Buchbesprechung: Verschwundene Welt der Brünner Cafés

Brünner Moderne ist nicht nur das Haus Tugendhat 

– Bildband mit alten Fotos von Cafés und Kaffeehäusern in Brünn (Brno) – 

von Klaus J. Loderer

Die Verbindung des Stichworts „Moderne“ mit dem Stadtnamen Brünn (Brno) lassen alle architekturgeschichtlich beflissenen Menschen sofort an das Haus Tugendhat von Ludwig Mies van der Rohe denken. Dass es eigentlich gar nicht so erstaunlich ist, dass gerade in dieser Stadt eine moderne Villa entstanden ist, liegt daran, dass die Stadt in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen viel moderner war, als man sich das heute vorstellt. Auch in der Innenstadt mit ihren barocken und historistischen Bauten wurden viele avantgardistische Gebäude errichtet. Das zeigt eindrücklich ein Bildband mit alten Fotos von Brünn, der eigentlich ein ganz anderes Thema hat. Es geht in diesem Buch um alte Cafés. Das es in Brünn früher eine große Anzahl von Cafés und Kaffeehäusern gab, ist nicht erstaunlich, das war typisch für die Städte der Donaumonarchie. Über die große Anzahl eleganter Kaffeehäuser in modernen Formen staunt man doch etwas. Das zeigt, wie weit dieser Stil dort verbreitet war. Dazu findet man im zweiten Teil des Buchs, in dem die Cafés der Zwischenkriegszeit vorgestellt werden, üppig Material.

Im Café Esplanade kann man den Art-Deco-Einfluss erkennen. Eine Besonderheit war die gläserne Kuppel. Konditoreimeister Emanuel Toman erwarb 1924 ein Jugendstilhaus in zentraler Lage und ließ es 1931 vom Architekten Miloslav Kopriva modern umbauen. Ein Foto zeigt die schlichte Inneneinrichtung. Auch das Operncafé entstand in einem Altbau. Ein typisches Kaffeehaus in Lage über Eck war das Café Savoy, bei dem schon die schlichte moderne Fassadengestaltung sich von den historistischen Obergeschossen des Thonethofs abhob. Im Innern erschloss sich eine großzügige Raumflucht über zwei Geschosse. Der Bereich an der Gebäudeecke war sogar zweigeschossig mit geschwungenen Treppen.

Zahlreiche Cafés entstanden in modernen Neubauten. Dazu gehört das Café Alfa in einem neungeschossigen Hochhaus. Auf dem Ausstellungsgelände entstand eine moderne Filiale des Cafés Brichta als moderner Flachdachbau mit geschwungener Außentreppe. Auf einem schmalen Grundstück von nur 8,5 m Breite entstand das Hotel Avion nach einem Entwurf des Architekten Bohuslav Fuchs. Interessant ist das über mehrere Geschosse verteilte schmale Café, das im hintern Teil von oben belichtet wurde. 1926 entstand nach Entwürfen von Ernst Wiesner das Palais Mähren (Palác Morava) mit interessant geschwungenen Fassaden. Neben einem Kino und dem Bristol Dancing gab es im ersten Stock das Café Kapitol mit Sonnenterasse und einer Innenausstattung mit Stahlrohrfreischwingern. Vom über einem Kino eingerichteten Kaffeehaus Biber ist eine perspektivische Zeichnung abgebildet, die schön zeigt, wie sich der Architekt die Lichtwirkung am Abend vorgestellt hat. Es können hier nicht alle Kaffeehäuser aufgezählt werden, zu groß ist die Anzahl. Bemerkenswert ist allerdings große Zahl avantgardistischer Neubauten und entsprechener Inneneinrichtungen.

Der erste Teil des Buchs widmet sich den Kaffeehäusern, die vor dem Ersten Weltkrieg entstanden. Eine geschwungene Jugendstileinrichtung besaß das Café Français am Tschechischen Korso. Eher dem österreichischen Sezessionsstil verwandt war die Einrichtung im Café Margaretenhof, was dem Stil des ganzen Gebäudes entsprach. Ein typisches historistisches Kaffeehaus war das National (Národni) im Hotel Slavia mit Billardsaal, Kaffeehaus und Speiserestaurant. In diesem Teil des Bands findet man auch das frühere Aussehen des Cafés Savoy, das um die Jahrhundertwende als Café Thonethof oder Café Kreiker bekannt war und eine üppige Neorokoko-Ausstattung besaß, das Gebäude wurde nicht von ungefähr von den Wiener Architekten Fellner & Helmer entworfen. Die Theaterfreunde kennen diese Architekten durch ihre zahlreichen Theaterbauten. Ein solches steht übrigens auch in Brünn. Das ist hier nicht abgebildet. Allerdings findet man das gegenüber befindliche Café Stadt-Theater. Dessen Einrichtung des späten 19. Jahrhundert wurde später durch eine moderne ersetzt. Die Fortsetzung war das Café Opera.

Für an der Geschichte Brünns Interessierte wie für Freunde alter Cafés ist der Bildband mit seiner großen Zahl historischer Schwarzweißfotos eine interessante Materialsammlung. Und man kann sehr schön modernes Design der Zwischenkriegszeit studieren – ebenso wie historistische Interieurs. Abgesehen davon, dass man einfach schön darin blättern kann. Für den auswärtigen Buchbetrachter wäre allerdings ein historischer Stadtplan hilfreich. Außerdem ist es auch irritierend, dass im ersten Teil des Buchs deutschsprachige Straßennamen verwendet werden, für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg aber nur noch die tschechischen Straßen- und Kaffeehausbezeichnungen verwendet werden. Da fällt es manchmal schwer, die Kontinuität zu verfolgen.


Karel Altman
Lenka Kudelková
Vladimir Filip

Zmizely svet brnenskych kaváren
Verschwundene Welt der Brünner Cafés

Hrsg. Vladimir Filip
1. Ausg. Brünn 2008
(Bruna Aeterna; 21)
137 S., überw. Ill.

Text: tschechisch und deutsch

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