Ausstellungseröffnung am 13. September waren die beiden Kuratorinnen Katalin Nagy T. und Szilvia Virágh in Stuttgart. Die Ausstellung steht im Rahmen einer Veranstaltungsreihe zur ostungarischen Stadt Debrecen. Am 28. September 2018 um 19 Uhr wird Debrecen das Hauptthema sein. Dann wird Bürgermeister Dr. László Papp seine Stadt vorstellen.
Ungarisches Kulturinstitut Stuttgart
13. September bis 12. Oktober 2018
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