Opernrarität: „Giuditta“ (Judith) von Alessandro Scarlatti – Hessisches Staatstheater Wiesbaden – 2017

Man dankt ihr nicht 

– „Giuditta“ (Judith) von Alessandro Scarlatti am Hessischen Staatstheater Wiesbaden – 

von Klaus J. Loderer



Der Cavaliere Alessandro Scarlatti hat sich zwei Mal mit dem alttestamentarischen Judithstoff befasst. 1693 komponierte er das groß angelegte Oratiorium „Giuditta“. Bald erhielt er von Kardinal Pietro Ottoboni den Auftrag für ein neues Oratorium. Da dem Kardinal aber gerade nur eine kleine Zahl an Musikern zur Verfügung standen, musste ein kleineres Format entstehen. Scarlatti komponierte das Oratorium „Giuditta a true“ – also für drei Singstimmen, kleines Orchester und ohne Chor. 1697 fand die Aufführung in der Casa Vietnam, dem Palazzo der Familie Widmann in Rom, statt.


Nun hat man das wunderbare Werk wieder ausgegraben und im Kleinen Haus der Hessischen Staatstheater Darmstadt in einer Koproduktion mit der Hochschule für Musik Mainz aufgeführt. Christian Rohrbach leitete das kleine Ensemble aus sieben Musikern fein und sensibel, gefühlvoll in den langsamen Passagen, ohne langweilig zu werden. Auch was den Gesang angeht, war die Aufführung erfreulich. Mit Radoslava Vorgic als Giuditta, Christian Rathgeber als Oloferne und Hyemi Jung als Nutrice hatte man drei junge begabte Sänger gefunden.

Die Inszenierung von Chris Pichler arbeitet mit stimmungsvollen und oft symmetrischen Anordnungen. Das schlichte Bühnenbild von Matthias Schaller kommt mit wenigen Elementen aus. Die Stadt deuten zwei bewegliche Elemente an, die mit ihrer Betonoberfläche an Geschützbunker erinnern. Die Wüste sieht man auf einem riesigen Bild im Hintergrund. Im feindlichen Heerlager sorgen von hinten Richtung Zuschauer strahlende Scheinwerfer für eine bedrohliche Atmosphäre. Das sieht schön aus und illustriert die Geschichte anschaulich.

Allerdings gibt es auch einige Details, die zwar gut wirken, aber letztendlich albern sind. Ein Beispiel: Wenn man ganz realistisch vier Statisten als Soldaten in Kampfmontur mit Maschinengewehren auf die Bühne stellt, sieht es zwar eindrucksvoll aus, wenn diese die beiden Frauen einkesseln, aber sie würden ja ihren Kameraden gegenüber erschießen.

Die Handlung bezieht sich auf die Geschichte der Judith, die bei der Belagerung ihrer Stadt durch den feindlichen Feldherrn Holofernes, schließlich die Initiative ergreift. Sie geht mit ihrer Amme in das Lager des Holofernes, verführt ihn und schlägt ihm den Kopf ab. Diese Szene ist ganz geschickt gelöst. Mit dem Kopf geht Judith zurück in die Stadt. Eigentlich endet das Oratorium mit einer siegreichen Hymne, mit der sie ihre Tat beschreibt, gleichzeitig aber rhetorisch geschickt eine Verteidigungsrede für ihre drei Verfehlungen, die sie gerade begangen hat, einfädelt. Sie ist ja eigentlich in Schande, Verräterin und Mörderin. Die Schuld am Mord schreibt sie dann kurzerhand Gott zu. In Wiesbaden hat man das Stück noch etwas verlängert (man musste Judith ja noch irgendwie traumatisierten). Die Amme wird bei der Rückkehr in die Stadt erschlagen, Judith bekommt Gewissensbisse und endet schließlich in der Wüste.

Besuchte Vorstellung: 11. Februar 2017


Staatstheater Wiesbaden, Kleines Haus

Foyer des Kleinen Hauses des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden
Foto: Klaus J. Loderer

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