Opernkritik: Glucks „Orpheus und Euryike“ – Theater Krefeld Mönchengladbach – 2018

Amor dirigiert das Spiel mit dem Geigenbogen 

– Bei Glucks „Orpheus und Euryike“ am Theater Krefeld Mönchengladbach ist das Ballett mit einbezogen – 

von Klaus J. Loderer 

Am Ende scheint dieser Orpheus nicht wirklich glücklich zu sein. Betreten steht er mit einem Geigenbogen rechts der Bühne, während Eurydike links sitzt. Dabei hatte er gerade Erfolg als Musiker und seine Eurydike zurückbekommen. All dies sehen wir zu den letzten Musiknummern. All dies hat Amor inszeniert. Von ihm hat Orpheus auch den Geigenbogen. Amor hat ihn benutzt, um all die Geschehnisse zu dirigieren. Eine interesssnte Umdeutung von Amors Bogen. Doch dieser Amor mit weißem Hut, ärmellosen Frack und roten Handschuhen hat auch eine bedrohliche Seite. Seine rechte Gesichtshälfte ist als Schädel geschminkt. Er ist Tod oder Liebesgott, je nachdem, wie er steht. Er ermöglicht Orpheus den Weg in die Unterwelt, er ist es aber auch, der Eurydike in den Untergrund führt, wenn Orpheus sich verbotenerweise nach ihr umgedreht hat. Das ist eine ergreifende Szene dieser Inszeneriung, wie dieser Tod Orpheus Eurydike aus der Hand nimmt und langsam die Stufen hinabgeleitet. Auch die Idee des schwarzen Bandes, mit dem Orpheus Eurydike aus der Unterwelt herausführen möchte, ist eine schöne Idee in der Inszenierung von Jakob Peters-Messer. An dieser zentralen Stelle ist die Decke mit ihrem riesigen schwarzen Stuckschnörkel heruntergeklappt und reduziert den Raum dramatisch.

Sophie Witte und Eva Maria Günschmann,
„Orpheus und Eurydike“ am Theater Krefeld Mönchengladbach
Foto: © Matthias Stutte

In der ersten Szene ist der Raum, den Bühnenbildner Markus Meyer geschaffen hat, kaum wahrnehmbar. Er ist abgedunkelt. Eine schwarz gekleidetete Trauergemeinde hat sich um den Sarg von Eurydike versammelt. Man ist gefangen von dieser Trauer in Musik und Bild. Erst in der nächsten Szene, wenn Orpheus trauernd an einem Tischchen sitzt, erkennt man, dass die Scheiben des großen Fensters zersplittert sind. Durch dieses Fenster steigt Orpheus schließlich hinaus. Auf dem Weg in die Unterwelt findet er sich im gleichen Raum wieder. Ist es das Feuer der Hölle, das wir hinter dem Fenster sehen oder ein Vulkanausbruch? Lavamasse hat sich in den Raum gewälzt. Und mit Decken schützen sich die Menschen, die Orpheus nicht vorbei lassen wollen. Als wilde Furien ist das Ballett eingesetzt (Choreographie Robert North). Es ist überhaupt eine Besonderheit dieser Produktion, dass an mehreren Stellen Ballett zum Einsatz kommt. Das unterstützt die Musik passend. Im nun hell beleuchteten Reich der seligen Geister liegen die Tänzer auf Podesten, zuerst schlafend und schließlich erwachend, sich paarweise findend. Der Chor nun weiß in Ärztekitteln gekleidet. All diese Szenen sind durch geschlossenen schwarzen Vorhang für die Umbauten streng voneinander getrennt, allerdings sind die Pausen mit Musik unterlegt.

Ein Szene des Herausführens aus der Unterwelt erhält durch ein schwarzes Band Struktur, mit dem zuerst Orpheus Eurydike nachzieht, die nach einem Kompliment heischende Eurydike dann Orpheus zu sich zieht, bis das Band dann zu Boden fällt und Eurydike so lange herumquengelt und schließlich einen Schwächeanfall vortäuscht, bis sich Orpheus eben umdreht.

Für die anschließenden Szenen hat sich das Bühnenbild gewandelt. Der Chor sitzt hinten und scheint einem Konzert beizuwohnen, Amor führt das Ballett als Amoretten herein, die nun alle wie er mit roten Handschuhen versehen sind und über die Bühne flattern. Die roten Handschuhe sind übrigens die einzige Verwendung von Farbe in dieser ansonsten von Markus Meyer in Bühne und Kostümen strikt weiß und schwarz angelegten Produktion.

Leider ist Sophie Witte, die als indisponiert angemeldet ist, in dieser Vorstellung nicht so gut bei Stimme. Man merkt in der Höhe leichte Unsicherheit. Doch singt sie die Rolle der Eurydike mit feinem Sopran. Schmelzend der Orpheus von Eva Maria Günschmann, ergreifend schön „Che farò senza Euridice“. Auch Gabriela Kuhn erfreut als quirliger Amor.

Man spielt übrigens die Wiener Fassung in italienischer Sprache mit einigen Ergänzungen, darunter den Tanz der Furien aus der französischen Fassung. Feinsinnig angelegt die Streicher der Niederrheinischen Sinfoniker. Einfühlsam das Dirigat von Michael Preiser: er dirigiert zügig, gönnt den getragenen Stellen aber ihren Raum und gibt den triumphierenden Amor in sprühender Festlichkeit. Exakt der Chor.

Besuchte Vorstellung: 28. Juni 2018
(Premiere Theater Mönchengladbach am 15. Juni 2017,
Premiere Theater Krefeld am 17. Februar 2018)
Theater Krefeld



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Skandal: Enrico Caruso und die spektakuläre Trennung von Ada Giachetti

Vor der Oper: das historische Café Rommel in Erfurt

Buchbesprechung: Paul Abraham, der tragische König der Operette – eine Biographie von Klaus Waller