Premierenkritik: Leo Falls Operettenrarität „Die Kaiserin“ – Stadttheater Baden bei Wien – 2017

Die resche Resi – verliebte Prinzessin und eifersüchtige Kaiserin Maria Theresia 

Leo Falls Operette „Die Kaiserin“ der Bühne Baden im Stadttheater Baden bei Wien 

von Klaus J. Loderer 

Eine zauberhafte Operette von Leo Fall ist nun in einer ebenso zauberhaften Inszenierung im Stadttheater in Baden bei Wien zu sehen. Um Kaiserin Maria Theresia geht es in „Die Kaiserin“, an deren 300. Todestag in diesem Jahr in verschiedenen Ausstellungen in Österreich erinnert wurde. Auf den ersten Blick ist dieses Stück eine Apotheose auf die Habsburger. Mit Blick auf das Uraufführungsdatum 1915, also im zweiten Kriegsjahr des Ersten Weltkriegs, und den Uraufführungsort Berlin könnte man diese Operette nun als belangloses Unterhaltungsstück oder gar Kampfgeiststärkungsstück abtun. Das deutsche Theaterpublikum sah ein schönes Rokokoidyll mit Wienklischees. 

Verena Barth-Jurca, Miriam Portmann, Christoph Wagner-Trenkwitz, Reinhard Alessandri
Foto: Christian Husar

Doch man stutzt, wenn man die Rezeptionsgeschichte betrachtet und feststellt, daß die österreichische Zensur gewisse Probleme damit hatte, das Stück in Wien aufführen zu lassen. Denn das Stück hat es in sich. Maria Theresia wird eben nicht nur als allerhöchste Kaiserin, wie sie in Wien auf Denkmälern thront und von Staatssgemälden herabblickt, dargestellt, sondern in ihrer Privatheit mit ihrem Ehemann. Schon die Erwähnung, daß sie in Wien als „resche Resi“ bekannt sei, dann noch, daß sie auf der Bühne tanzt und singt und flucht, war für die österreichische Zensurbehörde problematisch. Der Staat erwartete 1915 eine erhabene Landesmutter auf der Bühne, nicht eine Prinzessin, die sich als derbe Wäscherin verkleidet, oder eine Kaiserin, die in einer Eifersuchtsszene völlig die Contenance verliert. Und so merkt man dem Text von Julius Brammer und Alfred Grünwald schnell die Frechheiten an, über die sich das Publikum damals sicher köstlich amüsiert hat. Kaiser Franz Stephan ist in der Operette ja ziemlich brav dargestellt, das Publikum damals wird sicher die Geschichten seiner zahlreichen Amouren im Hinterkopf gehabt haben. Und auch die unscheinbare Erwähnung, daß Maria Theresia als Kaiserin nicht nur alle Landesmutter an ihrem Busen trösten möchte, sondern auch alle Soldaten, dürfte mit den entsprechenden Witzen über genau dieses Thema korrespondiert haben. Das mag ein heutiger Theaterbesucher nicht nachvollziehen können, was er aber nachvollziehen kann, ist der witzige und freche Text über das Privatleben der Kaiserin. Denn das ist der ungewöhnliche Aspekt an dieser Operette: der private Einblick, der völlig anders ist als die ansonsten eher förmliche Darstellung von Kaisern und Königen in Opern und Operetten.

Beppo Binder, Daniel Ferlin, Sebastian Huppmann
Foto: Foto: Christian Husar 
Die Librettisten haben viele historische Persönlichkeiten eingebaut, wie den Leibarzt van Swieten, den Kanzler Kaunitz und die Gräfin Fuchs, die tatsächlich Erzieherin von Maria Theresia war. Und dann sind in die Operette ein paar Kunstgriffe eingebaut, die beim Publikum für eine pathetische Stimmung sorgen sollen. Das Prinz-Eugen-Lied ist im Ersten Weltkrieg sicher als patriotische Botschaft verstanden worden. Dabei ist die Musik gar nicht so „deutsch“, wie man das nun denken könnte. Offenbach und gar Sullivan sind durchaus Inspirationsquellen. Mit der musikalischen Glorifizierung von Schloß Schönbrunn ist Leo Fall ein wunderbares Idyll gelungen, das auch heute noch beim Publikum seine Wirkung entfaltet. Bei der Premiere in Baden erhält Miriam Portmann für ihre gelungene Interpretation der Arie „Du, mein Schönbrunn“ entsprechend langen Beifall.

Es ist interessant, wie Fall den Theaterbesucher ins 18. Jahrhundert geleitet. Immer wieder sind Akkorde und Einsprengsel eingebaut, die man mit der Musik der Zeit assoziiert. Obwohl die Musik insgesamt eher Walzer-lastig ist, was nun kein Tanz des 18. Jahrhundert ist. Schwungvoll leitet Franz Josef Breznik das Orchester der Bühne Baden.

Auch in den Dialogen sind die Librettisten bewußt antiquiert. Ich habe den Eindruck, daß sie an einigen Stellen den „Rosenkavalier“ karikieren wollten. Man stutzt schon beim Kosenamen „Bichette“ (Schätzchen), der in beiden Stücken vorkommt. Bei der im „Rosenkavalier“ erwähnten Sittenpolizei handelt es sich um Keuschheitskommission, um deren Einführung es in „Die Kaiserin“ geht. Mit „Rosenkavalier“ und „Ariadne auf Naxos“ sind ja zwei Beispiele der Rokoko-Mode um 1910 bis heute populär geblieben. Hier ist auch „Die Kaiserin“ einzureihen.

