Operettenrarität: „Dschainah, das Mädchen aus dem Tanzhaus“ von Paul Abraham – Komische Oper Berlin 2019

„Ohne Liebe kann ein Herz nicht glücklich sein, ein Herz braucht Sonnenschein“ 

– Wiederausgrabung einer Operettenrarität in Berlin: Paul Abrahams „Dschainah, das Mädchen aus dem Tanzhaus“ konzertant an der Komischen Oper – 

von Klaus J. Loderer

„Ohne Liebe kann ein Herz nicht glücklich sein“ – die wunderbare Melodie ist schon ein heftiger Ohrwurm. Sie blieb einige Zeit bekannt, während die Operette  „Dschainah“ schon bald nach ihrer Uraufführung in Vergessenheit geriet. Immerhin 57 Aufführungen fanden 1935/1936 im Theater an der Wien statt. Dann war der Theaterpächter pleite. Auch die Finanzspritzen des Kaffeesiederkönigs Julius Meinl II halfen nicht mehr. Dieser war überhaupt der Initiator zu dieser Operette gewesen. Er wollte für seine Ehefrau, die Sängerin Michiko Tanaka-Meinl, eine Hauptrolle haben. Zuerst sollte Emmerich Kálmán die Operette schreiben. Der brach die Arbeit aber schnell ab. Dann kam Paul Abraham zum Zuge. Seine Librettisten Alfred Grünwald und Fritz Löhner-Beda kopierten ziemlich unverfroren die Handlung der 1896 uraufgeführten Operette „The Geisha“ des englischen Komponisten Sidney Jones. Und irgendwie ist „Dschainah“ natürlich die Happy-End-Variante von „Madama Butterfly“. Noch drei Operetten brachte Paul Abraham heraus, dann zwangen ihn die politischen Umstände Europa zu verlassen. In Amerika konnte er an die Erfolge in Deutschland und Österreich nicht anknüpfen. »Dschainah« wurde nicht wieder aufgeführt.

Hera Hyesang Park (Dschainah Lylo) und Dirigent Hendrik Vestmann
Foto: Iko Freese / drama.berlin.de
In der Paul-Abraham-Reihe hat die Komische Oper Berlin nun „Dschainah, das Mädchen aus dem Tanzhaus“ ausgegraben und als konzertante Weihnachtsoperette herausgebracht. Wieder sorgte eine bühnenpraktische Rekonstruktion durch Henning Hagedorn und Matthias Grimminger für das Aufführungsmaterial. Was als konzertante Aufführung angekündigt war, entpuppte sich schnell als Aufführung in Kostümen und mit einer halbszenischen Handlung. Man hätte sich auch über eine richtige Inszenierung gefreut – aber vielleicht lässt sich ein anderes Theater dazu inspirieren. Die Musik ist effektvoll und die Handlung enthält Spitzen und Themen, die – wie meistens bei Abraham – über eine pure Operettenlustigkeit weit hinausreichen. Wieder komponierte Abraham flotte Tanzrhythmen und eingängige Melodien, in diesem Falle allerdings gepaart mit Anklängen an ostasiatische Musik.

Die gesprochenen Texte wurden in Berlin gestrichen, wodurch eine knappe, ohne Pause gespielte Fassung entstand. Als Ersatz hat Ulrich Lenz eine pointierte Inhaltsangabe und Moderation verfasst. Damit ist man nun gleich beim Schauspieler Klaus Christian Schreiber, der sehr kurzfristig eingesprungen ist (wie man hörte am Tag vor der Premiere) und deshalb seinen Text vorsichtshalber mitbrachte. Er brauchte seine Spickzettel dann doch nicht. Und er war ein echter Glücksfall, wie er launig und mit viel Witz durch die Handlung führte, sich auch mal mit dem Dirigenten Hendrik Vestmann anlegte, der dieses Spiel mitmachte, und über die Personen der Handlung lästerte, besonders den Autor des Romans „Frauen unter Palmen“. Bei diesem handelt es sich um die männliche Hauptperson, den französischen Marineoffiziere Pierre Claudel, der eben auch schwülstige Bücher schreibt. Nun soll er aber die Tochter von Madame Cliquot heiraten – und zwar vor dem 1. April. Denn sonst verliert die Familie einen Erbschaftsanspruch. Natürlich kommt etwas dazwischen. Pierre wird nach Vietnam abkommandiert. Nun muss also Ersatzbräutigam Bogumil in Aktion treten, der Yvonne als Stellvertreter heiraten soll, der aber eigentlich mit Musotte anbandeln will. In Saigon lernt Pierre die Dschainah Lylo kennen. Das soll die lokale Variante einer Geisha sein. Er rettet sie davor nach Singapur verkauft zu werden, indem er sie heiratet. Das kennt der Opernfreund aus „Madama Butterfly“. Auch Lylo wird nur auf Zeit geheiratet. In Paris wird unterdessen Madame Cliquot nervös. Sie fährt kurzerhand mit der ganzen Hochzeitsgesellschaft nach Saigon. Pierre heiratet brav Yvonne. Lylo verzichtet großmütig. Später trifft Pierre sie in Paris auf einem Ball wieder und erfährt, dass sie wohlhabend geheiratet hat. Also Happy End für drei Paare.

Talya Lieberman (Musotte) und Dániel Foki (Baron Bogumil)
Foto: Iko Freese / drama.berlin.de
Mit elegantem Erscheinungsbild erlebte man die koreanische Sängerin Hera Hyesang Park als Dschainah Lylo. Sie erfreute mit kultiviertem Sopran und einer hellen Höhe und man konnte bei „Ohne Liebe kann ein Herz nicht glücklich sein“ dahinschmelzen, optisch eine überaus passende Besetzung, sie blieb aber sehr brav in der Ausstrahlung. So richtig entfalten konnten sich allerdings auch die anderen Sänger nicht. Johannes Dunz sang die Rolle des Pierre Claudel mit schönem Tenor, wobei er seine Stimme in der Höhe ruhig mit etwas mehr Leidenschaft hätte ausleben können. Mirka Wagner gefiel als seine Braut Yvonne mit sicheren Höhen. Eher enttäuschend war Zazie de Paris als Madame Cliquot. Zwar trug sie ein Couplet mit Verve vor, doch hatte sie erstaunlich wenig Bühnenwirkung.

Gut aufeinander abgestimmt war das Buffo-Paar. Hier sprühten Witz und Ironie. Der ungarische Bariton Dániel Foki gab den polnischen Baron Bogumil Barczewsky als feschen Charmeur. Talya Lieberman war mit sinnlichem Sopran in Flirtlaune eine kokette und nicht leicht zu durchschauende Musotte.

Hendrik Vestmann sorgte als Dirigent mit dem Orchester der Komischen Oper für ein flottes Tempo. Allerdings hätte er die Lautstärke gelegentlich durchaus etwas zurücknehmen dürfen. Denn so gingen die hinter dem Orchester angeordneten Chorsolisten etwas unter.

Um den Flair der Handlungszeit zu vermitteln, hat Katrin Kath Kostüme entworfen, die zur Entstehungszeit der Operette passen. Die Schneiderei hat für diese eleganten Damenkleider gute Arbeit geleistet. Für eine angedeutete szenische Umsetzung sorgte Esteban Muñoz. Allerdings blieben auf dem schmalen Streifen vor dem Orchester nicht viele Möglichkeiten. Dem Premierenpublikum gefiel die Vorstellung: Beifall für alle Beteiligten.

Besuchte Vorstellung: Premiere am 22. Dezember 2019
Komische Oper, Berlin


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