Zwei historische Theater werden abgerissen: Komödie und Theater am Kurfürstendamm in Berlin

Noch ... Tage bis zur Schließung – dann verliert Berlin zwei historische Theater 

– Komödie und Theater am Kurfürstendamm in Berlin werden abgerissen – 

von Klaus J. Loderer

Am 27. Mai 2018 öffnet sich zum letzten Mal der Vorhang der Komödie am Kurfürstendamm für „Der Raub der Sabinerinnen“. Nach der Vorstellung wird sich der Vorhang für immer schließen. Im Theater am Kurfürstendamm ist sogar schon am 22. Mai Schluss. Die Theaterfamilie Wölffer wird die beiden Theater nach drei Generationen Theaterdirektion verlassen und im Herbst vorübergehend ins Schillertheater einziehen. Im neu entstehenden Ku’damm Karree soll wiederum ein Theater einziehen.

Der Saal der Komödie am Kurfürstendamm mit seinem intimen Logenrund

Foto: Thomas Grünholz

Für die beiden Theater, in denen immerhin Schauspieler wie Kurt Goetz, Adele Sandrock, Marlene Dietrich, Heinz Rühmann, Curt Bois, Harald Juhnke, Günter Pfitzmann, Georg Thomalla auftraten, endet mit der Schließung und dem Abriss eine fast hundertjährige Geschichte. Schon bald werden die Bagger anrücken und den gesamten Gebäudekomplex abreißen. Der ist nun wirklich unansehnlich. Aber darin verbergen sich eben auch zwei historische Theater, um die man drumherumgebaut hat. Was schon einmal gelungen ist, hätte auch wieder gelingen können. Man hätte die beiden Theater erhalten und umbauen können. Ein kluger Investor hätte das auch getan. Und kluge Politiker hätten darauf gedrängt. Aber in Berlin ist man eben nur „arm aber sexy“ – der Regierende Bürgermeister, der diesen Satz in die Welt gesetzt hat, heuchelte zwar öffentlichkeitswirksam Bedauern, dass man die Theater nicht retten könne, tat aber gar nichts zu ihrer Erhaltung. So hat das Land Berlin nicht nur 1990 den Gebäudekomplex sondern 1998 auch die Bestandsgarantie für die Theater verschachert. 2 Millionen Euro brachte es der Staatskasse, laut einer Enthüllung der Berliner Zeitung, dass der Eigentümer keine Rücksicht auf die historischen Theater nehmen muss. Die damalige Finanzsenatorin tätigte noch manchen Verkauf, den man später bitter bereute.

Kein Denkmalschutz

Bei historischen Theatern denkt man natürlich eigentlich, die müssten doch unter Denkmalschutz stehen. Doch weit gefehlt. Das Berliner Landesdenkmalamt hat eine Eintragung ins Denkmalverzeichnis lange Zeit schlichtweg verschlafen und schließlich 2005 ohne Prüfung „wegen fehlender Evidenz einer Denkmaleigenschaft“ sogar abgelehnt. Ein wirkliches Interesse am Schutz bestand auch bei der Politik wohl nicht, denn der Senat lehnte entsprechende Initiativen immer wieder ab. Denkmalschutz sollte nicht die Geschäftsinteressen stören.

So kündigte der neue Eigentümer, die db-Real Estate zum Jahresende 2006 die Mietverträge für die Theater. Natürlich hätte sich auch eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bank kulturell engagieren und die Theatersäle erhalten können. Doch hatte man gar kein Interesse am Objekt, denn schnell stieß man das Ku’damm Karree wieder ab. Für das Theater folgte eine unsichere Zeit ohne Mietvertrag und wechselnden Eigentümern. Man munkelt von einem undurchsichtigen Investorengeflecht. 2017 einigte man sich mit Cells Bauwelt darauf, dass das Theater 2018 auszieht und im Untergeschoss des Neubaus ein neues Theater mit 650 Sitzplätzen erhält. So ist zwar die Institution eines Theaters an dieser Stelle gerettet, die beiden historischen Theaterräume werden aber geopfert. Und das, obwohl ihre Geschichte bemerkenswert ist.

Ein Theater für Max Reinhardt

1905 bezog die 1898 gegründete Berliner Sezession ein neues Ausstellungsgebäude am Kurfürstendamm 208. 1915 zog die Sezession in ein neues Gebäude um. In das ehemalige Ausstellungsgebäude wurde dann Anfang der 1920er-Jahre nach Plänen des bekannten Theaterarchitekten Oskar Kaufmann ein Theater eingebaut. Am 8. Oktober 1921 wurde das Theater am Kurfürstendamm eröffnet.

