Opernkritik: Richard Wagners „Der fliegende Holländer“ – Staatsoper Hamburg – 2018

Der Mutter Ehebruch ist die Ursache für des Holländers Leidens 

– 75. Vorstellung von Wagners „Der fliegende Holländer“ in der Inszenierung von Marco Arturo Marelli an der Staatsoper Hamburg – 

von Klaus J. Loderer

Eine kleine Szene illustriert die Ouvertüre. Vor einem Haus am Wasser sitzt eine Frau mit ihrem Sohn. Sie faltet ihm ein Papierschiffchen. Das Kind spielt damit. Da kommt ein Mann herbei und lockt die Frau ins Haus. Sie vergnügen sich. Der Sohn pocht verzweifelt an die Tür und läuft schließlich davon. Nun wissen wir also, warum der Holländer so verzweifelt nach einer treuen Frau sucht.

„Der fliegende Holländer“ an der Staatsoper Hamburg (frühere Besetzung)
Foto: Brinkhoff-Mögenburg

Die Staatsoper Hamburg hat kürzlich wieder die interessante Inszenierung von Marco Arturo Marelli aus dem Jahr 1996 für einige Vorstellungen ins Programm genommen. Es ist in Hamburg eine schöne Sache, dass immer wieder Produktionen aus früheren Jahren im Spielplan auftauchen, so hat man doch noch Gelegenheit, Inszenierungen, auf die man durch die in den Treppenhäusern dder Staatsoper hängenden Fotos neugierig geworden ist, zu sehen. Nun also „Der fliegende Holländer“. Es ist die 75. Vorstellung.

Marellis Bühnenbild besticht durch Schlichtheit. Die Holzlatten des Fußbodens im Vordergrund in der ersten Szene deuten Schiffsplanken an. Das Blau des Hintergrunds zieht uns in die Unendlichkeit von Meer und Himmel. An ein Schiff erinnern nur die Taue, mit denen die Mannschaft kämpft. Auch das Holländer-Schiff wird nur durch die roten Taue angedeutet (abgeleitet von der Erwähnung blutroter Segel im Text). Dezent in den Farben die Kostüme von Dagmar Niefind-Marelli mit Anklängen an Kleidung des 19. Jahrhunderts. In der Spinnstubenszene ist der Raum verengt durch stilisierte Giebelhäuser, die auch Schränke sein könnten. Die Häuschen für die dritte Szene nach rechts und geben den Blick frei auf die Hafenmole. Eindrücklich die Schlussszene: da läuft Senta nach links auf den Anlegesteg und aus dem Bild, dann verschiebt sich das Bühnenbild immer weiter nach rechts und unser Blick erreicht schließlich das Ende des langen Anlegestegs, an dem nichts ist als das blaue Meer. Hat Senta nun den Holländer erlöst oder hat sie sich alles nur eingebildet? Hat sie gehofft, dass ihr verschwundener Sohn (denn sie ist die Frau im Eingangsbild) als Holländer zurückgekehrt ist? So wäre es das Bild des Sohns, das sie in der Spinnstubenszene immer angestarrt? Es bleibt unserer Phantasie überlassen, was da eigentlich passiert ist. So endet diese Geschichte mysteriös, passend zum leicht surreal angehauchten Setting Marellis als moderner Interpretation dieser Gesitergeschichte der Romantik. Feinsinnig hat dazu Manfred Voss das Licht gestaltet, um unwirkliche Stimmungen zu erzeugen und Stimmungswechsel zu akzentuieren.

Unter der musikalischen Leitung von Johannes Fritzsch darf das Philharmonische Staatsorchester mächtig auftrumpfen. Fritzsch erfreut mit einem kurzweiligen Dirigat. Auch der Chor ist von Eberhard Friedrich gut einstudiert. Was die Solisten angeht, ist der Staatsoper eine durchweg gute Besetzung gelungen. Besonders eindrücklich John Lundgren als Holländer. Der Bariton singt mit feinen Nuancen den Monolog „Die Frist ist um“, kraftvoll und sanft, kämpferisch und flehend. Mit Günther Groissböck kann man sogar mit einem großen Namen aufwarten. Der österreichische Bass arbeitet sich durch die Wagner-Partien. Fein abgestimmt gibt er mit wohlklingendem Bass diesen kühlen Geschäftsmann Daland. Leidenschaftlich ist die Senta von Ingela Brimberg. Sie moduliert sich gekonnt durch die Stimmungslagen der Partie, auch die leichte Schärfe der hohen Töne passt zur Rolle. Mit sicherem Tenor erfreut Daniel Behle als Erik. Beim Steuermann Sergei Ababkin, Mitglied des internationalen Opernstudios, darf man auf künftige Auftritte gespannt sein.

Besuchte Vorstellung: 24. Februar 2018
(75. Vorstellung seit der Premiere am 21. Januar 1996)
Staatsoper Hamburg

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