Opernkritik: „Capriccio“ an der Oper Frankfurt am Main – 2018
„Du wolltest mit der Liebe paktieren, nun stehst Du selbst in Flammen“
– Brigitte Fassbaender inszeniert „Capriccio“ an der Oper Frankfurt am Main –
von Matthias Woehl
Capriccio, eigentlich ein geniales, witziges und romantisches Konversationsstück über die Entstehung einer Oper, Liebeswirren in Künstler- und Adelskreisen, das am Ende mit der grandiosen Mondscheinmusik und einem wunderschönen Schlussgesang der Gräfin gekrönt wird. Lange wird in dem Stück, von den um die Gräfin buhlenden Dichter und dem Komponisten über die Wichtigkeit von Musik und Text diskutiert. Dazu lassen Richard Strauss und Clemens Krauss, die den Text verfassten, köstliche Spitzen über die Welt des Theaters einfließen, und Strauss nimmt sich mit Zitaten sogar selbst auf den Arm. Auch die Romantik kommt nicht zu kurz, denn die Gräfin spielt anfänglich nur mit der Liebe zu Flamand und Olivier, doch brennt sie am Ende lichterloh, und kann sich zwischen den Beiden nicht recht entscheiden. Alles ist da, was eine schöne Oper ausmacht, ich würde sogar weiter gehen, denn ähnlich wie Ariadne und ihr kongeniales Vorspiel, ist es ein geradezu überragendes Werk.
Regisseurin Brigitte Fassbaender inszeniert einen wirklich anständigen „Capriccio“, überzeugt mit einer schönen Personenführung, und durch das Bühnenbild, eine Orangerie, einer Probebühne und einer Sitzgruppe, ist das ganze auch ansehnlich ausstaffiert. Einzig Kleinigkeiten stören, wie die recht primitiven Rattansessel, oder dass eine Gräfin ihr Personal nicht nur berührt, sondern gar umarmt – denn das hätte es dann doch nie gegeben. „Capriccio“ ist ein zeitloses Werk, nach wie vor gültig, und eigentlich in jede Zeit zu versetzen. Doch Frau Fassbaender lässt die Oper in der Entstehungszeit spielen, also den 1940er-Jahren, und da darf natürlich eines nicht fehlen, die Nazis. Muss das jedes Mal erwähnt werden? „Madama Butterfly“ z.B. spielt in Nagasaki, wird da jedes Mal eine Atombombe abgeworfen, um alles auch wirklich „bedeutend“ zu machen? Doch eines macht Frau Fassbaender richtig, das Stück spielt in Frankreich im ausgehenden 18. Jahrhundert, und da siedelt sie das Stück auch an, nur eben in den 1940er-Jahren, zur Zeit der deutschen Besatzung. Am Ende geht die Gräfin dann in den Widerstand. Immerhin. Für alles entlohnt dann die Schluss-Szene, die mit einem unglaublich effektvollen Bühnebild, die Orangerie ist durch einen optischen Effekt unglaublich tief, verzaubert.
Musikalisch ist der Abend aber eine Katastrophe, das Stück ist regelrecht nicht wiederzuerkennen. Einzelleistungen des Gesangs möchte ich gar nicht hervorheben, es gab besseren und schlechteren und unterirdischen Gesang. Allen aber muss man eines bescheinigen: es war kein einziges Wort zu verstehen, nicht mal, wenn man den Text oben mitgelesen hat, hat man etwas im Gesang vernehmen können. Das ist zwar heutzutage fast schon der Normalfall, aber es gibt ein entscheidendes Problem: bei Capriccio handelt es sich um ein Konversationsstück, auch noch um eines, in dem über die Verständlichkeit des Gesangs, und dessen Wichtigkeit, diskutiert wird. Da hat das „hochgelobte“ Haus, und wir reden von einem der angeblich besten Häuser des Landes, komplett versagt.
Musikalisch verunstaltet Dirigent Sebastian Weigle die Oper bis zur Unkenntlichkeit. Er ist ja bekannt für seine spannungslose Art und seine schleppenden Tempi, aber das etwas über zwei Stunden dauernde, pausenlose Werk, lässt er wie in Sechs-Stunden-Epos wirken. Der Höhepunkt, die Mondscheinmusik und der wunderschöne Schlussmonolog der Gräfin versuppt völlig, alle Effekte sind weichgespült und aufregende mitreißende Forte-Passagen kommen überhaupt nicht mehr zur Geltung. Das kenne ich anders. Uraufführungsdirigent Clemens Krauss war in der Lage aus Oper wirkliche Oper zu machen. Er dirigierte spannungsgeladen und alles andere als langsam, und wenn man die beiden Aufnahmen von ihm hört vernimmt man vor allem eines: großartige Musik, und Sänger, bei denen man dem Text folgen kann, Wort für Wort, ohne Textheft, wie bei einem Hörspiel. Das war also einmal wirklich möglich, wortverständlich zu singen. Sage ich so etwas, wird mir gerne geantwortet: „so singt man heute nicht mehr“, somit handelte es sich wohl doch nicht um eine schlechte musikalische Darbietung, sondern um eine hervorragende, denn man könnte ja vielleicht wortverständlich singen, tut es nur nicht mehr, weil man: „heutzutage nicht mehr so singt“. Schade, das Stück hätte so viel zu geben!
Besuchte Vorstellung: 28. Januar 2018
(Premiere 14. Januar 2018)
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