Der Saal des Theaters am Kurfürstendamm ist von einer Reihe Logen umgeben

Foto: Thomas Grünholz

Wenige Jahre nach der Eröffnung entstand auf Initiative des Regisseurs Max Reinhardt auch im Nachbarhaus ein Theater, das ebenfalls von Oskar Kaufmann entworfen und 1924 als Komödie eröffnet wurde. Nach einer Schließung durch die Baupolizei baute Oskar Kaufmann das Theater am Kurfürstendamm um, das ab 1931 ebenfalls Max Reinhardt bespielte.

Hans Wölffer wurde 1933 Direktor der beiden Theater. 1942 wurden beide Theater enteignet und verstaatlicht. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Theater von Bomben getroffen und beschädigt. Doch schon kurz nach Kriegsende erfolgte 1946 der Wiederaufbau. Das Theater wurde 1947 kurze Zeit als Theater und dann als Kino benutzt. Hans Wölffer leitete ab 1951 wieder die Komödie. 1949 bis 1963 wurde das Theater von der „Freien Volksbühne“ bespielt, bis diese ein eigenes Gebäude erhielt. Dann übernahm Hans Wölffer auch dieses Haus.

Was die Aufführungsgeschichte der beiden Theater angeht, ist sie von großen Namen geradezu gepflastert. Das Theater am Kurfürstendamm wurde 1921 mit der Uraufführung des Theaterstücks „Ingeborg“ von Curt Goetz eröffnet, übrigens mit dem Autor und Adele Sandrock in den Hauptrollen. Hier fand auch die Berliner Erstaufführung von „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ von Bert Brecht und Kurt Weill statt.

Uraufführung von „Der Stellvertreter“

In der Phase der „Freien Volksbühne“ inszenierten Regisseure wie Giorgio Strehler, Oscar Fritz Schuh und Erwin Piscator im Theater am Kurfürstendamm. In diese Phase fällt auch die Uraufführung von Rolf Hochhuths „Der Stellvertreter“. Es spielten Schauspieler wie Peer Schmidt, Tilla Durieux, Wolfgang Neuss, Wolfgang Spier und Günter Pfitzmann. Die Familie Wölffer konzentrierte sich auf Boulevardtheater und brachte vor allem Komödien. Immerhin wurden diese früher häufig vom Fernsehen übertragen. Es traten bekannte Schauspieler auf wie Inge Meysel, Georg Thomalla, Grit Boettcher, Harald Juhnke, Brigitte Mira, Johannes Heesters, Judy Winter, Otto Sander, Helmut Baumann, Evelyn Künneke etc.

Das Foyer der Komödie am Kurfürstendamm

Foto: Thomas Grünholz

Es steht außer Frage, dass in Komödie und Theater am Kurfürstendamm wichtige Beiträge zur deutschen und zur Berliner Theatergeschichte geleistet wurden. Schon durch diese historische Bedeutung hätte eine Einstufung als Kulturdenkmal erfolgen müssen. Dazu kommt die Bedeutung der Architektur. Denn beide Theater wurden von einem der wichtigsten Theaterarchitekten des frühen 20. Jahrhunderts geplant, Oskar Kaufmann, der nicht nur die Volksbühne, das Hebbeltheater und das Renaissancetheater in Berlin plante sondern auch das Erkeltheater in Budapest umbaute. Die zierlichen Details der expressionistischen Ausstattung gingen zwar durch die Kriegszerstörungen und den schlichter gestalteten Wiederaufbau verloren, es blieben aber die Raumfolgen und charakteristischen Raumformen der beiden Zuschauerräume mit ihrer intimen Stimmung erhalten. Und besonders für den Kurfürstendamm bilden die beiden Theater ein wichtiges Detail.

Es ist erbärmlich, dass die Berliner Politiker die beiden Theater, die sich im Schutz öffentlichen Eigentums befanden, skrupellos Geschäftsinteressen, denen jegliches Interesse an der Kulturgeschichte der Stadt abgeht, opferten. Das ist aber leider typisch für Politiker, denen vermutlich schlichtweg die Bildung fehlt, das kulturelle Erbe zu würdigen. Man mag die Nase rümpfen über die Komödien der beiden Boulevardtheater – aber auch das ist Teil einer Großstadt.

Ausstellung

Bis zum 27. Mai 2018 ist in der Komödie am Kurfürstendamm noch die Fotoausstellung „Boulevard Berlin – ein Jahrhundert Komödie am Kurfürstendamm“ zu sehen, die in Kooperation mit der TheaterGemeinde Berlin und der Stiftung Stadtmuseum Berlin entstand.

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