Premierenkritik: Wagners „Der fliegende Holländer“ am Theater Koblenz – 2018
Na wenn sie alle gaga sind ...
Das Theater Koblenz präsentiert einen musikalisch hervorragenden „Holländer“
– von Matthias Woehl –
„Der fliegende Holländer“ in Koblenz ist eine tolle Show,
das kann man ohne Zweifel sagen. Aus Platzgründen setzt man die Rheinische
Philharmonie auf die Bühne, und davor gestaltet Bühnenbildner Bodo Demelius
eine ansehnliche Szene für die Vorgänge. Aber Regisseur Markus Dietze lässt
seinen Holländer in einer Nervenheilanstalt spielen, was meine anfängliche
Hoffnung, einer wirklich interessanten Deutung beizuwohnen, gleich völlig
zerstört. Das Problem dabei ist nämlich, dass man, wenn alle sowieso gaga sind,
alles machen, aber nichts ernst nehmen kann. Somit ist alles beliebig
und auch bedeutungslos. So abwegig sind doch die Vorgänge in Wagners Oper „Der
fliegende Holländer“ überhaupt nicht, jede Figur hat ihre Gründe dafür, warum sie so handelt wie sie handelt,
nur dass sie nicht unbedingt zusammenpassen, und das Ganze dann nicht für alle
gut endet. Durch interessante Videoprojektionen entstehen zusätzlich auch tolle
Effekte, was Senta betrifft sogar durchaus interessante Einblicke in deren
Gedankenwelt, aber diese funktionieren dann doch wieder nicht, weil es sich ja
letztendlich einfach nur um eine Irre handelt. Das ist wirklich schade, und für
eine Deutung, wie ich finde, nicht
gerade förderlich.
„Der fliegende Holländer“ am Theater Koblenz
© Matthias Baus
|
Erfreulicher hingegen ist die musikalische Seite. Susanne
Serfling singt eine hervorragende Senta. Sie singt ohne jeden Wackler, besitzt
eine sichere Höhe, ist zudem auch in der Lage mit stimmlichen Mitteln zu
gestalten. Ihr Spiel ist überzeugend, und ihre Finalszene wird mit einem
grandiosen „hier steh ich, treu Dir bis zum Tod“ gekrönt. Ihr zu Seite Ray M.
Wade jr. als Erik. Mit seinem wunderschönen, samtenen und hervorragend
geführten Tenor, gestaltet er seine Partie, ist in der Lage absolut
wortverständlich zu singen, und auch szenisch ist er ein überzeugend
unglücklich Liebender. Bravo! Als Holländer springt in der Premiere Michael
Mrosek ein, da möchte ich jetzt nicht herumnörgeln, das war eine durchaus
anständige Leistung. Daland wurde von Jongmin Lim gegeben, der durchaus mit
einer überzeugenden Leistung beeindruckte, nur leider wenig gestaltend im
Dauerforte sang. Großartig aber der Steuermann von Junho Lee, der nicht nur
hervorragend sang, sondern zudem noch in der Lage war, dabei szenisch ein paar
Tanz- und Akrobatikeinlagen vorzuführen. Das war schon großartig! Das Orchester
flott und anständig dirigiert unter der Leitung von Mino Marani.
Ein Wort noch zu Original-Versionen. Komponisten haben
Stücke durchaus nicht grundlos überarbeitet. Meistens weil sie verbesserungswürdig,
nicht, weil sie gleich große Meisterwerke waren. Seit Jahren bekommt man
überall nur noch grobe und rohe Urfassungen präsentiert, was weder ein tolles
Hörvergnügen, noch besondere Erkenntnisse vermittelt, außer den Eindruck, das
man an der Musik noch etwas nachbessern könnte. Im Fall des Fliegenden
Holländers stört mich noch dazu das andauernde Weglassen des sogenannten
Erlösungs-Endes (für mich einer der musikalisch schönsten Momente der Oper),
was für mich immer wirkt, wie ein Sexualakt ohne Höhepunkt. Warum eigentlich?
Wäre Erlösung nicht immer anzustreben? Szenisch hätte man es in der Klapse dann
auch noch irgendwie ausstaffieren können. Trotzdem ein schöner Abend.
Besuchte Vorstellung: Premiere am 20. Januar 2018
Theater Koblenz
Kommentare
Kommentar veröffentlichen