Premierenkritik: Bellinis „I Capuleti e i Montecchi“ – Teatro São Carlos Lissabon – 2018

In unbeobachteten Momenten werden die Gemälde lebendig 

Bellinis „I Capuleti e i Montecchi“ am Teatro Nacional de São Carlos in Lissabon 

von Klaus J. Loderer

Das historische Teatro São Carlos in Lissabon mit seinem historischen Logenrund ist genau so ein Theater, wie man es sich für Belcanto vorstellt. Vincenzo Bellinis „I Capuleti e i Montecchi“ hatte im nicht unähnlichen Teatro la Fenice 1830 seine Uraufführung.

„I Capuleti e i Montecchi“ 
am Teatro de São Carlos in Lissabon
Foto: Teatro Nacional de São Carlos
Zum Vorspiel tragen Arbeiter Gemälde in ein Museum. Es könnte auch ein englisches Herrenhaus sein (Bühnenbild: Alessandro Camera). Verpackte Bilder werden an die Wände gelehnt, herein- und hinausgetragen. Der Rückgriff in die tragische Liebesgeschichte von Romeo und Julia gelingt Regisseur Arnaud Bernard durch den Kunstgriff, die Bilder lebendig werden zu lassen. Einem großen Gemälde entsteigt der rot gewandete Herrenchor in historisierenden Kostümen (Kostüme: Carla Ricotti). Doch kaum lässt sich ein Arbeiter blicken, erstarrt der Streit auf der Bühne. Das ist konsequent durchexerziert und trägt. Man schmunzelt bei jedem Freeze. Auch der Restaurator ahnt nicht, was sein Gemälde hinter seinem Rücken treibt. Nun gut, manchmal übertreibt der Regisseur etwas. Dass Romeo die gesamte Horde seiner Widersacher in Schach hält, ist doch sehr altertümlichen Mantel-und-Degen-Filmen entlehnt. Hier wird eifrig mit Degen und Dolchen gefuchtelt. Wenigstens langweilt man sich nicht. Entsprechend dem Gemälde, auf dem Zofen an einem Brautkleid nähen, richten auch auf der Bühne die gleichen Zofen das weiße Braukleid Julias. Konsequent verwandelt sich das arrangierte Tableau mit den beiden dekorativ hingegossen Gestorbenen und dem Chor in ein Gemälde mit Goldrahmen. Das quittiert das Premierenpublikum in Lissabon mit großem Beifall. Es handelt sich bei der Produktion eine Übernahme aus dem Teatro Filarmonico in Verona, wo die Inszenierung 2013 Premiere hatte.

Giampaolo Bisanti liefert ein flottes und kurzweiliges Dirigat. Das Orquestra Sinfónica Portuguesa ist gut aufgestellt. Der Coro do Teatro Nacional de São Carlos lässt Exaktheit vermissen. Die rumänische Sopranistin Mihaela Marcu, die die Rolle der Giulietta auch schon bei der Premiere in Verona gesungen hat, erfreut mit sicheren Koloraturen. Allesandra Volpe ist ein agiler Romeo mit schönem Mezzosopran. Tenor Davide Giusti fing die Rolle des Tebaldo gut an, enttäuschte aber schon bald durch eine gepresste Höhe. Dagegen erfreut der in Kolumbien geborene Bartion Christian Luján mit einer schönen Gestaltung des Lorenzo. Und auch der Bariton Luís Rodrigues überzeugt als Capellio.

Besuchte Vorstellung: Premiere am 15. April 2018
Teatro Nacional de São Carlos in Lissabon
(Produktion Fondazione Arena di Verona, Premiere am 3. November 2013 im Teatro Filarmonico in Verona, Koproduktion mit dem Teatro la Fenice in Venedig und der Greek National Opera)

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