Der Untertitel „Fürstenliebe“ deutet an, daß es sich bei der Heirat von Maria Theresia und Franz Stephan um eine Liebesheirat handelte. Im ersten Akt erleben wir, wie die Erzieherin Gräfin Fuchs (herrlich steif, hochnäsig und intrigant: Eva Maria Marold) versucht die Chancen des Prinzen von Lothringen zu minimieren, indem sie drei ausländischen Gesandten ermöglicht, bei einem Maskenball Maria Theresia zu inspizieren. Maria Theresia und die Hofdamen verkleiden sich allerdings als Wiener Wäscherinnen. Das nutzt Fall zu einem derben Couplet für die Prinzessin. Entsetzen bei den Gesandten in gelb, rot und grün – durch die köstlichen Kostüme von Devi Saha noch einmal herrlich übersteigerte Karikaturen affektierter Diplomaten (komödiantisch Beppo Binder, Daniel Ferlin und Sebastian Huppmann). Kanzler Kaunitz (trocken und gelassen Christoph Wagner-Trenkwitz) fürdert die Heirat mit dem Franz Stephan Prinzen von Lothringen (mit schönem Tenor Reinhard Alessandri). Und schließlich bekommt Maria Theresia ihren Prinzen. Für die Titelrolle gewann die Bühne Baden die Sopranistin Miriam Portmann, die auch auf der als CD erschienenen Aufnahme dieser Operette aus Bad Ischl zu hören ist – nun in Baden in den Arien mit elegant strömendem Sopran und in den Dialogen auch mal derb wienerisch.

Bühnenbildnerin Su Pitzek versah die Bühne mit Parketteinlegearbeiten. Eine Bildwand im Hintergrund sorgt mit Projektionen für unterschiedliche Räume. Das kann ein Saal sein oder gar die Gartenfassade von Schloß Schönbrunn. Für das weitere Schloßambiente sorgen verschiebbare Elemente, die auf der einen Seite mit Spiegeln mit Barockrahmen versehen sind. Mit schnellem Bildwechsel schafft das hübsche Effekte und dekorative Bilder. Regisseur Leonard Prinsloo liebt die symmetrische Aufstellung und lässt gerne Runden um den Orchestergraben drehen. Das kann  dann auch mal langweilig werden. Bei den effektvollen Auftrittsmusiken gönnt er den Darstellern den großen Auftritt. Aber der musikalisch und szenisch besonders effektvoll vorbereitete Auftritt, nämlich das Erscheinen der Kaiserin vor Schönbrunn, platzt völlig, weil sie nicht effektvoll die Freitreppe herunterschreitet, sondern sich irgendwie von rechts durch den Chor durchquetscht.

Eva Maria Marold, Miriam Portmann
Foto: Christian Husar
Besonders lebt die Inszenierung aber von den wunderbaren Kostümen von Devi Saha mit feinen Details. Jene für Franz Stephan, Maria Theresia und die Hofdamen sind zeittypisch und seriös, jene für das Ballett schon etwas freier und bei den Gesandten sehr witzig. Graf Pepi und seine Edelknaben sind kuriose Rokokopunks. Und Gräfin Fuchs als schwarzer Schwan...

Nach einem Zeitsprung erlebt man im zweiten Akt den Geburtstag von Maria Theresia. Sie ist inzwischen Kaiserin und möchte alles bestimmen. Der Ehemann hat nichts zu sagen. Gräfin Fuchs setzt der Kaiserin nun den Floh ins Ohr, daß viele Männer auf die Primaballerina Santini scharf sind. Als Franz Stephan dann ins Ballett gehen möchte, weil dort eine Geburtstagsüberraschung vorbereitet ist, verbietet die Kaiserin das in rasender Eifersucht brüsk. Franz Stephans Cousine Adelgunde aus Paris, genannt Bichette, ist erstaunt, und ermahnt ihren Cousin, seinen Kopf durchzusetzen. Bichette (mit hellem Sopran Verena Barth-Jurca) hat auch einen Verehrer bei Hofe, nämlich den Grafen Pepi (ein wunderbarer Buffo Thomas Zisterer), Anführer der Edelknaben. Das ist natürlich das Buffo-Paar.

Im dritten Akt sitzt Franz Stephan gelangweilt in der Hofburg – unter Hausarrest. Er erfährt, daß man ihn verdächtigt, inkognito beim Wäscherinnenball gewesen zu sein. Der von Gräfin Fuchs als Spion der Keuschheitskommission ausgeschickten Kammerheizer Kleespitz (bewußt trottelig: Robert Sadil) erzählt ihm, daß er beim Wäscherinnenball auf den Schuh einer Dame vom Hof ein Zeichen aufgemalt habe, damit man sie identifizieren könne. Bichette und Pepi werden unruhig, denn sie waren das höfische Paar auf dem Wäscherinnenball. Pepi malt deshalb das Zeichen auf die Schuhe aller Hofdamen. Indessen ist Maria Theresia in die Hofburg gekommen, um die Schuhe der Hofdamden zu kontrollieren. Pepi und Bichette gestehen ihre Schandtat und zur Strafe wird Pepi nach Paris geschickt – da ist er nicht unglücklich – also Happy End für das Buffo-Paar. Schließlich versöhnen sich auch Maria Theresia und Franz Stephan.

Besuchte Vorstellung: Premiere 16. Dezember 2017
Stadttheater Baden

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